Strafzölle für in China gebaute Elektroautos, die auf dem europäischen Markt landen sollen, würden auch den deutschen Automarkt unter Druck setzen. Peking ist derzeit dazu gezwungen, so viel zu exportieren wie möglich – weil es seine Politik nicht ändert.
Die Probleme der chinesischen Wirtschaft sind in den vergangenen Jahren gewachsen: China hat im Inland mit einer zu geringen Nachfrage zu kämpfen, während eine Immobilienkrise, hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten, mangelndes Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der autoritären Regierung und Schulden der Lokalregierungen auf die Wirtschaftsleistung drücken. Im Ausland knirscht es im Handel mit den wichtigen Partnern USA und EU. Mittlerweile beläuft sich das Wachstum nur noch auf fünf Prozent, Prognosen sprechen von sinkender Tendenz in den kommenden Jahren. Der Binnenkonsum lahmt. Mit dieser Situation muss ein Rentensystem mithalten, das durch die chinesische Ein-Kind-Politik unter Druck geraten ist: Die Überalterung der Gesellschaft führt auch dort dazu, dass weniger jüngere Chinesen für immer mehr Rentner länger arbeiten müssen. Das sieht zumindest der aktuelle Fünfjahresplan der Kommunistischen Partei bis 2025 vor.
Wirtschaftliche Probleme
Weil die Binnennachfrage derzeit eher schwach ausfällt und um das Wachstum hochzuhalten, müssen chinesische Unternehmen jedoch ihre Waren vermehrt exportieren – teils zu Dumpingpreisen, wie das Beispiel Solarmodule zeigt, staatlich subventioniert im Falle der Automobilindustrie. Gleichzeitig verstärkt Peking, wie auch die EU, die eigene strategische Unabhängigkeit von ausländischen Produkten, was die deutsche Exportleistung in das Land wiederum schmälert. Solange die KP-Führung also nicht umsteuert und tiefgreifende Reformen durchführt, um die Binnennachfrage wieder anzukurbeln und die Immobilienkrise in den Griff zu bekommen, muss der Export aus Sicht der KP hoch bleiben.
Diese Gemengelage bedeutet für deutsche Firmen derzeit nichts Gutes, wie sich auch aus Umfragen ergibt. Nach einer Studie der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) bewerteten 61 Prozent von mehr als 180 Mitgliedsunternehmen Preisdruck aktuell als die größte Herausforderung. Grund sei der intensive Wettbewerb, der durch die schwache Nachfrage in China und global verstärkt werde. 75 Prozent der Firmen gaben in der Umfrage außerdem an, Überkapazitäten in ihrer Branche zu beobachten. Bei fast allen wirkten sich diese auf das Geschäft aus. China wird schon länger vorgeworfen, staatlich gestützt Überkapazitäten etwa in der Batterieherstellung und Solarindustrie zu produzieren, das heißt mehr herzustellen, als die Nachfrage hergibt. Peking streitet die Vorwürfe ab. Jene Industriebereiche würden von Innovation angetrieben, heißt es immer wieder.
Der drohende Handelskrieg mit China verstärkt die Unsicherheiten. Mit den geplanten Zöllen auf batteriebetriebene Fahrzeuge will die EU den eigenen Markt schützen. Dabei geht sie jedoch deutlich vorsichtiger vor als die USA, die gleich pauschal 100 Prozent auf die Einfuhr von Elektroautos aus China aufschlagen. Stattdessen soll es laut EU-Plan diejenigen Unternehmen treffen, die besonders stark von staatlichen Subventionen profitieren – zum Beispiel den Staatskonzern SAIC. Die Zölle könnten jedoch auch Marken deutscher Hersteller treffen, die in China produzieren und von dort in die EU exportieren.
