Christof Meueler hat fünf Jahre nach dem Tod von Wiglaf Droste ein Buch über das Leben des Schriftstellers und Satirikers veröffentlicht.
Es gibt einfachere Orte in Berlin, um ein Buch vorzustellen. Aber Klaus Bittermann und Christof Meueler haben sich für die „Fahimi Bar“ entschieden. Vielleicht, weil sie über einen Menschen reden wollen, der auch nicht einfach war. Einen Menschen, der eine Weile lang sehr präsent war hier in Kreuzberg: Wiglaf Droste, den Mann, den die, die ihn mochten, und die, die ihn hassten, gleichermaßen den „Scharfdichter“ genannt haben.
Die „Fahimi Bar“ liegt am Kottbusser Tor, einer Gegend, in der man an manchen Tagen das Gras bereits riecht, wenn man noch im Untergrund ist. Sobald einen der Strom von Menschen, die den unterirdischen Teil des Bahnhofs verlassen, an die Oberfläche gespült hat, warten dort aber keine grünen Wiesen. Gras ist hier das Zeug, das geraucht wird.
An dem Abend, an dem Klaus Bittermann und Christof Meueler „Das Leben des Wiglaf Droste“ in Erinnerung rufen wollen, mischen sich am Kotti Beats aus einen Ghettoblaster in den Cannabis-Geruch. Wer in der Einfahrt zu einem Parkplatz auf einen Mann trifft, der sich gerade eine Spritze in den Arm drückt, hat den Eingang zur „Fahimi Bar“ übersehen.
Die Tür in der besprühten und mit Plakaten tapezierten Wand ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Das Treppenhaus hinauf in den ersten Stock zur Bar wirkt trostlos. Die Bar hinter der Tür verspricht dagegen Trost. Klaus Bittermann hat hierher eingeladen, um mit Autor und Journalist Christof Meueler ein neues Buch aus seinem Verlag „Edition Tiamat“ vorzustellen. Einer der Verlage, in denen auch Wiglaf Droste veröffentlicht hat. Wiglaf Droste hat auch zeitweise bei Klaus Bittermann in Berlin gewohnt.
Ein begnadeter Wortakrobat
Auch für Christof Meueler ist der Scharfdichter kein Fremder. Als der Journalist 1997 zur „Jungen Welt“, einer linken Zeitung, die bis zur Wende das offizielle „Organ des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend (FDJ)“ gewesen ist, kam, war Wiglaf Droste schon da. Bevor Meueler, der inzwischen das Feuilleton des „Neuen Deutschland“ leitet, über Droste aus dem Nähkästchen plaudert, kommt er erstmal auf Kinky Friedman zu sprechen.
Der jüdisch-texanische Krimiautor, der 2005 in Texas für das Amt des Gouverneurs kandidierte, war 1998 zu seinem ersten Deutschland-Besuch in Berlin. Wiglaf Droste lernte ihn dort kennen und beschrieb ihn anschließend als „taff, ohne blöde cool zu sein, er pfiff auf Konventionen und kannte die Menschen“. In „Greenwich Killing Time“, Friedmans erstem Krimi, der ins Deutsche übersetzt wurde und den Wiglaf Droste als Hörbuch eingelesen hat, schreibt er ganz am Anfang: „Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, paffte ein wenig und versuchte, die Welt einfach so in Schach zu halten.“ „Das war der Sound, der Wiglaf imponierte“, weiß Meueler. Denn Wiglaf Droste hatte danach selbst geschrieben: „Ja, das war es: die Welt in Schach halten.“
„Die Welt in Schach halten“ hat Christof Meueler sein Buch über – wie es im Untertitel heißt – „Das Leben des Wiglaf Droste“ betitelt. Fünf Jahre ist er nun schon tot: Wiglaf, der „Rockstar der Literatur“, wie ihn der Verlag nennt, der aber noch viel lieber ein echter Rockstar geworden wäre. Immerhin, er hat in Bands gesungen, bei den „Spardosen“ zum Beispiel, hat sich Gelegenheits-Sänger genannt und hat irgendwann für eine Weile das erste Wort dieser Kombination weggelassen, weil ihm das, was er da tat, professionell genug erschien, um wirklich zu behaupten, er sei Sänger.
