Die Generalprobe der deutschen Volleyballer vor den Olympischen Spielen in Paris findet in Saarbrücken statt. Mittendrin: der gebürtige Lebacher Moritz Reichert.
Die Freude ist hörbar: „Das kam dann doch etwas überraschend“, gibt Moritz Reichert lächelnd zu und untertreibt dabei ein wenig. Dass er einmal mit der Nationalmannschaft ein Heimspiel in Saarbrücken austragen würde – noch dazu gegen das Weltklasse-Team aus Brasilien, hätte sich der 29-jährige Volleyball-Profi aus Lebach nicht träumen lassen. „Auf der anderen Seite passt es wegen der Nähe zu Paris auch ganz gut“, findet er und schiebt nach: „Für mich war es jedenfalls eine sehr schöne Neuigkeit.“
Das hochkarätige Testspiel findet am 21. Juli ab 14 Uhr in der Multifunktionshalle auf dem Saarbrücker Sportcampus Saar statt. Es ist die Generalprobe der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele, die nur wenige Tage später in Paris beginnen und hat somit auch einen hohen sportlichen Stellenwert. Brasilien, das von Volleyball-Legende Bernardo „Bernardinho“ Rezende trainiert wird, hat als einzige Nation an allen olympischen Volleyball-Turnieren teilgenommen. Dreimal holten sie sogar die Goldmedaille (1992, 2004 und 2016) und genauso oft waren sie schon Weltmeister (2002, 2006 und 2010).
Schon in Saarbrücken in Topform
„Beide Teams sollten um diese Zeit schon ihre Topform erreicht haben und werden das Spiel ernst nehmen. Man will sich noch einmal beweisen und mit einem guten Gefühl ins Turnier gehen“, weiß Moritz Reichert, der mit einer Kontaktvermittlung zu Ansprechpartnern vor Ort einen kleinen Teil dazu beigetragen hat, dass das Spiel in seiner Heimat stattfindet: „Man braucht vor Ort eine gewisse Unterstützung und da haben die Volleyball-Vereine im Saarland, beispielsweise der TV Bliesen, ja schon Erfahrung mit größeren Events“, ergänzt der 1,95 Meter große Außenangreifer.
Ihre Olympia-Vorbereitung absolviert die Volleyball-Nationalmannschaft nicht am Sportcampus Saar, sondern am Olympischen und Paralympischen Trainingszentrum in Kienbaum/Berlin. Seit Anfang Mai laufen die Lehrgänge, parallel dazu spielt Deutschland bei der Volleyball Nations League mit. Allerdings aus taktischen Gründen nicht an jedem Turnier der Serie in Bestbesetzung: Einerseits sollen sich die Leistungsträger, zu denen auch Moritz Reichert gehört, vor den Olympischen Spielen von der eng getakteten Saison regenerieren. Andererseits wird dieses Format zum Experimentieren genutzt. Die Nations League läuft noch bis Ende Juni, nach ein paar freien Tagen geht es dann ab Anfang Juli ans Eingemachte. Die kurze freie Zeit dazwischen nutzen Reichert und seine Freundin Lisanne, um standesamtlich zu heiraten. In den letzten Lehrgängen und Trainingslagern sowie einem Vorbereitungsturnier in Polen soll der Feinschliff für Paris erfolgen, der im besten Fall schon am 21. Juli in Saarbrücken erkennbar ist.
