Mit dem EX30 bringt Volvo einen Mini-SUV auf den Markt, der viel Sicherheit bietet und recycelte Materialien enthält. Ganz ohne Ärger läuft die Testfahrt aber nicht ab.
Ich mag skandinavisches Design. Zwar sitze ich nicht bei Ikea, sondern teste ein Elektroauto, doch auch das sprüht vor schwedischem Design. Sogar auf die Sitze hat der Hersteller kleine blau-gelbe Fähnchen genäht, wobei er da ein wenig schummelt: Volvo gehört nämlich schon seit 2010 zum chinesischen Geely-Konzern. Auf dem Nummernschildhalter steht folgerichtig nicht mehr „Made in Sweden“, sondern „Made by Sweden“.
Volvos neuestes Elektroauto, der EX30, sieht deutlich hübscher aus als ein Billy-Regal. Während sich die meisten Hersteller dabei übertrumpfen, immer größere, schwerere Kisten zu bauen, begnügt sich der EX30 mit kleinen Maßen. Mit seinen 4,23 Metern ist der Kompakt-SUV sogar kürzer als ein VW Golf oder ein elektrischer VW ID.3.
Folglich kommt er mit weniger Aluminium und Stahl aus. Da zusätzlich viele Recyclingmaterialien verbaut werden, emittiert der EX30 im Laufe seines Autolebens – also von der Produktion bis zur Verschrottung – rund 25 Prozent weniger CO2 als sein größeres Schwestermodell, der XC40. Um diese Behauptung zu belegen, hat Volvo einen 80-seitigen „Lebenszyklusreport“ veröffentlicht, der jedes noch so kleine Detail auflistet. Auch ich bin bei Nachhaltigkeitsversprechen erst mal skeptisch, vor allem, wenn sie von der Autoindustrie kommen. Aber Volvo scheint es ernst zu meinen. Im März lief in Schweden der letzte Diesel vom Band, ab 2030 sollen es nur noch E-Autos sein. Das ist sogar fünf Jahre früher, als es das viel diskutierte EU-Verbrennerverbot vorsieht.
Innenverkleidung wie Warmhaltebox
Was mir von außen sofort auffällt, sind die raketenförmig zulaufenden LED-Scheinwerfer, die im Volvo-Vokabular „Thors Hammer“ heißen. Mit dieser magischen Waffe beschützt der Wettergott die Menschen in der nordischen Mythologie. Auch Volvo beschützt seine Insassen, wie ein Blick auf die Sicherheitsausstattung zeigt. Schon das Einstiegsmodell verfügt serienmäßig über eine Personen-, Fahrrad- und Motorroller-Erkennung. Dank diverser Kameras, Radare und Ultraschallsensoren sollen Unfälle erst gar nicht passieren. Das gilt auch für Radfahrer, die regelmäßig bei sogenannten „Dooring-Unfällen“ zu Schaden kommen, also wenn jemand eine Autotür unachtsam öffnet. Der EX30 warnt mit einem Piepton vor genau solchen Situationen.
Gleiches gilt beim Ausparken, das durch einen Querverkehrswarner sicherer werden soll. Auch ein Totwinkelassistent, eine (recht unzuverlässige) Verkehrszeichen-Erkennung und eine Einparkhilfe sind an Bord. Viele dieser Helfer beschränken sich nicht aufs Warnen, sondern bremsen und lenken im Notfall selbstständig. Bei größeren Autos gibt es solche Systeme – wenn überhaupt – meist nur gegen Aufpreis. Dass sie bei einem Kompakt-SUV zur Serie gehören, spricht für Volvo. Wer noch einen draufsetzen möchte, kann eine 360-Grad-Kamera und ein erweitertes Assistenzpaket mit Spurwechselassistent dazu buchen. Für den Alltag sind aber die integrierten Systeme mehr als ausreichend.
Gespart hat Volvo dafür an anderer Stelle. Die Innenverkleidung, in der recycelte Fensterrahmen stecken, sieht aus wie die Warmhaltebox eines Pizzaboten. Statt Lautsprechern in den Türen gibt es eine Lautsprecherleiste (Soundbar) unter der Windschutzscheibe, wodurch weniger Kabel verlegt werden müssen. Auch die Knöpfe für die Fensterheber befinden sich aus diesem Grund nicht bei den Türen, sondern in der Mittelarmlehne. Das war’s dann auch mit den Knöpfen. Statt eines Tachos überm Lenkrad gibt es einen zentralen Touchscreen, über den alle, wirklich alle Informationen laufen. Um zu wissen, wie schnell man gerade fährt, muss man also immer nach rechts schielen, was die Aufmerksamkeitssensoren prompt mit einer kritischen Meldung quittieren. Entsprechend fordert die Bedienung eine Menge Umgewöhnungszeit. Lüftung erhöhen? Außenspiegel einstellen? Musik hören? Alles möglich, aber zum Teil in Untermenüs versteckt.
