Insekten fühlen sich vor allem in naturnah angelegten Gärten und Balkonen wohl. Im Interview spricht Silvia Teich vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) unter anderem über Samenmischungen und worauf man bei Insektenhotels achten sollte.
Frau Teich, für das ökologische Gleichgewicht sind Insekten unersetzlich. Allein hierzulande sollen mehr als 33.000 Arten vorkommen, doch laut Roter Liste sind über ein Viertel der Arten in ihrem Bestand gefährdet oder bereits ausgestorben. Wie also mache ich meinen Garten oder Balkon insektenfreundlich?
Da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass man den Garten oder Balkon möglichst vielfältig gestaltet. Denn die verschiedenen Insektenarten haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Jede Art ist an spezielle Blüten und an Lebensräume angepasst. Am besten sollten es heimische Arten und Kräuter sein. Nun sind ja nicht alle Kräuter heimisch, zum Beispiel stammt Rosmarin nicht aus dem mitteleuropäischen Raum. Aber Insekten nehmen diese mediterranen Kräuter sehr gern an. Vor allem, wenn man diese blühen lässt, gehen sie an die Blüten. Noch wichtiger sind Wildstauden, die gemeinhin als Unkraut gelten. Im Garten sollte man immer eine wilde Ecke zulassen, wo etwa Brennnesseln oder der Natternkopf wachsen können. Ich finde, das sind ganz tolle Insektenpflanzen, die unheimlich wichtig für viele Insektenarten sind.
Und wie kann man den Balkon in der Stadtwohnung gestalten?
Man kann beispielsweise einen Balkonkasten mit einer Wildblumenmischung bestücken. Wildblumen sind wirklich schön anzusehen. Es gibt auch sehr schöne Kräuter. Dafür kann man sich eine spezielle Samenmischung besorgen. Viele der typischen Balkonpflanzen wie etwa Geranien sind nicht für Insekten geeignet, weil sie nicht über Nektar verfügen oder gefüllte Blüten haben. Bei den gefüllten Blüten kommen die Insekten nicht an die für sie wichtigen Pollen heran. Statt Geranien für den Balkon könnte man zum Beispiel Storchschnabel nehmen. Der Storchschnabel gehört der gleichen Pflanzenfamilie wie Geranien an.
Worauf sollte man beim Kauf von Wildblumen- und Wildkräutermischungen achten?
Viele Mischungen im Handel enthalten keine heimischen Arten oder sind mit anderem Saatgut vermischt. Am besten sollte man sie im Fachhandel, etwa in Gärtnereien oder dort kaufen, wo Bioqualität angeboten wird. Der Nabu-Onlineshop bietet eine Bio-zertifizierte Wildblumensamentüte, die gut für Insekten geeignet sind.
Wie sollte ich Rasen, Beete und Pflanzen am besten pflegen? Der Nabu spricht an dieser Stelle von einem
insektenfreundlichen Pflegeregime …
Je weniger man macht, desto besser ist das für die Insekten und für alle anderen Tiere, die im Garten leben. Das heißt: weniger mähen, weniger jäten und Wildheit zulassen. Natürlich will nicht jeder die totale Wildnis in seinem Garten – so soll das auch gar nicht sein. Es geht vielmehr um einen etwas entspannteren Umgang. Das fängt damit an, dass man in seinem Garten nicht jede neue kahle Stelle unbedingt gleich nachsät. Viele Wildbienen nisten im Boden, sie brauchen diese offenen, sandigen Stellen. Auch wenn man nicht ganz so kurz mäht und einen Wildkräuter-Rasen heranzüchtet anstatt einen englischen, tut man schon einiges. Außerdem tut man sich selbst einen Gefallen, denn man muss weniger Gartenarbeit machen.
Aber mähen sollte man irgendwann schon, oder?
Ja sicherlich. Man sollte das Rasengrün ein wenig höherkommen lassen. Oder nur Bereiche mähen, die man betreten will. Gerade der Löwenzahn ist eine tolle Insektenfutterpflanze. Viele ärgern sich darüber, aber aus Insektensicht betrachtet, ist er etwas Gutes.
