Macarons sind die bekannteste Erfindung der Pariser Pâtissiers. Man bekommt sie bei bekannten Marken und in versteckten Adressen – und lernt bei einem Workshop, die feine Delikatesse selbst zu backen.
Fein gemahlene Mandeln, Eischnee, Zucker: Gerade mal drei Zutaten braucht man, um Macarons zu backen. „Klingt einfach? Es ist überhaupt nicht einfach“, grinst Naïma Oufer. Die sympathische Französin ist ausgebildete Konditorin, steht aber heute für ein paar Stunden mit einer Gruppe Amateure in der Backstube. Bei einem Kurs der Kochschule „La Cuisine Paris“ zeigt sie interessierten Touristen, wie das legendäre Baisergebäck entsteht. Da ist von Anfang bis Ende Präzision gefragt. Nur wer sich penibel ans Rezept hält, hat Erfolg.
Los geht’s! Erst Zucker und Wasser auf 118 Grad aufheizen, dann bei 114 Grad das Eiweiß schlagen; schließlich alles vermischen, bis die Masse auf 50 Grad abgekühlt ist. Kurze Verschnaufpause. Denn das war nur der Anfang: Nach den Macarons-Schalen, die mit einer Tülle auf ein Blech gespritzt werden und dann in den Ofen wandern, geht es an die Herstellung der verschiedenen Füllungen. Café Crème, Caramel, Schokolade und Zitrone: Wir mixen vier Sorten. Das klappt, weil Naïma charmant unsere Fehler ausbügelt. Doch die größte Herausforderung ist nicht die Herstellung selbst, sondern das Warten im Anschluss daran. Mindestens 24 Stunden, besser noch länger, müssen die Macarons im Kühlschrank ruhen. Erst dann hat die Füllung die harten Schalen so weit durchdrungen, dass die Macarons außen knusprig sind und innen weich. Bon appétit!
Mindestens einen Tag stehenlassen
In Paris sind die Küchen der Welt zu Hause, und natürlich gibt es hier auch das Beste aus ganz Frankreich. Doch keine Spezialität steht so für die Stadt wie die Macarons. Der Legende nach soll sie Caterina de’ Medici im 16. Jahrhundert aus Italien an den französischen Hof gebracht haben – der Name geht wohl auf das venezianische Wort „macarone“ zurück, was fein gemahlen bedeutet und sich auf die verwendeten Mandeln bezieht. Mit den inzwischen von den Pâtissiers angebotenen Kreationen hat die Urversion aber nicht viel gemeinsam: Es war wohl nur ein zwar schmackhafter, dann aber recht schlichter Amaretti-Keks.
Als flacher Doppeldecker mit cremiger Füllung ist der Macaron eine Kreation des 20. Jahrhunderts. Konditor Pierre Desfontaines gilt als Erfinder, ein Cousin der Zuckerbäckerfamilie Ladurée aus der Rue Royale. In deren Teesalon begann der Siegeszug der süßen Verführung. Obwohl die Macarons nicht mehr hier gebacken werden (Ladurée hat als Teil eines Lebensmittelimperiums 125 Läden in aller Welt), bleibt das kunstvoll mit Malereien dekorierte Stammhaus in der Rue Royale eine Pilgerstätte für Macaron-Liebhaber. Wie in der Haute Couture gibt es saisonale Kreationen im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Noch mehr Abwechslung bietet Pierre Hermé, der einst bei Ladurée gearbeitet hat und nun selbst für Furore sorgt. Legendär ist sein „Ispahan“-Macaron mit Rosenduft, Litschi und Himbeere, neu der „Jardin de Cassandre“ mit Johannisbeeren und Rhabarber.
Wem das zu viel Chichi ist, macht einen Abstecher ins Marais. In jenem Pariser Viertel, in dem es neben historischen Handwerkerhäusern auch noch prächtige Stadtpaläste gibt, liegt in der Rue Rambuteau die Pâtisserie Pain de Sucre von Nathalie Robert und Didier Mathray. Das Duo, lange in Drei-Sterne-Restaurants zu Hause, wird regelmäßig in die Top Ten der Pariser Macaron-Produzenten gewählt. Ihre Kollektion ist überschaubar, doch verwendet werden nur die besten Zutaten wie Haselnüsse aus dem Piemont oder Vanille aus Madagaskar.
