Wasserstoff von einer Zukunftsvision in eine konkrete technologische Lösung zu überführen, ist machbar, aber teuer. Wie es gelingen kann, darüber diskutierten Experten in Saarbrücken.
Politik und Wirtschaft sehen im grünen Wasserstoff einen wichtigen Baustein für die Energiewende. Doch die technologische Machbarkeit stößt an ihre wirtschaftlichen Grenzen: Grüner Wasserstoff, mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, ist in Deutschland derzeit schlichtweg zu teuer und damit nicht wettbewerbsfähig. Es gibt keinen Markt, es herrschen viele Unsicherheiten, es fehlt an Pragmatismus und ohne öffentliche Förderung läuft nichts. Hinzu kommt das „deutsche Schneckentempo“ bei der Umsetzung mit unzähligen Genehmigungs- und Zertifizierungsverfahren. Und trotzdem gibt es eine Reihe von Initiativen, vielversprechenden Unternehmen und Optimismus, bis 2030 den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft hinzubekommen.
Stahlindustrie als erster Großabnehmer
Über das Wie diskutierten Fachleute aus Deutschland und der Großregion auf dem ersten saarländischen Wasserstoffkongress Ende Mai im Schloss Saarbrücken. Veranstalter waren das Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme IZES und die saarländische Wasserstoffagentur H2saar.
Die Weichen für eine nachhaltige Zukunft mit Wasserstoff im Saarland seien gestellt, obwohl die verbindlichen politischen Rahmenbedingungen noch fehlen, betonte Wirtschaftsminister Jürgen Barke zu Beginn des Kongresses. Ob nun Herstellung, Transport, Anwendung oder Ausbildung, die unterschiedlichen Akteure entlang der Wertschöpfungskette arbeiten mit Hochdruck daran, dass Wasserstoff im größeren Stil ab 2027/28 für die saarländische Stahlindustrie als vorrangigen und ersten Abnehmer zur Verfügung steht, und zwar pipelinegebunden über das rund 100 Kilometer lange grenzüberschreitende Infrastrukturprojekt „mosaHYc“ (Moselle Sarre Hydrogen Conversion). Sowohl der französische Gasnetzbetreiber GRTgaz als auch der deutsche Netzbetreiber Creos Deutschland zeigen sich optimistisch, den vorgegebenen Zeitplan einzuhalten. „Wir sind bei der Planung weit fortgeschritten“, so Norman Blaß von Creos.
Bei der Erzeugung mittels Elektrolyse stehen mit GazelEnergie im französischen St. Avold sowie mit Iqony am Standort Völklingen-Fenne und mit RWE in Dillingen potenzielle Hersteller von Wasserstoff in den Startlöchern. Geplante 400 bis 500 Megawatt Leistung reichen allerdings bei Weitem nicht aus, um den künftigen Bedarf der Saar-Hütten von 350.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr zu decken. Drei Gigawatt Leistung wären dafür vonnöten. Eine Produktion vor Ort durch lokale erneuerbare Energien ist im Saarland daher nicht darstellbar. Umso wichtiger erscheint es, dass das regionale Netz „mosaHYc“ in das europäische Wasserstoffnetz in Richtung Frankreich und Spanien sowie Benelux und Deutschland eingebunden werden soll. Im südspanischen Andalusien kann grüner Wasserstoff mittels Wind- und Sonnenenergie deutlich kostengünstiger hergestellt werden. Gleiches gilt für Wasserstoff aus skandinavischen Ländern mittels Wasserkraft. „Grüner Wasserstoff ist wichtig für die Transformation, vielseitig einsetzbar, aber zu teuer“, erklärt Alexander Scholz vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Er gehe aber mittel- bis langfristig von Kostensenkungen aus.
Am Preis scheiden sich die Geister. Das hat auch die Potenzialanalyse der saarländischen Wasserstoffagentur in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft gezeigt. Zwar sei das Interesse an Wasserstoff bei den 33 befragten Unternehmen mit insgesamt 53 Standorten im Saarland riesig, aber nur wenn der Preis für ein Kilogramm Wasserstoff unter fünf Euro liege, so Dr. Bettina Hübschen, Geschäftsführerin von H2saar. Derzeit liegen die Produktionskosten in Deutschland über zehn Euro. Ohne finanzielle Förderung läuft also nichts, zumal auch noch verbindliche politische Rahmenbedingungen fehlen und der Bund derzeit keine weiteren Haushaltsmittel für die Wasserstoffwirtschaft zur Verfügung gestellt hat.
