Unbedarft und unverhofft turnten sich zwei saarländische Toptalente in den Kreis der möglichen Olympia-Kandidaten für die Spiele 2024. Ob die Kumpels ihre Paris-Ticket noch buchen können?
Vor etwa einem Jahr mischten Daniel Mousichidis und Maxim Kovalenko die deutsche Turnwelt kräftig auf. Die Toptalente von Kunstturn-Bundesligist TG Saar sorgten bei ihrer ersten Teilnahme an einer Deutschen Gerätturn-Meisterschaft der Männer für einige Überraschungen. Mousichidis holte an Boden und Pauschenpferd jeweils Gold, Kovalenko Silber beim Sprung. Die beiden damals 18-Jährigen machten schlagartig auf sich aufmerksam und avancierten über Nacht zu möglichen Kandidaten für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Anfang Juni fanden die diesjährigen Deutschen Gerätturn-Meisterschaften im Rahmen der Großveranstaltung „Die Finals 2024“ in Frankfurt statt. Sie waren gleichzeitig der erste von zwei Qualifikationswettkämpfen für die Spiele in Paris. Der zweite findet am 22. Juni in Rüsselsheim statt.
Lernen fürs Abitur belastet Vorbereitung
„Ich bin mit meinem Wettkampf allgemein sehr zufrieden. Für die Art und Weise der Vorbereitung, die ja etwas holprig verlaufen war“, resümierte Daniel Mousichidis nach den „Finals“. Vor allem mit dem Mehrkampf, bei dem er mit insgesamt 78,431 Punkten auf Platz zehn landete, ist er „voll und ganz zufrieden. Ich habe ziemlich gut abgeliefert und konnte mich zeigen. Ich hatte zwar ein paar kleine, aber keine größeren Fehler drin“, sagt er und schiebt nach: „Das war aber aufgrund der nicht optimalen Situation in der Vorbereitung auch ein Stück weit abzusehen und nicht so schlimm.“
Mit der „Situation“ meint Mousichidis die Tatsache, dass beide Kumpels sich zeitgleich auf wichtige Wettkämpfe und auch auf ihre Abiturprüfungen vorbereiten mussten. Bei Daniel Mousichidis, der als Musterschüler gilt, lief das Abi zwar „gut, ich bin ganz zufrieden. Auch die Nachtermine haben gut geklappt“, sagt er. Allerdings wurde sein Antrag, nicht an den regulär angesetzten Abi-Prüfungsterminen teilnehmen zu müssen, sondern die Nachtermine wahrnehmen zu dürfen, erst spät bewilligt. „Ehrlich gesagt habe ich das parallele Vorbereiten auf das Abitur und die Wettkämpfe etwas unterschätzt. Es war etwas schwerer als gedacht“, gibt der Turner des TV Schwalbach zu und verrät: „Das habe ich vor allem im Training zu spüren bekommen.“
Trotzdem konnte der junge Mann seinen Deutschen Meistertitel am Pauschenpferd mit einer hervorragenden Leistung und 14,225 Punkten verteidigen. „Die Übung ist gut gelaufen, ich habe meine Leistung abgeliefert und es ist schön, dass es für Gold gereicht hat. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen“, bringt es Mousichidis auf den Punkt. Fast wäre ihm das auch am Boden gelungen – hier erkämpfte er sich mit 13,975 Punkten die Silbermedaille. „Am Boden lief es wirklich super. Allein, was die Sprünge angeht, habe ich noch nie eine so gute Übung gesprungen. Aber dann habe ich bei den Thomas-Flanken leider einen Fehler gemacht“, blickt Mousichidis zurück und gibt zu: „Es ist schwer zu sagen, ob es ohne den Fehler für die Goldmedaille gereicht hätte. Vielleicht ja, vielleicht nein. Aber es macht den Fehler für mich persönlich umso schlimmer.“ Trotzdem kann er sich mit der Rolle als Vizemeister abfinden: „Der zweite Platz ist ein guter Platz, mit dem ich mich zufriedenstellen kann.“
