Die EU verzichtet derzeit auf Strafzölle auf chinesische Solarprodukte. Auch einige Unternehmen, die von günstigen Modulen profitieren, sind dagegen. Europäische Produzenten jedoch wandern wegen schlechter Bedingungen lieber in die USA ab.
Joe Biden will die US-Wirtschaft grüner machen – und pumpt daher Milliarden in die Förderung erneuerbarer Energien und Technologien. Das Schweizer Unternehmen Meyer Burger sichert sich einen Teil des Födertopfes, indem es nun seine Solarmodulroduktion in Deutschland beendet. Der einzige Hersteller, der in Europa entlang der gesamten Wertschöpfungskette fertigte, wandert ab, das gab das Unternehmen schon im Sommer 2023 bekannt. Nach eigenen Aussagen entsteht in Colorado ein neues Werk, das anfänglich zwei Gigawatt an Solarmodulen pro Jahr herstellen soll. Dafür erhalten sie vom US-Staat 1,4 Milliarden US-Dollar, von Stadt und Bundesstaat Colorado 90 Millionen US-Dollar und „Vorauszahlungen von Modul-Abnehmern und Darlehen des Department of Energy“ in Höhe von 300 Millionen US-Dollar. Zusätzlich gibt es Steuerboni auf Produkte „made in USA“ in Höhe von zehn Prozent.
China dominiert Solartechnik-Markt
Der Geldregen machte dem Unternehmen die Entscheidung leicht: Statt einen geplanten Ausbau seines Werkes in Deutschland anzugehen, werden die Produktionsmaschinen nun in die USA geliefert. Mittlerweile hat Meyer Burger 400 deutschen Mitarbeitern gekündigt. Das Werk, das erst 2021 eröffnet wurde, bleibt zwar erhalten, die übrigen Mitarbeiter produzieren allerdings Zellen für das amerikanische Werk, um dessen Aufbau zu unterstützen. Um Arbeitsplätze zu retten, will der Landrat nun den Bau eines Solarkraftwerks anschieben.
Gründe für die Abwanderung aber waren nach Angaben des Unternehmens nicht nur das Finanzielle, sondern auch die schlechten Marktbedingungen in Europa. Ein vom Unternehmen geforderter Resilienzbonus, ins Spiel gebracht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wurde von Koalitionspartner Christian Lindner (FDP) in seiner Funktion als Bundesfinanzminister abgelehnt. Ein weiterer Grund: die chinesische Überproduktion. Das Land steht vor Problemen, die Immobilienbranche, die sonst das Wachstum kräftig antrieb, ist in der Krise und drückt weiter auf die Konjunktur. Auch die hohe Verschuldung der Lokalregierungen macht Peking zu schaffen.
Die Staatsführung sucht daher einen neuen Wachstumstreiber und will fortschrittliche Technologien wie Künstliche Intelligenz oder grüne Energie vorantreiben, auch Batterien für Elektroautos und Solarzellen. Regierungen in Europa und den USA werfen Peking nun vor, mit Subventionen Überkapazitäten etwa bei Solarzellen und -modulen zu fördern und damit ausländische Märkte durch billige chinesische Ware unter Druck zu setzen. China bestreitet das und verweist darauf, dass die Branchen durch Innovationskraft angetrieben würden.
Im März noch hatte die EU Strafzölle auf chinesische Solarprodukte ausgeschlossen. Dennoch prüft Brüssel derzeit mögliche versteckte staatliche Subventionen in der Solarzellen- und Solarmodulindustrie. Denn Europa ist derzeit abhängig von der chinesischen Technologie, die den globalen Markt zu Dumping-Preisen beherrscht. Indessen haben die USA ihre Strafzölle auf chinesische Solarprodukte verdoppelt. Klar, dass eine drohende Verteuerung chinesischer Produkte der KP-Führung in Peking angesichts der schwierigeren wirtschaftlichen Lage des Landes missfällt.