Die Macarons der Pâtisserie Pain de Sucre glänzen nicht, sondern haben eine rauere Oberfläche – was daran liegt, dass die Konditoren ein Viertel weniger Zucker verwenden als viele andere Hersteller. Dafür ist der Geschmack umso intensiver: Die Pistazien-Macarons erinnern an bestes italienisches Gelato, diejenigen mit Karamell und gesalzener Butter transportieren einen an die Atlantikküste. Auch für die Macarons mit Schokolade und frischer Minze und die sommerlichen Macarons mit Holunderaroma gilt: Erst nach drei bis vier Tagen Ruhezeit geht die Ware in den Verkauf. Hand aufs Herz: Das Warten lohnt sich!
Weil es Macarons aber längst nicht mehr nur bei handwerklich arbeitenden Pâtissiers zu kaufen gibt, sondern auch in den Filialen der Bäckereiketten Eric Kayser und Paul, locken die süßen Taler heute fast überall. Selbst Fastfood-Imbisse haben Macarons im Sortiment, die Zahl der Pariser Verkaufsstellen liegt bei weit über 1.500. Es gibt Winzlings-Macarons und Riesen mit den Dimensionen einer Untertasse, doch Standard sind Macarons in mittlerer Größe. Die Preise reichen von einem bis vier Euro pro Stück – je mehr man kauft, desto günstiger. Billig ist es aber nie: Wer Qualität will, muss im Schnitt mit 2,50 Euro rechnen. Von in Auslagen vertrocknender Ware oder von allzu bunt-glänzenden Macarons, wie sie die Touristenfallen am Montmartre anbieten, lässt man aber besser die Finger. Letztere sind oft pappsüß und vollgepumpt mit Aromen. Vorfreude schlägt dann in Ernüchterung um: Ein lavendelblau schimmernder Macaron schmeckt, als beiße man in ein Stück künstlich parfümierter Seife.
Und wo gibt es die besten? Diese Frage kann nicht einmal jene Frau beantworten, die sich in Sachen Macarons so gut auskennt wie niemand sonst. Jill Colonna hat das Buch „Teatime in Paris“ mit Rezepten für typische Backwaren veröffentlicht, ist aber vor allem mit ihrem Werk „Mad about Macarons“ bekannt geworden. Der Titel ist doppeldeutig und spiegelt den Humor der gebürtigen Schottin, die seit Jahrzehnten in Paris lebt. „Ich bin nicht nur verrückt nach Macarons“, meint sie. „Es hat mich auch verrückt gemacht, wie teuer sie sind!“ Als ihr das Hobby, alle paar Tage bei den verschiedenen Pâtissiers Macarons zu kosten, irgendwann zu kostspielig wurde, brachte sie sich deren Herstellung kurzerhand selbst bei.
Trotzdem nascht sie noch immer gerne bei den Profis. Von Jean-Paul Hévin mag sie Macarons mit allerlei Grand-Cru-Schokoladen, von Pascal Caffet Macarons mit Mango und Passionsfrucht oder mit Tonkabohnen. In der La Grande Épicerie hat sie ein Faible für Macarons mit Apfelkuchenaroma oder mit Limette und Ingwer, bei Sadaharu Aoki bestellt sie welche mit exotischem Geschmack: Zur Auswahl stehen, je nach Saison, mal Houjicha (gerösteter grüner Tee) oder Umeboshi (Salzpflaume), mal Wasabi (Wassermeerrettich) oder Yuzu (eine Zitruspflanze). Wobei sie nach derlei Experimenten auch gerne die Klassiker genießt, wenn sie nicht überzuckert sind und hochwertige Zutaten verwendet werden: „Ich muss unbedingt die neue Kollektion der Pâtisserie Pain de Sucre kosten!“
Und dann gibt es noch jene Kreationen, deren Geschmäcker derart abgedreht sind, dass man sie nirgendwo kaufen kann. Aber natürlich selbst backen, wenn man den Instruktionen der Expertin folgt. „Mad Macs“: So nennt Jill Colonna Macarons, die sie unbedarften Gästen gerne zum Aperitif serviert. Beim Kosten bleibt denen dann erst einmal die Spucke weg: Die Macarons sind scharf statt süß. Jene mit Gartenkräutern zählen noch zu den harmlosen. Jill Colonna hat auch Rezepte für Bloody-Mary-Macarons und für welche mit Tikka Masala entwickelt, und als Extrem auch welche mit grünem Thaicurry. Die Wächter der französischen Tradition zeigten sich bei so etwas zunächst empört. Doch wer über seinen Schatten springt, stellt fest: Einmal probiert, für immer verführt.