Olympia-Chancen sind eher gering
Bei seinem Freund Maxim Kovalenko vom TV Bous lief es ähnlich bitter – sogar noch etwas bitterer: „Jedenfalls nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Das fing schon beim ersten Gerät an, von dem ich absteigen musste“, verrät er: „So in einen Wettkampf zu starten, ist echt blöd. Aber ich habe mich nicht selbst runtergemacht, sondern mich weiter konzentriert.“ Tapfer gab Kovalenko weiter alles, doch es sollte nicht sein. Nur an den Ringen und beim Sprung, wo er sich die Bronzemedaille sicherte, lief es ganz gut. „Den Rest habe ich verturnt“, stellt der Mehrkampf-19. (72,632 Punkte) nüchtern fest. Dabei habe er sich eigentlich „gut eingestellt“ gefühlt. „Durch die Abi-Vorbereitung habe ich im März und im April weniger trainiert als sonst“, erklärt Kovalenko, der in dieser Zeit „nur“ einmal pro Tag trainieren konnte: „Davor und danach habe ich gelernt“, sagt der junge Turner. Weil er gleichzeitig Verletzungen an der Schulter (Bizepssehne entzündet) und am Fuß kurieren musste, konzentrierte er sich aber ohnehin auf Kraft und Ausdauer statt Gerätetraining. „Ich war bereit, aber es hat nicht geklappt. Ich kann es nicht erklären“, sagt Kovalenko und ergänzt: „Ich habe einfach keinen guten Tag erwischt. Manchmal passiert es halt einfach so im Sport. Pech gehabt, aber das Leben geht weiter.“ Anerkennend schiebt er nach: „Die anderen Jungs waren echt stark. Die ersten Zehn haben im Mehrkampf mindestens 78 Punkte geholt und das haben die richtig gut gemacht.“
Bleibt die Frage, wie gut es die anderen, aber vor allem die saarländischen Toptalente selbst beim letzten und entscheidenden Qualifikationswettkampf für die Spiele in Paris machen werden. Der findet am 22. Juni in Rüsselsheim statt und danach werden die fünf Paris-Plätze plus Ersatzmann vergeben. „Da werde ich mit der gleichen Einstellung rangehen wie bei den Deutschen Meisterschaften: Ich werde versuchen, mein Bestes zu zeigen und einen soliden Mehrkampf zu turnen, ohne mit zu hohen Erwartungen an mich selbst reinzugehen oder mir konkrete Platzierungen vorzunehmen“, stellt Daniel Mousichidis klar. Realistisch betrachtet sei es dadurch, dass er im Mehrkampf nach dem ersten Qualiwettkampf auf Platz zehn steht, „sehr schwer unter die Top-Platzierungen zu kommen, wenn beide Wettkämpfe zusammengerechnet werden. Deshalb probiere ich einfach, eine stabile, saubere Leistung zu bringen, einen guten Wettkampf zu zeigen und das Beste zu hoffen.“
So geht es auch Maxim Kovalenko an. Trotz der eher ernüchternden Ergebnisse in Frankfurt darf er als Reservist mit nach Rüsselsheim fahren. Sofern der verletzte Nick Klessing nicht rechtzeitig fit wird. „Falls ich doch das Glück habe, noch mitfahren zu dürfen, werde ich natürlich mein Bestes geben. Ich habe noch nicht aufgegeben und bereite mich weiter so vor, wie es geplant war und ziehe mein Programm durch“, sagt Kovalenko und betont: „Ich lasse mich jedenfalls nicht unterkriegen.“ Seinem Freund Daniel Mousichidis attestiert er einen guten ersten Quali-Wettkampf und weiß: „Dadurch hat er seine Chance gewahrt. Es wird zwar schwer für ihn, die Olympia-Quali noch zu schaffen, aber alles ist möglich. Er muss sein Ding durchziehen und dann abwarten, was die anderen so draufhaben.“