Jenseits von Sanssouci kann man in Potsdam die einzigartigen Gartenanlagen Karl Foersters entdecken. Und mit dem Rad gleich noch einen Stopp in der Jubiläumsausstellung zum 150. Geburtstag des Gartenphilosophen einlegen.
Junge Menschen, die auf Rasenflächen lagern, Paare, die einen Kinderwagen zwischen Blumenbeeten vor sich herschieben, ältere Leute, die von Bänken aus den Blick über die Fontänen der Wasserachse schweifen lassen: Gleich neben dem monströsen Potsdamer Hauptbahnhof tut sich eine wahre Idylle auf. Wenn „Park Sanssouci“ die preußischen Monarchen zeitweise von ihren Sorgen befreite, dann beschert die „Freundschaftsinsel“ heute den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen eine kleine, unbeschwerte Auszeit aus dem Alltag. Wobei auch Potsdams beliebteste Grünanlage durchaus kunstvoll gestaltet ist: Mit Wasserbecken, Inselcafé, Freilichtbühne, Kunstpavillon und Skulpturen ist sie ein blühendes Gesamtkunstwerk.

Inselcafé und Freilichtbühne
Um 1938 von Hermann Mattern und Karl Foerster zwischen zwei Havelarmen angelegt, vereint sie 1.200 verschiedene Staudensorten, unzählige Rosen- und Schwertlilienarten, Kletterpflanzen, Bäume und Gräser auf sich. Viele der Pflanzen sind sogar mit Namensschildern versehen. „Ja, natürlich, es handelt sich ja um einen Schau- und Sichtungsgarten“, erklärt Thorald Götsch, Inselgärtner in der dritten Generation. Der Park sollte für die Pflanzen sensibilisieren. Unter anderem für Stauden, denen der Staudenzüchter Foerster in seinen Gartenanlagen besonderen Raum schenkte. Als winterharte, mehrjährige Sorten bewähren sie sich gegenüber solchen, die immer wieder nachgepflanzt werden müssen.

Die Freundschaftsinsel ist die erste Station auf unserer Tour auf den Spuren Karl Foersters durch Potsdam. Statt sich im Auto oder Bus durch die verkehrsreiche Innenstadt zu bewegen, steigen wir aufs Rad und schlagen einen weiten Bogen durch die Landeshauptstadt mit ihren unterschiedlichen Gartenanlagen. Hier der barocke „Park Sanssouci“, dort der „Neue Garten“ im Stil eines englischen Landschaftsgartens oder der „Park Babelsberg“ am Havelufer, den Peter Joseph Lenné und Fürst Hermann von Pückler-Muskau um das gleichnamige Schloss herum inszenierten – der Reichtum an kunstvoll gestalteten grünen Oasen, die zum Welterbe der Unesco gehören, ist beeindruckend. „Nicht zu vergessen die Sichtachsen, die sie zum Teil verbinden“, sagt Robert Freimark, der uns auf der Radtour begleitet. Unterwegs legt er zum Beispiel einen Stopp am Marmorpalais ein, wo wir aus einem speziellen Blickwinkel heraus das Schlösschen auf der Pfaueninsel erspähen. Dann fährt er mit uns an der russischen Kolonie Alexandrowka mit ihrer Streuobstwiese und dem Volkspark vorbei, der beliebtes Relikt der Buga von 2001 ist, in ein eher spärlich begrüntes Neubaugebiet. Was es da wohl zu sehen gibt? Schließlich biegt der Guide in die winzige Straße Am Raubfang im Stadtteil Bornim ein. An der Hausnummer 7 liegt der Karl-Foerster-Garten.
Reichtum an kunstvoll gestalteten Oasen

