Der Ski-Weltverband kommt unter seinem umstrittenen Präsidenten Johan Eliasch nicht zur Ruhe. Nun haben sich Fronten zwischen der FIS und wichtigen Mitgliedsverbänden wie auch Deutschland wegen der Frage der künftigen Vermarktung weiter verhärtet.
Eiszeit im Hochsommer: Der zähe Kampf zwischen den großen Ski-Nationen und dem Weltverband FIS um mehr Macht und vor allem Geld eskaliert zunehmend. Inzwischen beschäftigen die immer weniger nachvollziehbaren Volten des ungeliebten FIS-Bosses Johan Eliasch sogar ordentliche Gerichte in mehreren Ländern.
Zentrale Vermarktung?
Auslöser der jüngsten Zuspitzung in der Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Nationalverbänden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und vier weiteren Ländern einerseits und Eliaschs Organisation andererseits ist die vor Kurzem handstreichartig verkündete Einverleibung von Medienrechten an allen Weltcup-Wettbewerben. Für die angestrebte Einführung einer Zentralvermarktung ab 2026 nach Vorbild der Formel 1 oder auch der Fußball-Champions-League mit der FIS an den entscheidenden Schalthebeln verspricht Eliasch vollmundig jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro. Entsprechende Vereinbarungen mit der Vermarktungsagentur Infront sollen auch schon geschlossen worden sein.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Laut jahrzehntealten Regularien gehören die internationalen Medienrechte an jedem einzelnen Wettbewerb grundsätzlich zunächst ausschließlich den ausrichtenden Nationalverbänden. Jede Änderung bedarf Absprachen, über die bis zur unerwarteten FIS-Bekanntgabe der künftigen Vermarktungsmethode bereits monatelang ohne jedes Zwischenergebnis verhandelt worden war.
Deswegen haben die brüskierten Verbände in den betroffenen Ländern nun gegen Eliasch mobil gemacht. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) etwa kündigte als Gegenmaßnahme seinen Gang vor ein einheimisches Handelsgericht an, und der Deutsche Skiverband (DSV) beantragte „zum Schutz von Eigentumsrechten“ beim Landgericht München eine einstweilige Verfügung gegen die FIS. In der Begründung für diesen Schritt stellte der DSV das FIS-Projekt als Enteignung dar und nannte den „beinahe gewaltsam“ und an den Verbänden vorbei gefassten Beschluss des Weltverbandes „rechtswidrig und deswegen unwirksam“. Darüber hinaus bekräftigte DSV-Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach die Auffassung, dass die FIS-Position „ein klarer Verstoß gegen das deutsche und europäische Wettbewerbs- und Kartellrecht“ darstelle.
Wenn die Lage mindestens so umstritten, wenn nicht sogar tatsächlich so eindeutig ist wie von den Nationalverbänden behauptet: Warum stürzt sich Eliasch nun schon wieder in einen derart verbittert geführten Kampf? „Weil die FIS die Rechte besitzt und vollumfänglich dazu berechtigt ist, damit zu handeln, wie wir es möchten“, sagte der schwedisch-britische Geschäftsmann in seiner gewohnten Mischung aus Selbstbewusstsein und Hybris. „Eliasch hat die Verhandlungen de facto abgebrochen, ohne dass wir informiert wurden, um in letzter Minute und auf Gedeih und Verderb eine vertraglich vereinbarte Deadline einzuhalten, die sich aus dem Agreement zwischen Infront und der FIS ergibt“, mutmaßt Schwarzbach.
Ungeachtet der blumigen FIS-Formulierung über die Zentralvermarktung, für die das Ampellicht „auf Grün“ stehe, sehen die Verbände längst rot. Um im Bild der FIS zu bleiben, sprach Schwarzbach zuletzt in einem Interview von einem „Start mit einem Fahrzeug ohne Reifen“. Der ÖSV beispielsweise hat seine Events, darunter natürlich auch die legendäre Herren-Abfahrt auf der „Streif“ in Kitzbühel und seine beiden Springen bei der Vierschanzen-Tournee in Innsbruck und Bischofshofen, bis eben 2026 längst schon in Eigenregie zu Geld gemacht.
Für alle Seiten vernünftige Lösung
Der schwer imageschädigende Streit scheint bei genauerer Betrachtung allerdings überflüssig wie ein Kropf. Denn der DSV und seine Mitstreiter sind einer Zentralvermarktung prinzipiell keineswegs abgeneigt, pochen angesichts von Eliaschs bisherigen Fehlschlägen und alles andere als transparenter Amtsführung für den Verzicht auf ihre Rechte im Gegenzug auf verbindliche Garantieerklärungen der FIS für Mindesthöhen künftiger Überweisungen. „Wir sind weiter an einer für alle Seiten vernünftigen Lösung interessiert und wollen uns wie bisher konstruktiv einbringen“, stellte Schwarzbach schon klar.