Wenn ich sie richtig verstehe, sollten Kunstdünger und Pestizide tabu sein, richtig?
Genau, das muss in einem insektenfreundlichen Garten absolut tabu sein. Man kann natürlich mit einer selbst angesetzten Brennnessel-Jauche oder Ähnlichem düngen. Das stört die Insekten nicht und fügt ihnen auch keinen Schaden zu. Chemischer Dünger und chemische Pestizide haben in einem solchen Garten jedoch nichts verloren.
Wie kann man Brennnessel-Jauche selbst herstellen?
Man pflückt Brennnesseln, zerkleinert sie, gießt sie mit Regenwasser auf und lässt das Ganze eine Woche stehen. Ab und zu sollte man den Sud umrühren. Allerdings riecht es sehr streng – daher kommt auch der Name, weil es an Jauchegeruch erinnert. Schließlich kann man die Brennnessel-Jauche eins zu zehn mit Wasser verdünnen. Das ist ein ganz prima Dünger für Tomaten und andere Gemüsepflanzen.
Sollte man eine Insektentränke im Garten aufstellen?
Insektenfreundlich ist auf jeden Fall eine Wasserstelle im Garten. Das kann etwa ein kleiner Teich sein, denn viele Insekten halten sich gern am oder auf Wasser auf. Denkbar ist auch eine Vogeltränke oder eine Schale mit kleinen Steinen, wo sie Wasser aufnehmen können. Mücken brüten ja auch in stehenden Gewässern. Auch wenn sie meist als lästige Plagegeister wahrgenommen werden, sind sie dennoch wichtig, denn sie bestäuben und sind Nahrungsquelle für viele Vögel.
Welche Rolle spielen Verstecke und/oder Nistplätze für den Erhalt des Insektenbestands?
Natürlich sind sie zur Eiablage und als Rückzugsort ganz wichtig. Zum Beispiel sollte man im Herbst die abgeblühten Stauden die Wintermonate über stehen lassen und nicht abschneiden. In hohlen, trockenen Stängeln können Insekten überwintern oder ihre Eier ablegen. Einige Arten suchen auch Unterschlupf unter der Rinde alter Bäume und legen dort ihre Eier. Auch ein liegengelassener Laubhaufen im Garten bietet Versteckmöglichkeiten und Überwinterungsquartier für Käfer. Wenn man im Garten aufräumt, sollte man sich also dessen bewusst sein.
Wenn ich auf meinem Balkon oder Garten ein Wespen-, Wildbienen- oder Hornissennest entdecke: Was sollte ich dann tun?
Es kann immer wieder passieren, dass staatenbildende Insekten wie Wespen und Hornissen ein Nest im Garten bauen. Wenn sich das Nest an einer Stelle befindet, wo es einen nicht stört, etwa weit entfernt von der Terrasse, dann sollte man das bitte dort belassen. Sie tun einem ja nichts. Etwas anderes ist es natürlich, wenn man ein Nest etwa neben der Balkontür entdeckt. In solchen Fällen sollte man Fachleute kontaktieren. Der Nabu Berlin betreibt einen Hymenopterendienst, bei dem man anrufen und sich über nistende Wespen, Wildbienen und Hornissen beraten lassen kann. Möglicherweise kann einem auch ein in der Nähe ansässiger Imker oder die Feuerwehr weiterhelfen.
Können auch Privatgärten von Schädlingen befallen werden und wenn ja, wann sollte man handeln?
Natürlich gibt es immer wieder Schädlinge im Garten, die Obst und Gemüse anknabbern. Wir empfehlen das natürliche Gleichgewicht zu stärken. Frostspanner und Apfelwickler haben natürliche Feinde, nämlich Vögel, die die Raupen dieser Tiere fressen. Wenn man also dafür sorgt, dass viele Meisen und ähnliche Vögel sich im Garten aufhalten, halten sie diese unliebsamen Insekten auf natürliche Weise in Schach. Indem man den Garten insektenfreundlich gestaltet, tut man zugleich etwas Gutes für verschiedene Vogelarten.