Was die Motorisierung angeht, bietet der EX30 drei Varianten. Die kleinste hat einen Hinterradantrieb und kommt laut WLTP-Normwert 344 Kilometer weit. Die größte schafft 476 Kilometer und eine Anhängelast von bis zu 1.600 Kilo, sofern man eine Anhängerkupplung dazubestellt (Aufpreis: 1.100 Euro). Auch ein Allradantrieb ist möglich, der mit 428 PS allerdings hoffnungslos übermotorisiert ist für einen solch kleinen Wagen. Da geht der Stromverbrauch unnötig in die Höhe.
Mein Testauto ist mit großem Akku und Heckantrieb ausgestattet. Die versprochene Reichweite hält es nicht ein. Obwohl die Autobahnfahrt durch mehrere Baustellen und Staus immer wieder ausgebremst wird und ich nicht schneller als 130 Kilometer pro Stunde fahre, schafft es nicht einmal 400 Kilometer. Kleines Trostpflaster: Das Laden geht schnell. Nicht mal eine halbe Stunde braucht der EX30, um an der Raststätte von zehn auf 80 Prozent zu kommen. An Wechselstrom-Ladestationen, wie man sie in vielen Innenstädten findet, kann er mit 22 Kilowatt laden, wodurch die Batterie in drei Stunden wieder voll ist. Dieses Feature gibt’s allerdings nur in der teuersten Variante „Ultra“. Das Serienmodell lädt mit elf Kilowatt, so wie die meisten E-Autos.
Als Navi dient Google Maps, das komplett ins System integriert wurde. Es plant automatisch Ladestopps ein, falls nicht genug Strom im Akku ist. Per Sprachbefehl lässt sich die Route ändern, wobei auch Sonderwünsche möglich sind: Welche EnBW-Ladestation befindet sich auf der Strecke? Wo ist die nächste Postfiliale? Wie ist das Wetter in Freiburg? Versteht es alles. Ändert sich während der Fahrt die Verkehrslage, passt das Navi die Route automatisch an, wodurch ich einem 30-Kilometer-Stau (!) auf der A5 entgehe. Einziger Nachteil: Die Google-Dienste sind nur vier Jahre kostenlos. Was es danach kostet, verrät Volvo auf Nachfrage nicht. Es handle sich dabei um „aktuell noch nicht bekannte Kosten“. Man könne alternativ aber auch das eigene Smartphone als Hotspot nutzen, um das Internet ins Auto zu bringen.
Viel Auto für einen moderaten Preis
Ganz so zuverlässig ist aber auch Google nicht, wie sich beim nächsten Ladestopp zeigt. Auf einmal lässt sich das zuvor laut gestellte Radio nicht mehr deaktivieren. Wie eine schlechte Disco plärrt es aus der Soundbar; alle Versuche, den Ton leiser zu stellen, scheitern. Die Trucker am Picknicktisch grinsen. Immer diese E-Autos …
Abhilfe schafft erst ein Blick ins Handbuch. Dort heißt es, man solle zwei Tasten auf dem Lenkrad 15 Sekunden lang drücken, um das Center-Display neu zu starten. Dann endlich Ruhe! Gleich danach zickt auch noch die Tür und geht nicht auf, als ich mich dem Auto nähere. Hat es Volvo womöglich mit der Digitalisierung übertrieben? Schon beim großen Schwestermodell, dem C40 Recharge, nahm meine Testfahrt softwarebedingt ein böses Ende. Damals musste sogar der Abschleppdienst kommen – laut Volvo war angeblich die Ladestation schuld. Woran die Probleme diesmal liegen, kann der Hersteller ohne genaue Diagnose nicht klären. Vielleicht sei einfach die Batterie des Senders schwach.
In der Gesamtbetrachtung bietet der EX30 viel E-Auto für einen moderaten Preis. Dass Volvo voll auf Sicherheit setzt und stattdessen an Schickimicki spart, finde ich gut. Das Google-Abo und der Styropor-Look im Innenraum – geschenkt. Nur der fehlende Tacho stört mich, weil er den Sicherheitsanspruch konterkariert. Jeder Blick nach rechts, jedes Hantieren am Touchscreen lenkt ab, ob man will oder nicht. Hier hätte ein klassischer Tacho überm Lenkrad gutgetan, und wenn’s nur eine Mini-Anzeige ist. Vergleicht man ihn beispielsweise mit dem Konkurrenten Jeep Avenger, schneidet der EX30 in punkto Reichweite, Ausstattung und Sicherheit besser ab. Eigentlich spricht alles für den kleinen schwedischen Stromer, wären da nicht die Softwarepannen. Hier sollte Thor seinen Hammer besser noch mal schwingen – in diesem Fall zur Reparatur.