Was passiert bei einer Lungenembolie im Körper? Welche Symptome haben Betroffene? Und sind Thrombosen häufig Vorboten von Krebserkrankungen? Gerinnungs-Experte PD Dr. med. Robert Klamroth (Vivantes Klinikum Berlin-Friedrichshain) hat uns diese Fragen und viele mehr beantwortet.
Herr Dr. Klamroth, was genau ist eine Thrombose und was eine Embolie?
Bei einer Thrombose kommt es zu einer Verklumpung des Blutes (einem Blutgerinnsel) in einem Gefäß. Wenn sich das Blutgerinnsel (der Thrombus) dann löst, spricht man von einer Embolie. Häufig bilden sich Thromben in den tiefen Beinvenen und führen zu einer tiefen Beinvenenthrombose. Wenn sich der Thrombus dann löst, wandert er durch das Herz in die Lungen und man spricht von einer Lungenembolie. Es können sich aber auch Thromben direkt im Herzen bilden. Das passiert vor allem im linken Vorhof. Wenn sich diese Thromben lösen, kommt es zu einer arteriellen Embolie und häufig zu einem Schlaganfall.
Die Symptome für Thrombosen sind eher unspezifisch. Wann sollte man vorsichtshalber einen Arzt aufsuchen?
Die Symptome einer Thrombose sind von der Lokalisation des Thrombus abhängig. Bei einer tiefen Beinvenenthrombose kommt es in der Regel zu Schmerzen und bei vollständigem Verschluss der Vene zu einer Schwellung im betroffenen Bein.
Welche Ursachen können Thrombosen haben und wer ist besonders gefährdet?
Mittlerweile wurden viele verschiedene Risikofaktoren für eine tiefe Beinvenenthrombose identifiziert. Man kann zwischen Faktoren unterscheiden, die man mitbringt – zum Beispiel einer Gerinnungsstörung – und Faktoren, denen man sich aussetzt wie Operationen, hormonelle Kontrazeption und Schwangerschaft und Immobilisation im Rahmen akuter Erkrankungen. Venöse Thrombosen haben in der Regel mehrere Ursachen. Eine Addition der Risikofaktoren führen zur Bildung des Thrombus.
Wie viele Thrombosen/Blutgerinnsel entwickeln sich zu einer Embolie?
Etwa die Hälfte der Beinvenenthrombosen führt zu kleinen Lungenembolien, die dem Patienten aber gar nicht auffallen. Symptomatische Embolien entwickeln sich bei zehn bis 30 Prozent der tiefen Beinvenenthrombosen.
Ist die Gefahr für eine Embolie weitgehend gebannt, wenn die Thrombose erkannt und behandelt wird?
Die Gefahr einer Embolie bei einer Thrombose sinkt sehr schnell, wenn die Antikoagulation (Gabe von Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung) begonnen wird. Dadurch kommt es zu einer Stabilisierung des Thrombus und eine Embolie wird mit dem Abstand zur Thrombose immer unwahrscheinlicher.
Gibt es auch Embolien, die ohne vorherige Thrombose auftreten?
Es gibt auch Embolien, bei denen man den Ursprung des Thrombus nicht findet. Möglicherweise ist er dann in den Beckenvenen entstanden und hat sich vollständig gelöst. Im Rahmen schwererer Corona-Infektionen sind wahrscheinlich auch lokale Thrombosen in den Lungengefäßen aufgetreten, die als Lungenembolien bezeichnet wurden.
Haben die Fälle von Lungenembolien denn durch Corona stark zugenommen?
Die schwere Corona-Infektion ist ein starker Risikofaktor für eine Lungenembolie, sodass in der Zeit auch mehr Lungenembolien nachgewiesen wurden.
Manche Mediziner sagen, eine Thrombose kann auch ein Vorbote für eine Krebserkrankung sein, etwa Lungenkrebs. Können Sie dies bestätigen?