Die „G7“, zu denen neben den deutschsprachigen Ländern auch Norwegen, Schweden und Frankreich zählen, können ihre Kernforderungen in den Gremien gegenüber Eliaschs Gefolgsleuten mit gehörigem Gewicht vertreten. Insgesamt nämlich richten die „Rebellen“ im Weltcup-Kalender bisherigen Zuschnitts 65 Prozent der Rennen aus. Das entspricht fast zwei von drei Wettbewerben. Ohne Absicherung ihrer Mittel, die auch der DSV bisher für Aufbauarbeit im Nachwuchs und die ebenfalls wichtige Ausrichtung von Events in weniger publikums- und medienträchtigen Disziplinen nutzt, dürften die Verbände ihre durchaus machtvolle Position kaum räumen.
Vorstellbar ist allerdings inzwischen auch eine Abspaltung. Sollte die FIS nicht wieder zurückrudern und die Verhandlungen nicht mit akzeptablen Gepflogenheiten wieder aufnehmen, droht die Gründung von Super-Serien unter Regie der Eliasch-Kritiker. Das Modell einer solchen Revolution weckt Erinnerungen an den gescheiterten Umsturzversuch im europäischen Fußball durch die Super League, ist nach Schwarzbachs Angaben jedoch „aktuell nicht Gegenstand der Diskussion“.
Doch von vornherein auf das Druckmittel einer privaten Wettkampf-Reihe verzichten mag der einflussreiche DSV-Funktionär wiederum auch nicht: „Es gibt natürlich Alternativszenarien, über die wir gegebenenfalls sprechen werden. Aber das muss natürlich im Schulterschluss mit den anderen Ski-Verbänden geschehen.“ Was Schwarzbach dabei unerwähnt ließ: Die eingeforderte Einigkeit aller wichtigen Verbände besteht in der Ablehnung von Eliaschs Allmachtsfantasien schon.
Der FIS-Präsident, in Personalunion auch Boss des auch im Wintersportsegment tätigen Sportartikelherstellers Head, hat durch seine Vorstellungen von einer lukrativeren Vermarktung nicht zum ersten Mal in seiner gerade einmal dreijährigen Amtszeit für mächtig Wirbel in der FIS-Familie gesorgt. Insgesamt hat sich die FIS unter der Führung des 62-Jährigen zu einem unberechenbaren Faktor für den größten Bereich der Wintersport-Szene entwickelt – zum Nachteil des Sports.
Unseriöse Geschäftsmethoden
Seit seinem Amtsantritt bringt Eliasch die FIS-Mitgliedsverbände gegen sich auf. Dabei sind nicht, wie bei den meisten Reformen Beharrungskräfte das Problem des FIS-Chefs, sondern aufgrund oft unseriöser Geschäftsmethoden zunehmende Zweifel auch an seiner Integrität – auch weil sein eigenes Unternehmen von einem umstrittenen und fragwürdigen Ausrüster-Deal mit der FIS profitierte. Außerdem haben Eliaschs Expansionspläne wie das Projekt von Weltcup-Rennen am berühmten Matterhorn mit Starts auf Schweizer Seite und Zielankünften in Italien der Glaubwürdigkeit der Alpinen bei ihren Bemühungen um umweltschonende Wettbewerbe schwere Schäden zugefügt.
Wenig überraschend formiert sich mittlerweile außer auf den Funktionärsetagen auch in Reihen der Prominenz Widerstand gegen Eliasch. Der deutsche Doppel-Olympiasieger Markus Wasmeier machte denn auch jüngst kein Hehl aus seiner Kritik an dem FIS-Boss: „Alles, was er geplant hat, ist gescheitert. Alles, was er vorhat, wird scheitern. Er nimmt die Verbände nicht mit, er scheint vieles nicht zu verstehen, es ist echt eine Katastrophe“, schimpfte „Wasi“. Den Schlierseer macht skeptisch, dass der Unternehmer nicht aus dem Skisport komme und „alles von der geschäftlichen Seite her“ betrachten würde: „Diese ganze Konstellation mit seinen Interessenkonflikten als Verbands- und als Unternehmenschef finde ich schon von Grund auf höchst zweifelhaft, und dieser ganze Führungsstil ist eine Unart.“
Auch einen Mangel an Klimabewusstsein bei der FIS kreidet Wasmeier Eliasch an: „Bei der FIS hat man das Gefühl, dass es da nach dem Motto geht: Wir machen die Pläne, und die Natur muss sich danach richten. Das allein ist schon ein Wahnsinn und eine irre Verschwendung von Energie.“