China dominiert die weltweite Solarzellenproduktion. Europa will dies ändern und hofft auf Investitionen. Seine Gemeinde ist darauf vorbereitet, sagt Marc Zingraff, Bürgermeister von Saargemünd. Dort soll nun Europas größte Solarzellenfabrik entstehen.
Herr Zingraff, nach dem Aus einer geplanten Solarzellenfabrik von REC Solar kam nur wenige Monate später die Erfolgsmeldung von der Ansiedlung von Holosolis. Wie kam es zu dieser schnellen Entscheidung?
Dass wir hier in Hambach jetzt so schnell eine positive Investitionsentscheidung mit der Ansiedlung von Holosolis auf den Weg bringen konnten, hat verschiedene Gründe. Wir haben in den letzten 20 Jahren im Rahmen einer neuen Zukunftsstrategie den Standort optimal vorbereitet und weiterentwickelt und jede Menge dazugelernt. Das Gelände von ca. 55 Hektar inklusive einer möglichen Erweiterung ist komplett erschlossen mit Strom, Gas, Wasser, Abwasser und Glasfaser, logistisch sehr gut erreichbar und von den angrenzenden Kommunen samt Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert, die hinter diesem grünen Zukunftsprojekt stehen. Wir haben den Boden für das schlüsselfertige Gelände in den letzten Jahren bereitet; die Verträge zum Verkauf des Terrains sind unterzeichnet; der Bauantrag ist genehmigt und der Baubeginn ist bereits im kommenden Jahr geplant. Die ersten Solarzellen sollen im Laufe des Jahres 2026 produziert werden.
Glauben Sie, das Saarland blickt vielleicht ein wenig neidisch auf die Nachbarregion in Frankreich und Sarreguemines?
Zugegebenermaßen haben wir einige Jahre gebraucht, um das Gelände gegenüber dem ehemaligen Smartwerk, wo heute der Geländewagen Grenadier von INEOS gebaut wird, schlüsselfertig zu entwickeln. Begonnen hat es vor rund 20 Jahren mit der Idee, dort ein Gaskraftwerk zu bauen. Das hat damals allerdings zu massiven Protesten in der Bevölkerung und bei den Kommunen selbst geführt. Zu wenig zukunftsorientiert und nicht ökologisch, negative Auswirkungen auf die Gesundheit und eben kein schöner Anblick waren vielfach gehörte Argumente. Zwar scheiterte das Projekt, aber das Gelände wurde weiter vorbereitet. Dann kam das norwegische Solarzellen-Unternehmen REC Solar, mit dem wir viele Jahre in Vorbereitung einer Gigafabrik zusammengearbeitet haben. Der Verkauf des Unternehmens nach Indien und die daraus resultierende zögerliche Haltung für eine Solarzellenfabrik in Europa waren letztendlich ausschlaggebend für das Aus. Aber das Gelände war durch die vorangegangene Zusammenarbeit mit REC Solar und die benötigten Parameter für eine Solarzellenfabrik optimal vorbereitet. Dazu passt die von der französischen Regierung ausgegebene Strategie der Energie-Unabhängigkeit insbesondere gegenüber China, was letztendlich ja auch von der EU im Rahmen ihres Green Deals befürwortet wird. Bedingung für die finanzielle Unterstützung dieses Gigaprojekts seitens Paris ist die Nichtbeteiligung Chinas in jeglicher Form, auch nicht als Kapitalgeber.
Natürlich hat sich Holosolis wie im Ansiedlungsgeschäft üblich viele Standorte, unter anderem auch in Deutschland, angeschaut und von rund 45 möglichen Orten ist die definitive Entscheidung für Hambach gefallen. Das hat neben der schlüsselfertigen Entwicklung des Geländes auch mit der Grenznähe und der Lage der beiden größten Märkte in der EU zu tun.
Das Saarland kann ebenfalls profitieren, denn es sollen im Endausbau 1.900 Arbeitsplätze entstehen, Zulieferer werden von den zwei Jahre dauernden Arbeiten an der Baustelle Aufträge generieren, neue Firmen drum herum könnten sich entwickeln und irgendwo muss das Personal, das zu uns kommt, wohnen und leben. Die Vorteile überwiegen ganz klar und davon profitiert die gesamte Region, und zwar grenzüberschreitend.
Frankreich scheint die China-Strategie anders zu interpretieren als Deutschland. Die Chinesen beobachten das sicherlich, sie fluten den europäischen Markt mit ihren günstigen Solarzellen jetzt schon. Wie kann Holosolis wettbewerbsfähig produzieren?