Planungssicherheit für Investitionen sieht anders aus, zumal die deutschen Wirtschaftsbosse immer zuerst wissen wollen, wann sich ein Projekt rechnet. Kommt hinzu, dass es derzeit keinen Markt und keinen Handel für grünen Wasserstoff gibt, lediglich hypothetische Annahmen, eine erste Auktion und viel zu wenig Risikokapital in Deutschland. Abnahmeverträge mit einem festgelegten Preis für mindestens zehn Jahre, ein besserer Schutz in der EU vor Produkten, die nicht nachhaltig erzeugt wurden, oder eine „schmerzhafte“ CO2-Besteuerung sowie Anreize für Investitionen könnten für Abhilfe sorgen, so das Fazit von Vertretern aus Unternehmen zur Herstellung von Wasserstoff.
Viele Regelungen wie das Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz seien schon auf dem Weg, betont Oliver Antoni von der Stiftung Umweltenergierecht. Dass Wasserstoff zum Beispiel in den Kommunen nur eine untergeordnete Rolle spiele, liege vor allem daran, dass die allermeisten Städte und Gemeinden noch über keine belastbare Wärmeplanung verfügen. „Das Thema Wasserstoff ist mit einer hohen Unsicherheit belastet.“ Wasserstoff werde allerdings auf absehbare Zeit für den Wärmemarkt und für den Individualverkehr mit Pkw keine nennenswerte Rolle spielen, betonte Prof. Dr. Frithjof Staiß vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung aus Baden-Württemberg. „Wasserstoff ist für Großabnehmer wie die Stahl-, Chemie-, Düngemittelindustrie- oder Energiewirtschaft mit Heizkraftwerken eine Alternative. Für Haushalte stehen genügend günstigere Alternativen bei der Wärmeversorgung zur Verfügung.“
Geht es nach den Vorstellungen der saarländischen Landesregierung, soll das Saarland Wasserstoff-Modellregion werden. Trotz hoher Vorleistungen des Landes und der verbindlichen Zusage von 2,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln für die saarländische Stahlindustrie bleibt der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft bis 2030 eine enorme Herausforderung, selbst wenn Jürgen Barke in der Förderung ein Sonderkonjunkturprogramm für das Saarland sieht. „Es gibt viele innovative Projekte, die aber noch nicht finalisiert sind“, sagt Dr. Bettina Hübschen. „Wir müssen schneller in die Umsetzung kommen.“ Vielversprechend stehen dafür auf der Anwenderseite beispielsweise die Kooperation zwischen dem Kugelhahnspezialisten MHA Zentgraf aus Merzig und dem Prüflabor Mecadi aus Bexbach oder die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren in Saarbrücken.
Wasserstoff im europäischen Maßstab denken
Pragmatische Lösungen wie die Beimischung von Wasserstoff ins Gasnetz oder der Transport per Schiff und Bahn von Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak oder Methanol, der beschleunigte Ausbau der Stromnetze für den Transport von grünem Strom oder die verbesserte Nutzung von Speichermöglichkeiten für Wasserstoff könnten der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland Beine machen. Zwar gibt es im Saarland aufgrund der bergbaulichen Gegebenheiten keine Speichermöglichkeiten für Wasserstoff, aber Norddeutschland und die Niederlande verfügen über geeignete Lagerstätten wie etwa Salzstöcke. „Wasserstoff muss eh im europäischen Rahmen gedacht werden“, so Werner Diwald, Vorsitzender des Deutschen Wasserstoffverbands. „Europa kann viel! Es hat Speichermöglichkeiten mit erprobter Technik, reichlich Sonne und Wind im Süden und Wasser im Norden, innovative und erfahrene Unternehmen sowie eine vorhandene Netzinfrastruktur.“
Es wird einen Innovationswettlauf mit China und den USA geben und Europa, insbesondere Deutschland, sollte nicht den Fehler der Solarenergie wiederholen. Heutzutage stammen fast alle in Deutschland verbauten Solarzellen aus China. Die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, sie über Risiken der Technik aufklären, Netzwerke gründen und Wasserstoff als Chance begreifen. Auch das gehöre mit zu den Aufgaben der Wasserstoffagentur, erklärte Wirtschaftsminister Jürgen Barke.