Niemals würde man auf den Gedanken kommen, dass sich nur ein paar Meter von der lärmigen Bundesstraße 273 entfernt ein solches Paradies versteckt. Blaulila Christrosen, rosa Bergenien und Azaleen gruppieren sich zusammen mit Gräsern, Farnen und verschiedenen Gehölzen um einen Teich mit Seerosen herum, während weiße Tauben ein Vogelhaus umschwirren und andere Vögel zwitschern: Es sieht aus, als wäre alles aus einer verschwenderischen Laune der Natur heraus entstanden. Erst bei genauerem Hinsehen entdecken wir die gestalterische Hand, die hinter der terrassenförmigen Anlage steckt. „Foerster hat den Garten aufgeteilt in Frühlingsweg, Senkgarten, Herbstbeet und Steingarten, der übergeht in einen Farngarten“, wird uns erklärt. Noch bevor er den Garten anlegte, hat er sich Gedanken über Wuchsarten, Farben und Blühzeiten gedacht und alles so miteinander kombiniert, dass er möglichst bodendeckende Pflanzen hatte und wenig Unkraut jäten musste. Ein „Garten für intelligente Faule“ schwebte ihm vor, der aber gleichzeitig nach dem Motto „Es wird durchgeblüht“ das ganze Jahr hindurch eine Augenweide ist.

Längst ist der Schau- und Sichtungsgarten Pilgerstätte für Gartenfreunde aus aller Welt. Besonders in diesem Jahr, in dem sich Foersters Geburtstag zum 150. Mal jährt. Zum Jubiläum werden besondere Führungen angeboten, zu bestimmten Terminen öffnet sich auch Foersters Wohnhaus im englischen Landhausstil, das im Garten steht, für Besucher. Nur ungern verlassen wir die Idylle. Doch wollen wir noch mehr über den Gartenpionier erfahren und radeln mit Robert Freimark durch den Park Sanssouci zurück ins Zentrum zurück, wo das Potsdam Museum bis Mitte August mit der Ausstellung „Neue Wege – neue Gärten“ lockt.
Foerster gelangen 370 Neuzüchtungen

Hier werden – in nächster Nähe zur Freundschaftsinsel – die verschiedensten Facetten des Gartenphilosophen und Staudenzüchters mit Fotos, Schautafeln und sogar Nachbildungen der Gartenpergola und der weißen Täubchen dargestellt. 1874 inmitten einer großbürgerlichen Familie in Berlin geboren, entscheidet sich Karl Foerster schon früh für eine Gärtnerlehre und gründet 1903 eine erste Staudengärtnerei neben dem elterlichen Wohnhaus. 1910 verlegt er seinen Betrieb in den Potsdamer Ortsteil Bornim. Daneben entstehen auch sein Wohnhaus und der öffentlich zugängliche Schau- und Sichtungsgarten. 1927 heiratet er die Sängerin und Pianistin Eva Hildebrandt, die ihm zuliebe ihren Beruf aufgibt und sich der Arbeit ihres Gatten widmet. Auch die gemeinsame Tochter Marianne wird Gartenarchitektin und später den Garten in Bornim weiter pflegen und vor ihrem Tod in die Hände einer Stiftung übergeben. Foerster musste allerlei schwierige Zeiten überstehen – die Weltwirtschaftskrise in der 1930er-Jahren, wo Kunden ausblieben, den Zweiten Weltkrieg, wo vor allem Kartoffeln und Gemüse angebaut werden mussten, bis der Gärtner im August 1945 mit Genehmigung der Sowjetischen Militäradministration wieder einen „Züchtungs- und Forschungsbetrieb winterharter Blütenstauden“ betreiben durfte. Dort gelangen ihm bis zum Tod 1970 etwa 370 Neuzüchtungen winterharter Blütenstauden, von denen etwa ein Drittel noch heute im Handel ist. Mit unzähligen Züchtungen hat er dazu beigetragen, die Stabilität und das Wachstum vieler Pflanzen zu verbessern, sodass sie weniger anfällig für Krankheiten, Dürre- und Frostschäden sind. Gleichzeitig betätigte er sich schriftstellerisch. Nach seinem ersten Buch über „Winterharte Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit“ gründet er die Zeitschrift „Gartenschönheit“ und legt unzählige weitere Publikationen vor.
Wie die Ausstellung zeigt, hatte und hat er noch immer einen großen Einfluss auf die Gartengestaltung im 20. Jahrhundert, der bis zum Neuen Amerikanischen Garten in Übersee reicht. Wobei die Ausstellungsmacher nicht nur in die Vergangenheit blicken. „Wir hoffen, dass Foersters reiches Erbe auch weiter Menschen inspiriert und Gartenliebhaber beflügelt“, sagt Kuratorin Heidi Howcroft, die selbst Landschaftsarchitektin ist. Ja, das tut es sicherlich. Aber erst mal müssen wir die vielen Eindrücke im hübschen „Café Central“ des Museums sacken lassen.