Zunächst einmal ist die Ansiedlung kein Affront gegen China, aber wenn Europa es ernst meint mit der Unabhängigkeit, dem Green Deal und fairem Wettbewerb, dann sollten wir uns gegen unfaire Wettbewerbspraktiken Chinas auch schützen. Damit meine ich nicht die Einführung von knallharten Strafzöllen, wie es die Amerikaner fordern und auch machen, sondern wir sollten uns in Europa die Frage stellen, wie wir uns gegenüber Ländern positionieren, die unsere Märkte mit ihren staatlich subventionierten Produkten fluten und dabei demokratische Werte, soziale und umwelttechnische Standards offenbar missachten. Ein gewisser Schutz unserer Produktion in Europa in Form einer Abgabe ist wünschenswert und das wird von der französischen Regierung und vom Unternehmen Holosolis so gesehen. Ich bin davon überzeugt, dass nur ein ausgewogenes Gleichgewicht in der Weltwirtschaft zu mehr Fairness, Frieden und Wohlstand führt. Kein Land darf in jeglicher Hinsicht ein anderes dominieren.
Bei der China-Strategie stoßen deutsche und französische Interessen konträr aufeinander. Wie nähern sich die beiden großen Partner trotzdem an?
Das ist Sache der großen Politik, aber ich kann die deutsche Wirtschaft und Politik auch verstehen. Im Vergleich zu Deutschland steht es um die französischen Wirtschaftsbeziehungen zu China nicht zum Besten. Aber es muss doch in Europa auch etwas passieren, wenn die Abhängigkeit von Asien, allen voran China, verringert werden soll. Der anfängliche Mangel an Schutzmasken in der Corona-Zeit, die Abhängigkeit vom russischen Gas vor dem Ukrainekrieg, Medikamentenmangel, E-Autos, die Photovoltaik … all das sind doch Beispiele dafür, wie es um die europäische Abhängigkeit in der Wirtschaft bestellt ist.
In Hambach sollen pro Jahr rund zehn Millionen Solarpanels mit einer Leistung von fünf Gigawatt produziert werden. Wir brauchen mindestens 30 Gigafactories dieser Größenordnung, um den wachsenden Bedarf an Solarzellen in Europa zu decken. Das wird sicherlich rund 20 Jahre dauern. Außerdem müssen wir verstärkt in die Forschung investieren. Zurzeit bauen die Chinesen bei der Photovoltaik Komponenten, die wir in Europa nicht produzieren. Das muss sich ändern und wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, schließlich war Europa, insbesondere Deutschland, mal führend bei der Produktion von Solarzellen. Holosolis will Innovationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Solarzellen voranbringen, sowohl bei der Leistungsfähigkeit als auch beim Recycling. Das eröffnet neue Chancen für junge qualifizierte Menschen.
Woher sollen denn die vielen Fachkräfte kommen?
Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem in fast allen Branchen. Zudem gibt es viele weitere Fragen und Diskussionsbedarf bei so einem Gigaprojekt, zum Beispiel die Frage des Wohnraums oder der Freizeitmöglichkeiten. Dafür sind bereits Arbeitsausschüsse mit jeweils 40 Personen eingerichtet worden, die regelmäßig beim Präfekten in Metz tagen und sich mit diesen Fragestellungen beschäftigen. Es sollte uns gelingen, auch junge Menschen in der Region zu halten, ihnen Perspektiven aufzuzeigen, dass es sich lohnt, in der zukunftsorientierten Solarbranche zu arbeiten. Das muss grenzüberschreitend passieren.
Bisher ist es so, dass ein Drittel der Arbeitnehmerschaft aus Sarreguemines selbst kommt, rund ein Drittel aus dem Stadtverband von Sarreguemines und ein Drittel aus dem Bitscher Land, aus der Gegend um Forbach und ein wenig auch aus dem Saarland. Das könnte sich künftig ändern. Wir sind beispielsweise mit Unternehmen aus der Großregion im Gespräch, die künftig Arbeitsplätze abbauen.
Holosolis ist ein Konsortium aus mehreren europäischen Unternehmen mit Sitz in Grenoble und einem niederländischen Geschäftsführer. Was passiert, wenn die Chinesen sich durch die Hintertür doch beteiligen wollen, spätestens aber wenn china- und russlandfreundliche Rechtsextreme in Frankreich oder Deutschland mehr politisches Gewicht bekommen?
Grundsätzlich kann man das nie ausschließen und niemand kann in dieser schnelllebigen Welt in die Zukunft schauen. Wir alle sind gefordert, das zu verhindern. Holosolis wurde von einem europäischen Konsortium erstklassiger globaler Partner gegründet, die sich für die Energiewende, Reindustrialisierung und Innovation in Europa einsetzen. Ich denke, das ist ein starkes Bekenntnis für den Standort Europa und ein Signal in die Zukunft.