Tausende Exil-Iraner haben in Berlin gegen die Wahlen demonstriert. Der ehemalige Wirtschafts- und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) bemüht sich seit Jahrzehnten um gute Beziehungen zum Iran, spart aber nicht mit Kritik am Mullah-Regime.
Herr Altmaier, wie bewerten Sie die jüngsten Parlamentswahlen im Iran, wo es ja nun zu einer Stichwahl kommen wird?
Das Problem im Iran ist, dort gibt es ständig irgendwelche Wahlen, aber diese sind mit den Wahlen bei uns hier in Europa in keiner Weise vergleichbar. Es fängt ja schon damit an, dass die Mullahs entscheiden, wer überhaupt kandidieren darf und vor allem, wer nicht. Dazu kommt, der gesamte Wahlprozess ist mehr als undurchsichtig, es gibt keine internationalen Beobachter, die sind überhaupt nicht zugelassen. Damit kann das Regime in Teheran den Wahlgang ganz nach ihrer Meinung beeinflussen. Das alles führt dazu, dass die Wahlen für meine Begriffe völlig manipuliert werden können.
Aber nun kommt es ja zur Stichwahl zwischen einem Gemäßigten und einem erzkonservativen Hardliner, alles deutet daraufhin, dass der gemäßigte, prowestliche Kandidat gewinnen könnte?
Das Problem ist, selbst wenn der gemäßigte Kandidat die Präsidentschaftswahl gewinnen sollte, dann heißt das noch lange nicht, dass sich im Iran politisch irgendetwas ändert. Denn da gibt es den Wächterrat und der achtet sehr genau darauf, was die sogenannte parlamentarische Führung dort macht. Es werden also Wahlen abgehalten, doch das Mullah-Regime wird weiterhin regieren. Das mussten wir in den letzten 40 Jahren immer wieder erleben. Reformen sind für meine Begriffe auch mit einem gemäßigten Präsidenten wie Massoud Peseschkian, der überraschend fast 43 Prozent der Stimmen erlangt hat und in die Stichwahl geht. nicht zu erwarten. Auch wenn das viele hoffen, dass tut mir für die Iraner leid, die ihn gewählt ha-ben, aber das lehrt uns nun mal die Erfahrung.
So bitter es klingt, aber damit könnte man sich doch die ganzen Wahlen im Iran auch sparen?
Nein, man darf die Menschen, die dort leben, nicht entmutigen. Fast 43 Prozent für einen Reformer bei der Präsidentenwahl sind ein Zeichen für die iranische Gesellschaft, so wie auch die vielen Demonstrationen, die es nach dem Tod der jungen Frau im Polizeigewahrsam vor zwei Jahren gegeben hat. Aber das Regime in Teheran ist für meine Begriffe nicht reformfähig. Das zeigt zum Beispiel die Zahl der Todesurteile im Iran. In keinem Land weltweit werden so viele Menschen hingerichtet wie im Iran. So ein Regime, in dem ultraorthodoxe Religionseiferer die Staatspitze bilden und sich ein Parlament als demokratisches Schmuckwerk halten, ist einfach nicht reformierbar. Aber wir dürfen den Iran dennoch nicht aufgeben.
Heißt das, wir sollten zum Beispiel die diplomatischen Beziehungen zum Iran eigentlich abbrechen?
Nein, um Gottes Willen, wir dürfen auf keinen Fall den Kontakt nach Teheran verlieren. Damit würden wir die vielen Millionen Menschen im Stich lassen, die mit dem System ebenso unzufrieden sind wie wir auch. Dazu kommt, wir haben momentan geostrategisch so viele Aufgaben und Anforderungen, dass hier eine kluge Außenpolitik gefragt ist und dazu gehört der Dialog auch mit dem Mullah-Regime. Sie dürfen auch nicht vergessen, bei uns leben sehr viele Exil-Iraner, die weiterhin, Kontakt mit ihren Angehörigen in ihrer alten Heimat halten. Ich glaube, diese Menschen, die teilweise seit 50 Jahren bei uns leben, hätten wenig Verständnis dafür, wenn Deutschland plötzlich alle diplomatischen Kanäle einfrieren würde. Damit wäre im Übrigen niemanden geholfen. Der Iran ist auch ein Handelspartner für uns und auch über diesen Weg kann man für die Menschenrechte etwas erreichen. Das ist ein schwieriger Weg, das weiß ich, aber Dialog, so schwierig er auch sein mag, ist immer noch besser als eine Totalblockade. Gerade wir Deutschen haben dies ja aus unserer eigenen Geschichte gelernt. Eine Wiedervereinigung hätte es vermutlich in dieser Form nicht gegeben, hätte sich die Bundesrepublik jeglichen Dialogs mit der DDR verschlossen.
Es gibt ja immer wieder Demonstrationen im Iran für Menschenrechte, Sie haben es gerade angesprochen. Von deutscher Seite ist da wenig bis gar nichts zu hören.
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr deutsche Politiker, egal welcher Fraktion im Bundestag, eindeutig positionieren. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung eine feministische Außenpolitik verkündet und wenn es darauf ankommt, ist von der deutschen Außenministerin nichts zu hören. Das ist ein dualer Weg, den wir da gehen müssen, zum einen selbstverständlich auf dem diplomatischen Weg im Gespräch bleiben mit dem Mullah-Regime in Teheran, aber auch den Menschen, die vor dieser Diktatur hier zu uns nach Deutschland geflohen sind, unsere Solidarität signalisieren. Das müssen vor allem die aktiven Politiker, zum Beispiel im Bundestag, machen.
Der Iran will zu einer Atommacht werden, die Forschung geht klar in die Richtung. Glauben Sie wirklich, mit Diplomatie lässt sich die Entwicklung aufhalten?
Das ist dann tatsächlich ein Dreiklang aus Diplomatie, aus wirtschaftlicher Zusammenarbeit und dann auch internationalem Druck zum Beispiel über die Vereinten Nationen. Sie haben Recht, allein mit Appeasement werden wir nicht weiterkommen. Der Iran möchte die Atombombe bauen und das Land wird alles dransetzen, dies auch tatsächlich zu bewerkstelligen. Das gilt es zu verhindern. Beim Iran handelt es sich nun aber auch um einen Global Player, also ein Land, das zum Beispiel beste Beziehungen zu Moskau pflegt. Wir wissen, dass viele Waffen, die derzeit von den russischen Streitkräften gegen die Ukraine eingesetzt werden, aus dem Iran stammen. Die Rolle des Iran im jüngsten Gaza-Konflikt ist nicht ganz ersichtlich, aber die Hamas wird sicherlich auch Unterstützung aus Teheran bekommen haben. Dann ist da der Libanon mit der Hisbollah, die ebenfalls vom Iran unterstützt wird. Also wir haben es mit keinen ganz einfachen Staat zu tun, aber ich warne davor, jeglichen Kontakt mit dem Mullah-Regime abzubrechen. Der Iran ist selbst im arabischen Raum mittlerweile isoliert, Jordanien oder der Irak haben sich bereits abgewandt.