Nach ihrer Enttäuschung bei den French Open fiebert Angelique Kerber dem Beginn der Rasensaison entgegen. Beim WTA-Turnier in Berlin ist die Konkurrenz für die deutsche Tennisspielerin riesengroß.
and wird in diesem Leben nicht mehr der Untergrund, der bei Angelique Kerber einen Wohlfühlfaktor auslöst. Bei Bedingungen wie in diesem Jahr in Paris erst recht nicht. Es war nasskalt am Tag ihres Auftaktmatches Ende Mai bei den French Open, ihre niederländische Gegnerin Arantxa Rus machte ihr als Linkshänderin und mit gefährlichen Spin-Vorhänden das Leben schwer. Und als wäre das alles nicht schon herausfordernd genug, hatten die Organisatoren die dreimalige Grand-Slam-Turniergewinnerin auch noch auf den schmucklosen Nebencourt zwei angesetzt. Dort war es wuselig, geräuschvoll, ungemütlich. „Ich habe trotzdem versucht, mein Bestes zu geben und auch in dieser Atmosphäre irgendwie ins Match reinzukommen. Das ist in den ersten Runden immer ein bisschen schwierig, vor allem hier in Paris“, sagte die deutsche Tennisspielerin. Aber es gelang ihr nicht. Mit 4:6, 3:6 verlor Kerber die erste Runde, nach ein paar Tagen in der französischen Metropole reiste die 36-Jährige auch schon wieder unverrichteter Dinge in die Heimat ab.
Zukunft des Turniers ist ungewiss
Nicht nur weil Grün bekanntlich die Farbe der Hoffnung ist, setzt Kerber nun alles auf die Rasensaison. In der will sie nach ihrem Comeback zur Jahreswende nach 18-monatiger Babypause endlich wieder in die Weltspitze vorstoßen. „Jetzt schaue ich nach vorne und freue mich auf Rasen“, sagte die Kielerin und verriet: „Berlin, Bad Homburg, Wimbledon – das ist der Plan.“ Die Startzusage der deutschen Nummer eins ist für die Veranstalter in Berlin ein wichtiges Zeichen, schließlich ist die Zukunft des Traditionsturniers (15. bis 23. Juni) auf der Anlage im Berliner Grunewald alles andere als sicher. „Für mich und für unser Turnier ist die Teilnahme von Angie ein absolutes Highlight. Ich bin mir sicher, dass sie eine gute Rasensaison spielen wird“, sagte Turnierdirektorin Barbara Rittner: „Angie ist die deutsche Spielerin, die man auf jeden Fall noch mal sehen will.“ Die ehemalige Bundestrainerin verriet, dass Kerber mit großen Ambitionen im Steffi-Graf-Stadion aufschlägt: „Ich weiß, was sie sich vornimmt – und Rasen ist nun mal einfach ihr Belag.“
Für Kerber sind Auftritte in Deutschland „immer etwas Besonderes“, die Atmosphäre werde sie hoffentlich beflügeln. „Wer mich kennt, weiß, dass ich mein Herz auf dem Platz lassen werde. Das hat sich seit meiner Rückkehr nicht geändert“, sagte die Wimbledon-Gewinnerin von 2018. Geschenkt wird ihr in Berlin aber ganz sicher nichts, denn die internationale Konkurrenz ist stark: Die ersten neun Spielerinnen der Weltranglisten hatten allesamt für das WTA-500-Turnier gemeldet. Angeführt wird das Feld von Polens Tennisstar Iga Swiatek, auch die US-Open-Gewinnerin Coco Gauff, Wimbledon-Champion Marketa Von-drousova und Publikumsliebling Ons Jabeur aus Tunesien sind dabei. Auch die viermalige Grand-Slam-Turniersiegerin Naomi Osaka aus Japan, die genau wie Kerber nach einer Babypause um den Anschluss an die Weltspitze kämpft, hat ihr Kommen angekündigt.
„Jede Begegnung wird absolutes Hochklasse-Tennis bieten“, frohlockte Rittner: „Unser Turnier hat die Besetzung eines Grand-Slam-Turniers. Es ist schon fast unglaublich, was wir hier bieten können“. Die Topstars werden etwas später nach Berlin reisen und auch später ins Turnier einsteigen, was eine große Bitte der Athletinnen war. Mit dem Entgegenkommen verminderten die Veranstalter das Risiko kurzfristiger Absagen. Damit ist aber nicht zu rechnen, denn alle wollen und müssen sich für das am 1. Juli beginnende Grand-Slam-Turnier in Wimbledon einspielen, so viele Rasenturniere gibt es nicht auf der Tour. Und auch das Preisgeld lockt: Insgesamt gibt es 922.573 US-Dollar zu verdienen.
