Das Saarpolygon erinnert an den jahrhundertelangen Steinkohlebergbau. Als Symbol des Wandels soll es auf der exponierten Ensdorfer Bergehalde gleichsam in die Zukunft verweisen.
Wer sich auf der Fahrt dem Großraum Saarlouis nähert, dessen Blick fällt unweigerlich auf den großen Berg, der markant aus dem sonst flachen Saartal herausragt und die Gegend prägt. Zu auffällig ist der Berg, als dass man ihn übersehen könnte. Gleichsam wird die Aufmerksamkeit auf ein Gebilde gelenkt, das wie eine Krone auf ihm thront.
Zur Verwunderung des Betrachters verändert das Gebilde je nach Blickwinkel seine Gestalt. Für die im Saarland lebenden Menschen ist das längst kein Geheimnis mehr. Bei dem Gebilde handelt es sich um das Saarpolygon, das oben auf der 130 Meter hohen Bergehalde in Ensdorf weithin sichtbar seinen Standort hat und innerhalb von nur ein paar Jahren zu einem führenden Wahrzeichen im Lande geworden ist.
Die Bergehalde selbst ist der Ensdorfer Bevölkerung, solange sie zurückschaut, als Ausdruck der bergbaulichen Aktivitäten bekannt. Ihre Größe prägt das Ortsbild so sehr, dass man als Ortsbeschreibung durchaus sagen könnte: Ensdorf liegt am Fuße der Bergehalde. Man glaubt es kaum, 32 Millionen Kubikmeter an Nebengestein wurden im Zuge der Kohlegewinnung im Zeitraum von 100 Jahren aus dem tiefen Erdinneren ans Licht gebracht. Mit 130 Meter Höhe ist die Halde Duhamel heute die höchste Bergehalde im Saarland. Sie umfasst eine Fläche von über 40 Hektar, die der stattlichen Größe von ungefähr 60 Fußballfeldern entspricht. Benannt wurde die Bergehalde nach dem berühmten Bergingenieur Jean-Baptiste Duhamel, der Anfang des 19. Jahrhunderts die von Napoleon gegründete Bergakademie in Geislautern leitete.
Gegenüber dem heutigen Aussehen als Tafelberg besaß die Bergehalde über viele Jahrzehnte die Form eines Spitzkegels, wie sich ältere Bürger noch gut erinnern können. Denn die Halde wurde bis weit in die 1980er-Jahre hinein über einen Schrägaufzug mit Kippwagen beschickt. Mit der Umstellung auf einen Rohrförderer („pipe conveyer“), kombiniert mit einem Absetzer auf dem Plateau, veränderte sich die Kubatur des Haldenkörpers zu einem breiten Berg.
Seit der Öffnung eines Teils der Bergehalde für die Öffentlichkeit im Jahr 2005 ist die Halde ein beliebtes Naherholungsgebiet und Ausflugsziel. Zwei Drittel sind begrünt, teils durch gezielte Pflanzmaßnahmen, teils durch natürliche Sukzession. Der jüngste Teil der Halde ist noch unbegrünt und zeigt eindrucksvoll das karge, monotone Aussehen des 300 Millionen Jahre alten Karbongesteins, bevor die Natur in einem Jahrzehnte langen Prozess sich dessen bemächtigt.
Erreicht man nach einem 30-minütigen Aufstieg das Plateau der Bergehalde, beschleicht einen das Gefühl, sich in einer fremden Welt zu befinden. Dominiert wird die Szenerie vom mächtigen Saarpolygon. Die puristische, begehbare Großskulptur zieht die Besucher sogleich in ihren Bann. Durch ihre aufrechte Form erweckt sie den Eindruck, als wolle sie dem Himmel entgegenstreben.
Die Idee zum Bau einer Landmarke auf der Bergehalde Duhamel kam aus der Belegschaft des letzten aktiven Bergwerks an der Saar. Es bestand der Wunsch, über die Zeit des Steinkohlebergbaus hinaus ein bleibendes Zeichen der Erinnerung zu haben. Das Bergwerksunternehmen RAG griff diesen Wunsch auf und lobte hierzu im Jahr 2011 – ein Jahr vor Beendigung des Bergbaus – einen europäischen Ideenwettbewerb aus.
Aus dem Wettbewerb gingen die Berliner Architekten Oliver Sachse und Katja Pfeiffer als Sieger hervor. Mit ihrem „Symbol für den Wandel der Region“ konnten sie die Jury am besten überzeugen. Die gestalterische Idee der Landmarke liegt darin, dass sich die räumliche Skulptur beim Umrunden in ihrer Form scheinbar verwandelt und je nach Blickwinkel unterschiedliche Deutungen zulässt. So kann der Betrachter Fördergerüste als Erinnerung an die Bergbauvergangenheit erkennen, auch das Symbol Schlägel & Eisen taucht in abstrakter Form auf. Demgegenüber zeigt sich aus einer anderen Perspektive das „Tor der Zukunft“, das es gemäß der Interpretation der Architekten in der Zeit nach dem Bergbau zu durchschreiten gilt.
Erinnerung an bergbauliche Wurzeln
In der Dunkelheit zeigt sich die Skulptur mit ihrer besonderen Strahlkraft, wenn sie hoch über dem Saartal ins weite Land leuchtet.
Steht man oben auf der Tribüne der Landmarke, bietet sich ein großartiger Blick über weite Teile des Saarlandes. Direkt vor Augen liegt das breite Saartal, urban und industriell geprägt durch die ehemalige Festungsstadt Saarlouis und die Hüttenstadt Dillingen mit der Dillinger Hütte, im Hintergrund die Höhen des Saargaus. In entgegengesetzter Richtung zeigt sich kontrastierend der ländliche Raum, die vielerorts mit dem Bergbau entstandenen Siedlungen, schmuckvoll eingebettet in eine gemischte Natur- und Kulturlandschaft. Bei günstigem Wetter reicht der Blick bis zum Schaumberg.
Um das Vorhaben realisieren zu können, gründete sich während des Ideenwettbewerbs der Förderverein BergbauErbeSaar. Mit Spenden und Zuwendungen der RAG-Stiftung, der saarländischen Landesregierung, mit dem Bergbau verbundenen Unternehmen und Institutionen sowie Privatpersonen konnte das Projekt in den Folgejahren umgesetzt werden.
Seit 2016 steht das gestalterisch gelungene Bauwerk auf der Bergehalde in Ensdorf. Als bedeutendes Wahrzeichen des Landes und von der Bevölkerung ins Herz geschlossen verkörpert es den revolutionären Wandel an der Saar nach dem Ende des Steinkohlebergbaus, den begonnenen Umbau der Stahlindustrie hin zu grünem Stahl und den fortdauernden Ausbau der erneuerbaren Energien.
Das Saarpolygon bietet sich an, ein Ankerpunkt für die Erinnerung an die bergbaulichen Wurzeln des Saarlandes zu sein, ebenso für den Entwicklungsprozess auf dem Gebiet der neuen Technologien.
Und die Kultur? Sie gehört als Conditio sine qua non (notwendige Bedingung; Anm. d. Red.) selbstverständlich dazu! In den zurückliegenden Jahren war das Saarpolygon bereits Ort erster kultureller Veranstaltungen, so die jährlich stattfindende „Soirée am Saarpolygon“. Die „Opernfestspiele am Saarpolygon“ bedeuten für die Örtlichkeit kulturell eine neue Dimension.