Die FDP will keine Pflichtversicherung, stattdessen kommt nun eine Angebotspflicht für Elementarschaden-Versicherungen. Da diese nicht auf die Solidarität aller Versicherten setzt, bleibt sie für viele Hausbesitzer weiterhin unerschwinglich.
In Bayern liefen kürzlich erneut die Keller voll, in Thüringen musste die Feuerwehr mehrfach ausrücken: Starkregen dominiert in diesem Sommer vielfach die Schlagzeilen. Die Hochwasser im Süden und Südwesten Deutschlands an Pfingsten sind noch nicht verdaut, geschweige denn die Nachwirkungen der Sturzfluten im Ahrtal. Nicht zuletzt seit den verheerenden Wassermassen, die sich 2021 durch die Eifel und Nordrhein-Westfalen wälzten, 135 Menschen das Leben kosteten und Versicherungsschäden in Milliardenhöhe verursachten, steht das Thema einer Elementarschaden-Pflichtversicherung auf der politischen Agenda weit oben. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, die Starkregenereignisse der letzten Wochen zeigten, wie wichtig es sei, besser vorzusorgen angesichts der Risiken der Klimakrise: „Der Schutz vor Elementarrisiken muss in Risikogebieten zum Standard werden.“ Derzeit sind nur etwa die Hälfte aller Gebäude in Deutschland gegen Elementarschäden versichert.
Darüber, ob eine solche Versicherung zur Pflicht wird, wollten die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 20. Juni beraten. Doch schon vorab deutete das FDP-geführte Bundesjustizministerium Skepsis an. So „löst die Einführung einer bundesweiten Elementarschadenpflichtversicherung das Problem der Gefahr für Schäden an Gebäuden und die damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger nicht“, sagte eine Sprecherin. Sie verwies unter anderem auf den bürokratischen Aufwand als Folge der notwendigen Kontrollen. „Diese Kontrolle ist bei vielen Millionen Wohngebäuden in Deutschland und der zur Prüfung notwendigen versicherungsrechtlichen Expertise überaus aufwendig und kostenintensiv.“ Eine solche Versicherungspflicht wäre für viele Haushalte „mit drastischen finanziellen Mehrbelastungen verbunden“, sie könnte nicht verhindern, dass solche Elementarschaden-Großereignisse eintreten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) befürchtet gar, dass eine Pflichtprämie Menschen aus ihren Häusern vertreiben könnte, wenn sie die Prämie nicht bezahlen könnten, und Unternehmen den deutschen Markt verlassen, wenn die Prämien gedeckelt werden. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bleibt gegenüber einer Pflichtversicherung skeptisch: Auch der Bund müsse hier mehr tun für die Errichtung und Modernisierung von Dämmen und Deichen, so Woidke.
Dabei gibt es in den deutschen Nachbarländern teils seit Jahrzehnten entsprechende Versicherungen, beispielsweise in Frankreich. Dort gehört die „Assurance Catastrophes Naturelles“ (Cat-Nat) als Teil der Hausrat- und Gebäudeversicherung zum Alltag. Kostenpunkt: 26 Euro pro Jahr, und diese sind gesetzlich festgelegt. Versichert sind damit 98 Prozent aller französischen Haushalte, so das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz. Im Jahr 2022 beliefen sich die Elementarschaden-Beiträge auf 1,88 Milliarden Euro. Die Gesamtkosten für versicherte Schäden im Jahr 2022 beliefen sich auf 250 bis 360 Millionen Euro für Überschwemmungen und auf 2,9 Milliarden Euro für Dürren. Während in Deutschland der Staat Gelder vor allem für Großschadenereignisse wie die Flut im Ahrtal bereitstellt, musste der französische Staat seit Einführung der Cat-Nat-Versicherung 1982 nur ein einziges Mal als Garantiegeber bezuschussen, und zwar mit 263 Millionen Euro. Der deutsche Staat musste allein für die Ahrtal-Katastrophe 30 Milliarden Euro aufbringen.
„Keine gute Nachricht“
Dennoch ist das französische System nicht auf Deutschland übertragbar. Denn ob aus dem Cat-Nat-System eine Auszahlung erfolgt, entscheidet im zentralistischen Frankreich eine Ministerkommission in Paris. Beitragszahler müssen auch einen Eigenbeitrag in Höhe von bis zu 1.520 Euro selbst zahlen. Außerdem stehen dem System drastische Beitragserhöhungen ins Haus, die Folgen des Klimawandels, weil der jährliche Versicherungsbeitrag nicht risikobasiert angelegt wurde, so der deutsche Gesamtverband der Versicherungswirtschaft. Ab 2025 kostet der Jahresbeitrag 42 Euro.
Schon vor mehr als einem Jahr hatte der Bundesrat die bundesweite Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung gefordert, auch unter Verweis auf die Hochwasserkatastrophe an der Ahr. Auch der Deutsche Städtetag dringt auf mehr Versicherungsschutz gegen Elementarschäden. „Extremwetterereignisse nehmen zu und kommen in immer schnellerem Takt“, teilte der Verband mit. Doch Bund und Länder einigten sich nicht auf eine gemeinsame Linie. Und dies sei keine gute Nachricht, so der Städtetag. Der Bund will nun nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lediglich Versicherer verpflichten, Wohngebäudeversicherungen mit Elementarschaden-Komponente anzubieten. Die Angebotspflicht sei eine gute Option, sagte der StädtetagsPräsident, Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe. „Dann müssten Kunden aktiv wählen, wenn sie keine Elementarschadenversicherung wollen. Gar keine Lösung ist aber die schlechteste Lösung, die Gespräche dazu müssen jetzt weitergehen.“
Auch die Versicherer bevorzugen die Angebotspflicht als Kompromiss. Das Problem: Für viele Adressen, Postleitzahlengebiete hatten die Versicherungen bislang keine Angebote, weil das Risiko zu groß war. Eine Angebotspflicht könnte dies zwar ändern, doch wahrscheinlich nur zu marktwirtschaftlichen Konditionen, das heißt, die Angebote werden in Risikogebieten weiterhin teuer bleiben. Billiger wird eine Pflichtversicherung lediglich, wenn das Risiko solidarisch verteilt wird, wie etwa in Frankreich oder der Schweiz. Seit Jahren gilt dort eine Solidarversicherung für alle mit niedrigen Prämien, während zahlreiche Präventionsprojekte, in denen Bauherren und Versicherungen gemeinsam an Maßnahmen gegen Überflutungen, Sturmschäden oder Hangrutschen arbeiten, Vorsorge treffen sollen. Mehrere Schweizer Versicherer haben sich zudem dort zu einem Elementarschadenpool zusammengeschlossen, um den enormen Risiken besser begegnen zu können und 80 Prozent der Schadenskosten zu tragen – seit dem Jahr 1936.