Die venöse Thrombose und Lungenembolie kann das erste Anzeichen einer Krebserkrankung sein. Einfach gesagt, führen viele Krebserkrankungen zu einer Gerinnungsaktivierung und erhöhen dadurch das Thromboserisiko.
Wie bemerkt man eine Lungenembolie?
In der Regel bekommt man Luftnot bei Belastung, die zunehmend ist. Am häufigsten beschreiben die Patienten, dass sie beim Treppensteigen schon nach ein paar Stufen anhalten müssen oder nicht mehr schnell laufen können, ohne außer Atem zu kommen. Ein schneller Herzschlag, Bluthusten und ein Ohnmachtsanfall können weitere Symptome einer Lungenembolie sein.
Wie kann man eine Lungenembolie diagnostizieren?
Eine bildgebende Untersuchung, in der Regel eine Computertomographie des Thorax mit Kontrastmittel zur Darstellung der Gefäße, ist die Methode der Wahl.
Wie sieht die Behandlung aus?
Die Basistherapie ist die Antikoagulation mit Medikamenten, die die Gerinnung hemmen. Bei lebensbedrohlichen Lungenembolien versucht man das Gerinnsel direkt aufzulösen (Lysetherapie) oder mechanisch mit einem Katheter zu entfernen. Die Antikoagulation sollte dann für mindestens drei bis sechs Monate durchgeführt werden, in Einzelfällen auch länger, damit sich das Gerinnsel wieder auflösen kann.
Gibt es Arten von Embolien, die besonders gefährlich sind?
Lungenarterienembolien sind gefährlich, da es bei einer vollständigen Verlegung der Lungenstrombahn zu Herzversagen kommen kann und die Lungenarterienembolie damit eine potenziell tödliche Erkrankung ist.
Entstehen Thrombosen und Embolien über einen längeren Zeitraum oder innerhalb kürzester Zeit? Wie muss man sich das vorstellen?
In der Regel bilden sich Thromben über einen längeren Zeitraum und nicht innerhalb kürzester Zeit. Die Symptome treten allerdings in der Regel erst dann auf, wenn das Gefäß durch den Thrombus vollständig verschlossen ist und sich das Blut in der unteren Extremität staut und der Betroffene Schmerzen bekommt.
Lungenembolie ist eine häufige und plötzliche Todesursache. Wie viel Zeit bleibt für eine Behandlung, bevor es zu spät ist?
Eine akute Lungenarterienembolie kann lebensbedrohlich sein. Hier kommt es darauf an, wie ausgeprägt sie ist und wie viele Gefäße durch den Thrombus verschlossen werden. Bei einer akuten Rechtsherzbelastung muss die Revaskularisierung mittels Lysetherapie oder einem Katheter sehr schnell erfolgen.
Wann beziehungsweise bei welchen Symptomen sollte man auf jeden Fall den Notarzt rufen?
Bei plötzlich auftretender Luftnot in Ruhe, bei starken Schmerzen im Bereich des Thoraxes und bei einem plötzlichen Zusammenbruch muss in jedem Fall der Notarzt gerufen werden. Die Symptome einer Lungenembolie sind häufig unspezifisch, aber jede Form eines Kreislaufversagens kann potenziell eine Lungenarterienembolie als Ursache haben und sollte in der Klinik abgeklärt werden.
Häufig werden Lungenembolien leider zu spät erkannt und behandelt, da man etwa auch bei vielen anderen Erkrankungen Husten, Herzrasen und Atemnot haben kann, manche Symptome erinnern an einen akuten Herzinfarkt. Wie könnte man dies verbessern?
Immer durch Aufklärung und Information. Diese müssen sowohl bei den Symptomen als auch bei der Diagnostik ansetzen. Aufgrund der Symptome und Vielfalt denken viele Ärzte nicht primär an eine Lungenarterienembolie. Viele Patienten denken bei einem schleichenden Beginn auch eher an eine andere Erkrankung. Insgesamt ist die Patienteninformation ein wichtiger Bestandteil, um frühzeitig eine Lungenarterienembolie zu erkennen.