Mit dem Arbeitsbesuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) scheint nun Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen rund um die Zölle zwischen China und der EU zu kommen. Habeck, der die Probleme klar benannte, kann jedoch das grundlegende Problem nicht lösen: Chinas Wachstum kann nur noch mit massiven staatlichen Subventionen und riesigem Exportüberschuss aufrechterhalten werden. Dass sich die Wirtschaftspolitik ändert, ist nicht in Sicht. Noch hofft die EU, die Streitigkeiten mit China beizulegen. Denn die Wirkung von Strafzöllen, die Habeck Ausgleichszölle nennen möchte, ist nicht unumstritten.
Laut einer aktuellen Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft leiten höhere Zölle in der EU die in China gebauten E-Autos auf andere Märkte um. Die Wissenschaftler nahmen einen Zoll von 20 Prozent an. Die Menge importierter E-Autos aus China würde um 25 Prozent zurückgehen. „Umgerechnet auf die fast 500.000 Fahrzeuge, die 2023 importiert wurden, entspricht dies schätzungsweise 125.000 Stück im Wert von fast vier Milliarden US-Dollar“, heißt es. Der erwartete Rückgang würde in großen Teilen durch eine steigende Produktion innerhalb der EU sowie eine geringere Menge an E-Auto-Exporten aufgefangen. Dies hätte dann jedoch spürbar höhere Preise für Endverbraucher zur Folge, dies würden Simulationsrechnungen des IfW Kiel zeigen: Die Energiekosten in Europa seien höher, ebenso die Material- und Personalkosten.
Höhere E-Auto-Preise wären erwartbar
Derzeit verlagert sich die Entwicklung von Elektroautos bei vielen Herstellern in Richtung kleinerer, erschwinglicher Modelle. Der Grund: die EU-Vorgaben zur Reduktion von CO2-Emissionen, die auf die gesamte Flotte eines Herstellers abzielen. Das E-Auto-Volumen und die Nachfrage dürften nach der aktuellen Delle also wachsen, die Preise jedoch auch. China mit günstigeren E-Auto-Modellen könnte einen wachsenden europäischen Massenmarkt bedienen, der jedoch durch die Zölle künstlich verteuert wird. Teurere E-Autos wiederum drücken auf die Akzeptanz dieser Technologie innerhalb Europas und Deutschlands.
Nun reagiert China auf die Zölle, jedoch nicht im Sinne der EU: Peking hat eine Anti-Dumping-Untersuchung gegen importierte Produkte aus der Europäischen Union angekündigt. Die Ermittlung richte sich gegen eingeführtes Schweinefleisch und Nebenprodukte, teilte das Handelsministerium mit. Laut Daten aus Brüssel exportierte die EU 2023 Schweinefleisch-Erzeugnisse im Wert von rund 2,5 Milliarden Euro nach China. Experten hatten nach der Strafzoll-Androhung der EU Gegenreaktionen Chinas erwartet. Peking werde aber keine EU-Produkte mit Zöllen belegen, die es noch brauche, so das Berliner Mercator Institut für Chinastudien – also Autos, Maschinen oder Medizingüter. Ins Visier geraten dürften laut Gunter dagegen Agrar-, Lebensmittel- und Getränkeprodukte, auf die Chinas Verbraucher verzichten können oder die Chinas Produzenten selbst in ausreichender Menge herstellen, wie zum Beispiel Schweinefleisch.
Außerdem deuten die Beschlüsse des vergangenen Nationalen Volkskongresses, des chinesischen Scheinparlamentes, aus dem Jahr 2023 darauf hin, dass sich die Politik vor allem mit internen Problemen beschäftigen will. Ein ausgewachsener Handelskrieg mit den USA oder der Europäischen Union käme angesichts der wirtschaftlichen Lage dem Land reichlich ungelegen. Daher belässt es Peking bislang bei eher symbolischen Gesten. Grundsätzlich setzt die Führung von Präsident Xi Jinping nach Meinung zahlreicher Experten jedoch verstärkt auf Zentralisierung und politische Kontrolle in ihrem Versuch, China mehr und mehr von westlicher Abhängigkeit zu entkoppeln. Dies könnte das dringend benötigte Vertrauen der Wirtschaft für weitere Investitionen in Mitleidenschaft ziehen. Die Probleme bleiben also erst einmal bestehen.