Journalist wollte er lieber nicht genannt werden, obwohl er für einige Zeitungen schrieb – unter anderem für die „Junge Welt“, das „Neue Deutschland“, die „Taz“ und das Satiremagazin „Titanic“. Auch dass man ihn oft als Satiriker bezeichnete, gefiel ihm nicht wirklich. Schriftseller wollte er sein – und war es auch.
Der Mann war ein Meister der deutschen Sprache. Er ist in seinen Büchern „in 80 Phrasen um die Welt“ gereist, hat ein „Vollbad im Gesinnungsschaum“ genommen und „Bombardiert Belgien!“ gefordert. Wiglaf, der sich als Schriftsteller verstand und nicht als Satiriker, auch wenn er als solcher immer bezeichnet wurde, hat „Brot und Gürtelrosen und andere Einwürfe aus Leben, Literatur und Lalala“ serviert und sich gefragt: „Wasabi dir nur getan?“ Und er wünschte sich: „Begrabt mein Hirn an der Biegung des Flusses.“
Wiglaf Droste hat zusammen mit dem Spitzenkoch Vinzent Klink die Zeitschrift „Häuptling eigener Herd“ geschaffen und sich dem Genuss hingegeben. Er hat es aber auch geschafft, dass Feldjäger der Bundeswehr, die er konsequent Wehrmacht nannte, ihn wegen Beleidigung verklagt haben. Er hat sich mit der alten Kirche, neuen Nazis und linken Gesinnungsgenossen angelegt – ach was: Er hat sich mit fast jedem angelegt. Feministinnen haben versucht, seine Lesungen zu verhindern, Autonome und Antifa waren der Meinung, dass so jemand wie er keine Bühne betreten dürfe und haben Eimer mit Fäkalien vor Veranstaltungsorten geleert.
Am Ende war der Alkohol stärker
„Wiglaf war als Satiriker und Polemiker gefürchtet. Doch er beherrschte als Lyriker und großer Stilist auch die leisen Töne“, schreibt sein Biograf. Durch die weniger leisen Töne hat er es geschafft, dass sich Redaktionen von ihm trennten – oder er sich von ihnen. Wobei sein zunehmender Alkoholismus, der ihn schließlich auch das Leben kosten sollte, das Arbeiten mit ihm noch schwieriger machte. Der Mann, der es schaffte, Säle mit Menschen zu füllen, die ihm lauschen wollten, wurde unzuverlässig. Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Im Nachhinein, also als klar war, wie sehr der Alkohol Wiglaf Droste im Griff hatte, schreibt Meueler, hat man in seinen Texten sehen können, welche Bedeutung diese Droge für ihn hatte.
Dabei wollte sich der Dichter nicht zu Tode trinken, er hat versucht, dem zu entkommen. Durch viele Gespräche mit Weggefährten, Partnerinnen und Freunden Wiglaf Drostes habe er „einen Menschen entdeckt, der von einem unbändigen Willen nach Leben getrieben war, der immer alles wollte, als gäbe es kein Morgen“.
Am 15. Mai 2019 war dieses Leben zu Ende. Wiglaf Drostes Tod schaffte es sogar in die „Tagesschau“, in der Sprecherin Susanne Daubner vorlas: „Sein Wortwitz war nicht nur lustig, sondern auch bitterböse. Der Satiriker und Autor Wiglaf Droste ist mit 57 Jahren gestorben.“ Ein wildes Leben war zu Ende gegangen. Ein Leben, das eine von Meueler zitierte Lebensgefährtin Wiglaf Drostes so zusammenfasst: „Wiglaf brauchte Bestätigung, Liebe und Lärm.“