Ob Strafzölle überhaupt sinnvoll sind, darüber gibt es ohnehin noch Debatten. Unternehmen, die günstige Panele einkaufen und sie installieren, sind klar dagegen. Produzenten wie Meyer Burger aber fordern Fördergelder aus Brüssel, um dadurch selbst Empfänger von Subventionen zu werden. Doch solche Gelder seien ebenfalls keine gute Idee, so der Brüsseler Think Tank Bruegel, der sich mit dem Thema Anfang des Jahres befasst hat. Schon 2013 verhängte die EU Zölle auf chinesische Solarmodule, die jedoch zu keinem nennenswerten Wachstum des europäischen Marktes geführt hätten, heißt es von den Bruegel-Autoren. Außerdem seien Investitionen in innovative Solartechnologie besser und zukunftsfähiger angelegt. Teurere Module könnten zudem Arbeitsplätze gefährden, die in Deutschland beispielsweise vor allem in der Installation der Module, also etwa im Handwerk, zu finden sind. Das Ergebnis der Zölle ab dem Jahr 2013 war immerhin ein Zusammenbruch des deutschen Marktes für Solarmodule.
EU ringt um Strategie für Solarprodukte
Vor allem deutsche Unternehmen, die von günstigen Modulen aus China profitieren, warnen vor übertriebenem Protektionismus durch Strafzölle. Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es die riesigen chinesischen Produktionskapazitäten, ansonsten würden Arbeitsplätze gefährdet, hieß es in einer Erklärung der Unternehmensallianz Solar Economy Europe, dem unter anderem Enpal, 1Komma5 und der Energiekonzern EnBW angehören. „Konservative Prognosen gehen davon aus, dass die Solarwirtschaft in der EU bis 2025 rund 1 Million und bis 2027 1,2 Millionen Menschen beschäftigen wird, wobei die überwiegende Mehrheit der Arbeitsplätze im mittleren und unteren Marktsegment angesiedelt sein wird, wo sich bereits heute 92 Prozent der Arbeitsplätze befinden. Handelsschutzmaßnahmen würden nicht nur bestehende Arbeitsplätze gefährden, sondern auch diesen europäischen Jobmotor abwürgen“, so die Allianz, die sich klar gegen Strafzölle positioniert hat.
Die deutsche Solarbranche, die in diesen Tagen auf der Messe „The smarter E Europe“ über Energiesysteme konferiert, gibt sich derweil optimistisch. Die Installationszahlen geben ihnen recht: Nach einer Verdoppelung des deutschen Solarmarktes im vergangenen Jahr rechnet der Bundesverband Solarwirtschaft auch für 2024 mit einem weiteren Marktwachstum. Die neu installierte Leistung von Solarstromanlagen (Photovoltaik) werde in diesem Jahr voraussichtlich im zweistelligen Prozentbereich wachsen und damit erneut die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung einlösen, so der Bundesverband in einer Pressemitteilung.
Für die ersten vier Monate dieses Jahres hat die Bundesnetzagentur bereits eine neu in Betrieb genommene Solarstromleistung in Höhe von über fünf Gigawatt registriert – das entspräche einem Zuwachs in Höhe von rund 35 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Meldezeitraum. Auch über das Jahr 2024 hinaus rechnet der Bundesverband Solarwirtschaft mit einer hohen Nachfrage. „Jedes zweite Unternehmen (56 Prozent) und über 60 Prozent der privaten Immobilieneigentümer:innen in Deutschland sind an einer Investition in eine Solarstromanlage interessiert.“
Ohne eine europäische Strategie bleibt die Produktion der dafür notwendigen Zellen und Module weiterhin im Ausland. Genauer, in China. Initiativen wie das Holosolis-Konsortium in Sarreguemines und ein neues Gesetz könnten dies ändern: Das EU-Parlament machte nun den Weg frei für eine stärkere Förderung von klimaneutralen Technologien. Die Abgeordneten stimmten für das „Netto-Null-Industrie-Gesetz“. Damit sollen etwa Genehmigungsverfahren vereinfacht werden, sodass mehr Investitionen in klimaschonende Technologien fließen können. Künftig soll die jährliche EU-Fertigungskapazität für CO2-freie Technologien mindestens 15 Prozent der weltweiten Nachfrage decken. Mit dem Gesetz soll die Produktion etwa von Solaranlagen oder Windrädern verstärkt nach Europa zurückgeholt werden. Denn ein ausgewachsener Handelskrieg um Solarmodule kommt für die EU derzeit nicht infrage.