Erstmals hat sich eine „KI-Konferenz der Berliner Kultur“ mit den Auswirkungen der sich schnell entwickelnden Technik auf die Arbeit von Kreativen beschäftigt.
Im Lokschuppen des Technischen Museums sitzen viele Menschen, die etwas zu sagen haben. Aber auf die Frage von AC Coppens, wer denn die Band erkannt habe, deren Musik aus den Lautsprechern kam, bevor das Programm auf der Bühne losging, herrscht Schweigen. Dann ruft doch jemand: „Von der KI.“ Die Antwort ist naheliegend. Schließlich kam AC Coppens, international gefragte Moderatorin und Beraterin, wenn es um kreative Projekte geht, auf die Bühne, um die erste KI-Konferenz der Berliner Kultur zu eröffnen.
KI, also künstliche Intelligenz, wird Professor Thorsten Koch von der Technischen Universität Berlin später sagen, sei ein schwieriger Begriff, einer, „den Leute erfunden haben, um sich eine Konferenz sponsern zu lassen“. Diese Wortschöpfung weckte Neugier und klang so, dass man da Geld reinstecken sollte. Und nach einer „Superintelligenz, die alles kann“. Aber das sei „Science Fiction“. Ob diese Fiktion wahr wird? „Wir werden sehen“, sagt der Professor.
Wie ist das mit dem Urheberrecht?
Was jetzt bereits klar ist: KI ist da. Oder wie es der Regisseur, Drehbuchautor und Filmmusikkomponist Tom Tykwer formuliert: „Die Spezies ist gelandet.“ Wobei es nicht so sei, dass sie „aus dem Nichts kommt“, sagt der Mann, der mit „Lola rennt“ 1998 erstmals einem größeren Kinopublikum bekannt wurde und zuletzt mit der Fernsehserie „Babylon Berlin“ für Aufmerksamkeit gesorgt hat.
Schon vor etwa zehn Jahren sei mit KI gearbeitet worden, um Komparsen beim Filmdreh einzusparen. Tykwer nennt die Schlachtszene in „Herr der Ringe“: „10.000 kommen von der einen Seite, 10.000 von der anderen Seite. Und die rufen nicht alle dasselbe und bewegen sich auch nicht alle gleich.“ Warum soll ein Regisseur diese technischen Möglichkeiten nicht nutzen? „Die KI kommt in unsere Kunst als Co-Autor“, erklärt Tykwer. Die Handlung bestimme der Filmemacher. „Eine Frau geht im Regen durch Tokio, mittelmäßiger Verkehr, die Leute, die ihr entgegenkommen, schauen nachdenklich“, beschreibt Tykwer ein Szenario. Es sei doch „toll“, wenn die KI das mache. Denn: „Dann muss ich nicht nach Tokio, Straßen sperren, Regen erzeugen, der nicht da ist. Also: Warum nicht?“
„KI bringt enorme Potenziale und Chancen, die wir nutzen sollten“, findet auch Berlins Kultursenator Joe Chialo. „Künstliche Intelligenz bringt aber auch ethische und rechtliche Fragen mit sich“, ergänzt er. Einige dieser Fragen werden im Verlauf der Konferenz formuliert. Eine zentrale Frage ist: Wie ist das mit dem Urheberrecht? Wobei es da mindestens zwei Betrachtungsweisen gibt. Die erste: Wie kann ich mich dagegen wehren oder davon profitieren, wenn Computerprogramme meine Texte, meine Gemälde, meine Fotos, meine Musik nutzen, um mithilfe von KI etwas Neues daraus zusammenzubasteln? Die zweite: Kann ich Urheberrechte an einem Werk geltend machen, das ich mithilfe von KI geschaffen habe?

Klare Antworten auf diese Fragen scheint es noch nicht zu geben. Mit KI generierte Werke schützen lassen? „Wenige Juristen sagen ja, viele nein, einige: Es kommt darauf an“, fasst die Rechtsanwältin Lisa Käde zusammen. Sie hat sich intensiv mit dieser Rechtsmaterie beschäftigt und zählt sich zur letzten Gruppe. „Die Individualität des Urhebers steht im Urheberrecht“, erklärt sie. Aber wie viel Individualität ist noch in einem mit KI generierten Werk? Das gelte es im Einzelfall zu prüfen. Ein Problem sei, dass das Urheberrecht nicht Schritt halte mit der technischen Entwicklung.
Das gilt vor allem bei der Frage, welche Informationen die KI nutzen darf. „KI braucht urheberrechtlich geschützte Daten“, sagt Käde. Unklar sei aber, wie man diese Daten, die zum „Training“ der Computerprogramme gebraucht werden, schützen könne. Denn viele derjenigen, die das tun, legen nicht offen, mit welchen Informationen sie die KI „gefüttert“ haben. Da sei die aktuelle Gesetzgebung der Europäischen Union ein erster Schritt zu mehr Transparenz – aber auch nicht mehr.
