Oscarpreisträgerin Kate Winslet spielt in der Politgroteske „The Regime“ die despotische Herrscherin eines fiktiven mitteleuropäischen Landes mit einer bizarren Mischung aus Machtgier, Ignoranz und Selbstverblendung. Die Serie ist aktuell als Stream auf den gängigen Plattformen erhältlich.
Atmen Sie nie in ihre Richtung. Und verhalten Sie sich in ihrer Gegenwart absolut ruhig“, ermahnt die Chefberaterin der Kanzlerin Elena Vernham (Kate Winslet) den Unteroffizier Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts). Zubak hat bei einem Aufstand in einer Kobalt-Mine zwölf Arbeiter erschossen. Zur Strafe wird er in den operettenhaften Protz-Palast der Kanzlerin abkommandiert. Das blutige Massaker scheint Vernham in keiner Weise zu berühren, sie empfängt Zubak mit herablassender Neugier. Kanzlerin Vernham ist die unumschränkte Herrscherin eines (fiktiven) mitteleuropäischen Landes, das sie mit eiserner Hand regiert und in dem ein Klima der Angst und Unterwürfigkeit herrscht. Zunächst muss der neue Leibgardist Zubak wie ein Hündchen neben und vor Vernham herlaufen, um die Luftfeuchtigkeit zu messen. Denn seine Chefin ist davon überzeugt, dass in der Palastluft krankmachende Pilzsporen lauern. Später wird sie die unreine Luft „entgiften“ lassen – mit Hilfe von Kartoffeldämpfen aus hunderten von Kesseln. Dass Elena Vernham eine Macke hat, ist untertrieben. Sie ist machtbesessen, brutal, intrigant, rachsüchtig, paranoid. Außerdem wird sie von zunehmenden Wahnvorstellungen geplagt.
Kate Winslet spielt diese – wie in Marmor gemeißelte – Lady mit einer menschenverachtenden Grandezza, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Sobald sie auftritt, beherrscht sie die Szenerie. Ihre Minister, ja sogar ihr Ehemann (Guillaume Gallienne), sind nur Staffage, die sie nach Lust und Laune ignoriert oder tyrannisiert. Selbst den amerikanischen Außenminister, der mit ihr einen Kobalt-Deal aushandeln will – und so die desolate Wirtschaft des Landes ankurbeln würde –, brüskiert sie mit unbedarfter Süffisanz. Nur zu Zubak fasst sie langsam Vertrauen. Zumal der sie eines Nachts in ihrem Schlafzimmer auch vor dem Angriff eines Eindringlings rettet. Zubak entpuppt sich im Laufe der Geschichte als Schmalspur-Rasputin, der seiner Chefin nur allzu gerne politische Umsturzpläne einflüstert. Zunächst ist Vernham, deren Macht langsam zu bröckeln beginnt, diesen Vorschlägen gegenüber nicht abgeneigt, überlegt es sich dann aber doch anders und wirft Zubak kurzerhand ins Gefängnis. Dort trifft Zubak auf den in Ungnade gefallenen Großkanzler und Oppositionsführer Edward Keplinger (Hugh Grant).
Mischung aus Drama und Groteske
Einige Oligarchen-Partys und Militäraktionen später steht das Land kurz vor dem Ruin. Ein Bürgerkrieg droht. Doch da nimmt die Geschichte noch einmal einen verblüffenden Verlauf. Am Ende hält die wiedererstarkte Kanzlerin vor jubelnden Bürgern eine feurige Siegesrede, die freilich an Hohlheit und Heuchelei kaum zu überbieten ist. (Polit-)Business as usual – ganz wie im richtigen Leben.
Verantwortlich für diese perverse Politsatire ist vor allem der Serienspezialist Will Tracy, der schon Episoden für „Succession“ geschrieben hat sowie das Drehbuch zu der Horror-Komödie „The Menu“. Wie er nun den morbiden Pomp und skrupellosen Machtmissbrauch unfähiger politischer Eliten vorführt – und desavouiert – erinnert in den besten Momenten an den irrlichternden Sarkasmus, wie wir ihn zum Beispiel aus Filmen wie „Dr. Seltsam, oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ und „The Death of Stalin“ kennen. Der britische Regisseur Stephen Frears („Gefährliche Liebschaften“, „Die Queen“) hat „The Regime“ (seit Anfang Mai auf Sky Atlantic und WOW) mit sicherer Hand inszeniert, mal als Shakespeare-Drama, mal als Monty-Python-Groteske. Und über all dem thront Kate Winslet. Mit welch teuflischem Charisma, mit welch ungebrochener Verve sie den Parforceritt dieser Borderline-Psychopathin durch den alltäglichen Wahnsinn zelebriert, ist große Schauspielkunst. Eines von Kate Winslets Glanzstücken darin ist, wie sie den Chicago-Song „If You Leave Me Now“ vor geladenen Ehrengästen in Grund und Boden singt. Und das Ende der Geschichte? Elena Vernham besucht wieder die Familiengruft, doch in einem Glassarg ruht nicht mehr ihr Vater, sondern ein ganz anderer…