Bei der Entscheidung um die Nachfolge von Trainer Pal Dardai lassen sich die Verantwortlichen nicht treiben.
Dieser Tage befindet man sich bekanntlich in guter Gesellschaft, wenn es mit der Vorstellung eines neuen Trainers mal etwas länger dauert. Anders als beim „großen“ FC Bayern München aber hat Hertha BSC dabei zumindest keine Welle an Absagen publizieren müssen – allerdings zog sich der Prozess der Entscheidungsfindung für Beobachter und Fans dennoch zuletzt in die Länge. Dabei hatte Pal Dardai bereits vor dem Neustart zur Saison 2023/24, dann Anfang dieses Jahres sowie nach seinem wutentbrannten Abgang von einer Pressekonferenz im April bei den Verantwortlichen zur Disposition und in diesem Zusammenhang der eine oder andere Name als Nachfolger im Raum gestanden. Die endgültige Tatsache, dass mit der Vereinsikone nicht verlängert würde, wollte man aber selbst dann partout nicht kommunizieren, als der 48-Jährige diese längst im Fernsehen publik gemacht hatte. Ganze sieben Tage später, am 18. Mai, dann erst die offizielle Stellungnahme, dass es bei Hertha BSC zur neuen Spielzeit mit einem neuen Übungsleiter weitergeht – verbunden mit dem expliziten Hinweis, dass Dardai dem Verein in einer noch festzulegenden Position erhalten bleibe.
Neuer Trainer zur neuen Saison
Doch wer mit dieser Mitteilung verbunden die Verkündung des neuen Trainers erwartet hatte, sah sich gewaltig getäuscht. Selbst diejenigen, die den „weißen Rauch“ vom Vorstand spätestens medienwirksam auf der Mitgliederversammlung am 26. Mai erwartet hatten, mussten sich weiter gedulden. Neben kursierenden Namen wie Markus Gisdol (zuletzt Samsunspor/Türkei) oder Kosta Runjaic (zuletzt Legia Warschau/Polen), die eher auf dem Wunschzettel des Investors 777 Partners gestanden haben sollen, sowie Enrico Maaßen (zuletzt FC Augsburg) und Stefan Leitl (aktuell Hannover 96) blieb ein Mann dabei im Zentrum der Spekulationen: Cristian Fiél, momentan bei Ligakonkurrent 1. FC Nürnberg unter Vertrag. In dieser Personalie offenbar der langen Prozedur überdrüssig, war die „Bild“-Zeitung sogar vorgeprescht und hatte von einer „grundsätzlichen Einigung“ mit dem Deutsch-Spanier geschrieben. Herangezogen wurde dabei auch die Tatsache, dass der Anwalt Fiéls am Wochenende des Pokalendspiels bereits in der Hauptstadt gesichtet worden sein soll. Doch als auf der Mitgliederversammlung kein Vollzug diesbezüglich vermeldet wurde, kam der „Kicker“ tags darauf mit folgender Schlagzeile um die Ecke: „Fiél und Hertha: Fix ist nix“. In dem Bericht hieß es, dass die Führungsetage der Hauptstädter den „Club“ bis dahin noch nicht einmal kontaktiert habe, der Umworbene gerade zum Urlauben in Griechenland und sein Anwalt als Vertreter eines am Endspiel teilnehmenden Spielers in Berlin gewesen sei. In der Tat war den Mitgliedern tags zuvor bei der Veranstaltung im City Cube der Messe Berlin zunächst durch Geschäftsführer Thomas Herrich die Kommunikation in der Personalie Pal Dardai selbstkritisch als „nicht gelungen“ beschrieben worden, ehe Benjamin Weber den rund 1.600 Erschienenen folgenden Zeitplan offenbarte: „Die Mitgliederversammlung kommt zwei Wochen zu früh, sonst könnten wir schon was verkünden“, so der Sportdirektor der Blau-Weißen, „wir sind auf einem guten Weg, wollen es vertraulich und intensiv machen und haben ein klares Profil: fachlich und persönlich.“ Und, Stichwort „Berliner Weg“, weiter: „Wir wollen eine Entscheidung treffen, die unseren Weg unterstützt und zu unserem Weg passt.“
Mögliche Kompetenzprobleme?
Problematisch allerdings, dass man mit dem neuen Trainer diesen Weg eben auf einer der zentralen Postionen definitiv verlassen wird – denn einen „internen“ Nachfolger für Pal Dardai gibt es nicht. Zum zweiten will beziehungsweise muss man vielleicht erst klären, welcher Art die künftige Position Dardais im Verein sein wird, um mögliche Kompetenzprobleme zu vermeiden. Der Ungar aber wiederum weilte selbst erst einmal am Balaton, ehe er sich intensiv mit der EM 2024 beschäftigen wollte – insbesondere der Auswahl seines Heimatlands und dem bei diesem Turnier teilnehmenden Filius Marton. Dazu käme, dass Fiél – der auch aufgrund einer Freundschaft zu Andreas „Zecke“ Neuendorf, Herthas Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich, ein besonderer Wunschkandidat sein soll – noch einen bis 2025 gültigen Vertrag in Nürnberg besitzt und für den Fall eine Ablösesumme kosten würde. Deren Höhe, geschätzte 500.000 Euro, würde dabei auch überschaubar ausfallen. Dennoch sollen laut „Kicker“ letzte Woche noch andere Kandidaten weiterhin im Visier gewesen sein – auch solche, die spätestens zum 1. Juli ohne Vertrag und damit ablösefrei zu haben wären. So beeindruckend also die Akribie bei der Suche erscheint, hat die Hängepartie auf dem Trainerstuhl aber sicherlich auch negative Seiten. Einerseits erscheint es schwierig, zeitig den Kader mit Neuzugängen zu ergänzen – bislang wurde mit dem Angreifer Luca Schuler von Ligakonkurrent 1. FC Magdeburg erst ein Spieler extern verpflichtet. Selbst der wie schon im vergangenen Jahr als sicher vermeldete Transfer von Mittelfeldroutinier Diego Demme (SSC Neapel) war letzte Woche immer noch nicht in trockenen Tüchern. Verlängert wurde der Vertrag mit Jeremy Dudziak (bis 2025), der variabel einsetzbare 28-Jährige konnte sich nach einer längeren Verletzungspause zum Ende der abgelaufenen Saison wieder besser in Szene setzen. Dazu unterschrieb das 2023/24 ausgeliehene Eigengewächs Julian Eitschberger einen Kontrakt bis 2027. Fraglich bleibt allerdings die Zukunft der „Unterschiedsspieler“ Fabian Reese (Vertrag bis 2028) und Haris Tabakovic (bis 2025), die sich auch angesichts der wie Kaugummi ziehenden Trainersuche doch noch anders orientieren könnten. Einen Abgang musste Hertha BSC dazu auf der operativen Ebene verzeichnen: Der auch als TV-Experte bekannte Thomas Broich, in Berlin zuletzt „Leiter Methodik“ der Akademie, wird sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Borussia Dortmund. Ein „Wermutstropfen“ droht dazu auf finanzieller Ebene: im Prozess um die außerordentliche Kündigung von Fredi Bobic hat der Kläger in erster Instanz gewonnen – im Fall der Urteilsbestätigung stünden dem 52-Jährigen noch geschätzte 3,5 Millionen Euro zu.