Das liebe Geld war im Vorfeld des Turniers mit dem Etat von 4,5 Millionen Euro ein großes Thema. Veranstalter Edwin Weindorfer und Turnierdirektorin Rittner hatten sich enttäuscht von der Unterstützung des Berliner Senats gezeigt. Rund 900.000 Euro sollen sich die Macher aus öffentlichen Geldern erhoffen, doch der Senat scheint sich dagegen (noch) zu sperren. „Die Stadt muss mitziehen. Nur dann kann man über die Zukunft reden“, sagte Weindorfer der „Bild“-Zeitung. Andernfalls könnte Weindorfer mit der Lizenz in eine andere Stadt gehen und dort das WTA-Turnier austragen. Die Forderung nach mehr Unterstützung bezieht auch Dienst- und Sachleistungen mit ein. Im Gegenzug, so rechnete Weindorfer vor, hätte das Turnier der Stadt Berlin in den vergangenen fünf Jahren eine Wertschöpfung von 25 Millionen Euro verschafft. Ohne eine Annäherung könnte es tatsächlich die vorerst letzte Ausgabe des Turniers an der Hundekehle sein. Schon 2008 war es zu einem Aus gekommen, nach zwölf Jahren wurde das Turnier aber wiederbelebt.
Olympia auf ungeliebtem Sand
Eine positive Nachricht gab es zwei Wochen vor Turnierstar: In „Ecotrans“ wurde ein neuer Titelsponsor gefunden. Das Logistikunternehmen löste „bett-1open“ ab. Die Einigung gilt für dieses Jahr, dank einer Option könnte der Vertrag aber auch verlängert werden. Dass die Firma aus Polen kommt, ist eher ein Zufall – dennoch könnten polnische Festtage in Berlin bevorstehen. Nicht nur, weil Polens Tennisstar Swiatek als eine große Turnierfavoritin antritt. Aufgrund der Nähe zum Nachbarland und auch der Tatsache, dass die polnische Fußball-Nationalmannschaft am 21. Juni ihr zweites EM-Gruppenspiel gegen Österreich im nahen Olympiastadion austrägt, werden die Farben Rot und Weiß beim Tennisturnier vermutlich dominieren. Wer für Robert Lewandowski und Co. nach Berlin reist, wird auch einen Abstecher nach Grunewald machen – diese Rechnung der Macher scheint aufzugehen. „Kaum war die Teilnahme der polnischen Ausnahme-Könnerin verkündet, da schossen die Ticketanfragen aus Polen massiv in die Höhe“, steht auf der Turnier-Internetseite: „Der enorme Ticket-Absatz in Polen legt nahe, dass Swiatek dann nahezu Heimspiel-Atmos-phäre genießen kann.“
In jedem Fall wird es eine neue Titelträgerin geben, denn Vorjahressiegerin Petra Kvitova aus Tschechien fehlt wegen einer Schwangerschaftspause. Kerber will zumindest ihre Chance nutzen, auch wenn sie um die Schwere der Aufgabe weiß. „Es werden die besten Spielerinnen am Start sein, und so wird es ein echter Wimbledon-Härtetest im renommierten Berliner Steffi-Graf-Stadion“, sagte sie. Für die frühere Fed-Cup-Teamkollegin Andrea Petkovic ist Kerber noch immer eine heiße Sieganwärterin bei Rasen-Turnieren. „Jemand wie Angie weiß, wie man große Matches gewinnt und wie man bei Grand Slams spielt. Und ich glaube, dass wir ein Auge auf sie haben müssen, vor allem in der Rasensaison“, sagte die 36-Jährige: „Das ist der Belag, auf dem sie am liebsten spielt. Wimbledon ist ihr Lieblingsturnier.“ Auch Tennis-Ikone Boris Becker meinte nach Kerbers enttäuschendem Auftritt auf Sand in Paris: „Trotzdem muss Angie nicht den Kopf hängen lassen, denn der Rasen kommt bestimmt.“
Nach Wimbledon wird sich Kerber aber wieder umgewöhnen und auf den eher ungeliebten Untergrund zurückkehren. Denn das olympische Tennisturnier in Paris wird ab dem 27. Juli wieder im Stade Roland Garros auf Asche ausgetragen. „Dann geht es noch mal auf Sand in diesem Jahr. Irgendwie freue ich mich auch drauf, weil es noch mal eine Herausforderung und Olympia etwas ganz Besonderes ist“, sagte sie: „Es wird auf jeden Fall noch ein spannender Sommer.“