Durch die KI stößt allerdings nicht nur das Urheberrecht an Grenzen. „Auch für das Persönlichkeitsrecht ist die Entwicklung zu neu“, als dass man etwa eine wirklich sichere Antwort auf die Frage geben könne: Darf man die KI beauftragen, mit der Stimme eines toten Musikers oder einer toten Musikerin ein neues Lied zu produzieren? Der Musiker Bruno Kramm, der sich selbst auch als KI-Unternehmer bezeichnet, sieht da nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine ethische Frage. Ob es „ethisch etwas kaputt“ ist, tote Künstler auf diese Weise „zum Leben zu erwecken“, „entscheiden am Ende die Nutzer“, befürchtet er.
Ein Teil des Problems sei, erklärt Mina Saidze, dass die meisten Menschen gar nicht wissen, was KI ist, was sie kann, wo wir ihr begegnen, ohne es zu merken. „Man lernt darüber nichts in der Schule“, sagt sie und fordert eine Bildungsreform. Die Buchautorin sieht es als ihre Mission an, „Big Data und Künstliche Intelligenz zu demokratisieren“. „Fair Tech“ bedeute, „für eine gerechtere Gesellschaft die Digitalisierung neu zu denken“. Sie gibt sich überzeugt, dass die KI gut für den Kulturbetrieb sei. Als es um Videoproduktionen ging, habe man früher „viele Personen um sich rum gehabt“. Heute könne man auch ohne große finanzielle Mittel arbeiten und sich zum Beispiel „besser auf die Recherchen konzentrieren“. „Egal, wer ich bin und wo ich bin“ – der Zugang zu einer Welt, in der man selbst Kultur schaffen kann, sei durch KI einfacher geworden.
„Keine Abwertung der Kreativen“
Deshalb bezeichnet sich Saidze auch als „Tech-Optimistin“. Ihre Prognose: „Es wird keine Abwertung des Kreativen geben – im Gegenteil: Wir Menschen sind gezwungen, das Höchstmaß unserer Kreativität zu erreichen.“ Die KI könne dabei nur unterstützen, aber „der Mensch wird immer involviert sein“, sagt sie. Wobei sie die Angst vieler Künstlerinnen und Künstler verstehe. Das sei wie bei der Erfindung des Webstuhls. Es ging damals „um dieselbe Frage wie heute: Was bedeutet das für meine Arbeit? Ist meine Arbeit jetzt wertlos?“ Auch als Microsoft sein Programm Excel auf den Markt brachte, „gab es die Angst, dass wir keine Buchhalter mehr brauchen“. Oder wie es die Künstlerin SOFF etwas später in einem poetischen Vortrag formuliert: „Der Mensch war schon immer sehr ängstlich und rückwärtsgewandt.“
Also alles gut? Nein, sagt auch die Tech-Optimistin Saidze. Es müsse geklärt werden, wie das mit der Vergütung für die Werke ist, die die KI zum Erzeugen neuer Kunst nutzt. Dazu brauche es Transparenz. Und: „Wir müssen klären, wer der Schiedsrichter ist.“ Dabei sei klar: „Es reicht nicht, wenn wir uns empören. Wir müssen etwas tun.“ Dennoch: KI sei einfach ein Werkzeug. Das sei „wie bei einer Ärztin“. Die könne Gutes tun mit einem Skalpell, aber auch verletzen.
Professor Thorsten Koch weist da aber noch auf eine weitere Sache hin, die man gerade in der Kultur nicht unterschätzen sollte. Er ist zwar der Meinung, dass man sich „mit der KI angenehmer unterhalten kann als mit 90 Prozent der Menschen auf der Straße“. Aber: „Wenn man sich nicht so verhält wie erwartet, wird es lustig.“ Die KI zeige nämlich einfach nur, „was die meisten wollen“. Das ist auch ein Punkt, an dem Tom Tykwer KI-kritisch ist. Wenn die KI vorgebe, wie man zum Beispiel eine Serie gestalten soll, „damit sie möglichst viele Parameter abdeckt, also das zeigt, was die Leute angeblich gerade wollen“, dann mache er da nicht mit.
„Der Regelbruch ist das, was nur Menschen ausmacht. Das kann die KI nicht“, erklärt Musiker und KI-Unternehmer Kramm. Und Professor Koch rät: „Wir sollten nicht zur KI aufschauen, sondern demütig auf die eigenen Unzulänglichkeiten.“ Für echte Kreative sieht er so in der KI keine Gefahr – für Menschen, die „Gebrauchskunst“ liefern, schon.
Letztere probiert dann auch Tom Tykwer aus. Ein dahinplätschernder Song über große Gefühle erklingt im Lokschuppen – in wenigen Minuten produziert mit Hilfe von Joe Chialo und einem KI-Musik-Programm. „Ballade, Frauenstimme, Liebe?“, fragt der Kultursenator, bevor er den Auftrag an die KI in den Computer tippt. „Große Liebe“, ergänzt der Regisseur.