Was die Bilanz der zurückliegenden Saison angeht, ist Moritz Reichert etwas ernüchtert. Eigentlich wollte er mit dem französischen Topclub Tourcoing Lille Métropole Volley-Ball die Meisterschaft und den Pokal gewinnen. Am Ende steht er nach einer turbulenten Saison inklusive Trainerwechsel ohne auch nur einen dieser Titel da: „Das hatte ich mir schon anders vorgestellt. Wir waren zwar im Pokalfinale, aber dort zu verlieren macht es auch nicht besser“, gibt Reichert zu, der mit seiner Mannschaft in den Meisterschafts-Playoffs sogar schon im Viertelfinale ausgeschieden war. Mit 0:3 bei Reicherts Ex-Club Tours VB (2017/2018): „Das war schon enttäuschend, aber über die gesamte Saison hinweg waren es einfach zu viele Veränderungen, sei es durch Verletzungen oder den Trainerwechsel, unter denen das Zusammenspiel als Team gelitten hat.“ Er selbst lieferte konstant gute Leistungen ab und untermauerte seinen festen Platz auch im Nationalteam. Ab der kommenden Saison wird Reichert nach insgesamt vier Jahren in Polen und Frankreich wieder in der deutschen Bundesliga spielen und zu seinem Ex-Verein, dem Deutschen Meister Berlin Recycling Volleys (2018 – 2020) zurückkehren. Ausgebildet wurde Reichert beim TV Lebach (2003 – 2008), dem TV Bliesen (2008 – 2014) und am Volleyball-Internat Frankfurt (2011 – 2014).
Erste Teilnahme seit 2012
Was man von der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft in Paris erwarten kann? Schließlich ist es die erste Teilnahme an Olympischen Spielen seit London 2012: „Natürlich geht man mit Hoffnungen in ein solches Turnier. Es ist ja noch nicht so lange her, als wir im Herbst 2023 ein klasse Turnier gespielt haben“, sagt Reichert und erinnert an die spektakuläre Qualifikationsrunde, in die Deutschland mit stockendem Motor startete. Mit nur drei Siegen aus zwölf Spielen verpassten die Deutschen die Finalrunde der Nations League 2023 zunächst deutlich. Auch bei der folgenden Europameisterschaft, zu der neben einigen Verletzen sogar Topstar Georg Grozer nach zwei Jahren Pause ins Team zurückkehrte, reichte es nur für das Achtelfinale.
Daraufhin hatten sich die Spieler vor der letzten Olympia-Chance beim Qualifikationsturnier in Rio de Janeiro Anfang Oktober 2023 einfach selbst von jeglichem Druck befreit: „Der Sommer davor war eher durchwachsen und wir sind mit einer ‚Wir haben nix zu verlieren‘-Mentalität gestartet. Die hat sich über das gesamte Turnier gehalten und so haben wir uns in einen Rausch gespielt“, erinnert sich Reichert an die Siege unter anderem über den damaligen Weltranglisten-Ersten Brasilien und Weltmeister Italien (je mit 3:1). Vor 9.000 frenetischen Fans im volleyballverrückten Brasilien war es Moritz Reichet, der den Matchball zum 28:26 im vierten Satz verwandelte. „Diesen Zustand wieder zu erreichen, wäre die Grundlage, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen“, wünscht sich Reichert und ergänzt: „Jeder weiß, dass es schwer wird. Aber wenn wir richtig gut spielen, können wir auch mit den besten Teams mithalten. Wenn wir es schaffen, wieder mit der Leichtigkeit in die Spiele zu gehen wie in der Quali, dann ist vielleicht auch ein bisschen mehr drin.“
Zuletzt hatte Deutschland gegen Brasilien wieder das Nachsehen. Die Mannschaft von Bundestrainer Michal Winiarski verlor Anfang Juni glatt mit 0:3 – war allerdings aus den genannten Gründen ohne Leistungsträger wie Moritz Reichert angetreten. Der weilte in der Zwischenzeit kurz in der alten Heimat, wo er an einem Videodreh zur Bewerbung des Spiels in Saarbrücken teilnahm. Der 29-Jährige ist das Aushängeschild des Saarsports beim größten Volleyball-Event der vergangenen Jahrzehnte im Saarland. Dass die Generalprobe vor den Spielen quasi nur einen Aufschlag von Paris entfernt ist, motiviert Moritz Reichert und sein Team noch mehr: „Man merkt schon, was das für ein Riesenziel ist, das viele Sportler vor Augen haben. Für jeden ist es ein Traum, dabei zu sein. Normalerweise ist man nach einer Saison müde und freut sich über eine Pause“, verrät der Saarländer und ergänzt: „Aber in diesem Jahr ist dieses Gefühl relativ schnell verflogen. Stattdessen haben wir alle Bock, Vollgas zu geben, um rechtzeitig in Topform zu sein.“