Welche Insektenarten sind für den Gärtner von Vorteil?
Eigentlich alle, würde ich sagen, denn jede hat ihren Platz im Ökosystem und übt eine wichtige Funktion aus. Besonders wichtig für Gärtner sind natürlich die Arten, die bestäuben. Zuerst denkt man an die Honigbiene, aber unter den Wildbienen gibt es weitaus potentere Bestäuber, zum Beispiel die Hummeln und Wildbienenarten, die Tomaten bestäuben. Bienen selbst können das nicht, weil sie nicht so kräftig sind. Darüber hinaus kennen wir einige Käferarten und andere Insekten, die Aas fressen. Diese Aufräum-Polizei im Garten kümmert sich um tote Insekten, andere Tiere und abgestorbene Pflanzenteile.
Sind Schmetterlinge auch Bestäuber?
Schmetterlinge bestäuben durchaus auch, wobei einige Arten für den Gärtner ein Ärgernis sind, weil eben Raupen als Schädlinge angesehen werden. Der Kohlweißling geht gern an Kohlpflanzen. Es kommt immer auf den Blickwinkel an.
Wie sinnvoll ist das Aufstellen von Insektenhotels in Privatgärten und auf Balkonen?
Insekten finden heute in vielen Gärten nicht mehr genügend Nistplätze, da sie meist totgepflegt sind. Auch öffentliche Grünflächen werden stark durchgepflegt. Insektenhotels in Privatgärten sind sehr sinnvoll, weil in Siedlungsräumen viele Flächen asphaltiert sind und damit der Lebensraum für Insekten schwindet. Nur sollte man darauf achten, was man kauft oder wie man selber baut. Vieles, was im Handel erhältlich ist, ist weniger sinnvoll. Zum Beispiel sind Fächer mit Tannenzapfen völlig nutzlos für die Insekten. Wenn die Löcher ausgefranst sind, werden sie entweder gar nicht angenommen oder die Tiere verletzen sich unter Umständen. Daher sollte man fachlich geprüfte Insektenhotels erwerben, beispielsweise in unserem Nabu-Shop. Zudem ist ein wichtiges Kriterium, dass es vor Regen geschützt, also überdacht ist und am besten Richtung Süden aufgehängt wird. Auch auf Balkonen ist das sinnvoll, das nehmen sie auch an.
Worauf sollte man beim Selbstbauen eines Insektenhotels achten?
Wenn man Löcher in eine Baumscheibe bohrt, ist es wichtig, dass man dafür Laub- und kein Nadelholz nimmt. Nadelholz franst viel stärker aus als Laubholz, sodass sich die Insekten verletzen können. Oder man nimmt für ein Insektenhotel Stängel von abgeblühten Stauden oder sägt sich Bambusstangen zurecht und bündelt sie anschließend. Von einer Seite sollten Stängel und Bambusstangen zum Beispiel mit Baumwolle verschlossen sein, sonst mögen sie das nicht. Das Bündel kann man in eine Blechdose stecken – schon ist das Insektenhotel fertig.
Welche Bepflanzungen kommen besser mit anhaltenden Trockenperioden klar und sind trotzdem insektenfreundlich?
Für den Balkon ist das schwieriger, denn sobald Pflanzen in Töpfen oder Kästen sind, trocknen sie sehr schnell aus. Da hilft irgendwann nur noch tägliches Gießen. Wenn im Garten eine Stelle sehr sonnenbeschienen ist und man mit dem Gießen gar nicht mehr hinterherkommt, kann man dort ein Steppenbeet anlegen. Auch kann man sich überlegen, einen Steingarten anzulegen. Damit meine ich nicht etwa einen Schottergarten, sondern einen Garten mit einzelnen Steinen, zwischen denen Trockenheit liebende, insektenfreundliche Pflanzen gesetzt sind. Ein solcher Garten ist gut für Wetterextreme wie Dürre und Hitzeperioden gewappnet.