Die Vereinigten Staaten haben die älteste Verfassung der Welt. 1787 wurde sie verabschiedet. Doch sei sie nicht mehr zeitgemäß. Ihre Mängel würden die Demokratie gefährden, schreiben Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem Buch „Die Tyrannei der Minderheit – Warum die amerikanische Demokratie am Abgrund steht und was wir daraus lernen können“.
Während der Präsidentschaft des ersten schwarzen Präsidenten, Barack Obama, wuchsen existenzielle Verlustängste im weißen, christlichen Milieu. Die Basis der Republikaner radikalisierte sich. Dabei bilden die Republikaner wegen des Mehrheitswahlrechts eigentlich gar nicht die Mehrheit des Volkswillens ab. Aber für den Sieg ist die Zahl der gewonnenen Wahlbezirke entscheidend, egal ob diese mit 51 oder mit 99 Prozent gewonnen wurden.
Daher klaffen aktuelle Politik und öffentliche Meinung auseinander, sei es in Fragen der Abtreibung, des Mindestlohns oder des Waffenrechts. Den Grund für die Fehlentwicklungen in ihrem Staat sehen die Autoren in ihrer Verfassung begründet. Während die meisten Staaten Europas ihre Verfassungen laufend modernisiert haben, ist die US-Verfassung den Amerikanern heilig und gleichsam in Stein gemeißelt. Auch braucht es für Verfassungsänderungen eine qualifizierte Mehrheit in beiden Parlamentskammern und die Zustimmung von drei Vierteln aller Bundesstaaten. So hat es bis heute mehr als 700 vergebliche Versuche gegeben, das Wahlmännerkollegium abzuschaffen oder zu ändern.
Hinzu kommt die Zusammensetzung des Senats, die allen Bundesstaaten gleich viele Sitze zuteilt und somit kleineren Staaten mehr Gewicht gibt als größeren. Die Parlamente der Bundesstaaten wiederum können Wahlbezirke nach Gutdünken festlegen und dadurch bestimmte Parteien benachteiligen. Levitzky und Ziblatt zeigen eindringlich die gewaltigen Defizite der amerikanischen Demokratie auf, deren Verfassung nicht nur in die Jahre, sondern in die Jahrzehnte und Jahrhunderte gekommen ist.