Borussia Dortmund hoffte, den idealen Trainer gefunden zu haben. Doch nach zwei Jahren ist schon Schluss. Aber auch der neue trägt die BVB-DNA in sich.

Hans-Joachim Watzke hatte eine große Sehnsucht. Im Kopf des Club-Chefs von Borussia Dortmund war wohl schon eine ganze Weile klar, dass er in diesem Sommer nach rund 20 Jahren seinen Rückzug ankündigen wird. Watzke ist zwar noch bis Ende 2025 da, aber hat in Lars Ricken längst einen Nachfolger für sich berufen. Und er wollte den Verein übergeben mit einem neuen Jürgen Klopp. An dem wurden seit dem Abschied 2015 alle anderen BVB-Trainer gemessen. Irgendwie auch von Watzke. So musste zum Beispiel Marco Rose nach nur einem Jahr trotz der Vize-Meisterschaft gehen.
Ein neuer Jürgen Klopp
Für ihn holte Watzke Edin Terzic zurück. Denn den hatte er längst auserkoren, Dortmunds Trainer für die Zukunft zu sein. Sein Kommilitone Hannes Wolf hatte ihn 2010 in den Verein gebracht, als seinen Assistenten bei der A-Jugend. Terzic ist ein BVB-ler durch und durch, stand lange in der Kurve. Als Jugendtrainer in Dortmund und Assistent von Slaven Bilić bei Besiktas Istanbul und West Ham United sowie dann beim BVB von Lucien Favre hatte er einiges an Erfahrung gesammelt. Und als er 2020 als Nachfolger von Favre zum Chef aufrückte und nach anfänglichen Schwierigkeiten am Saisonende den DFB-Pokal holte, schien bei Watzke die Erkenntnis zu reifen, dass dieser Terzic der ideale BVB-Trainer sein muss. Ganz unabhängig davon, dass die beiden menschlich ein sehr inniges Verhältnis pflegen.
Doch Rose war schon verpflichtet. Also wurde Terzic zum technischen Direktor hochgelobt. Galt ein Jahr lang als Schatten-Trainer. Und es überrascht wenige, als Terzic ein Jahr später wiederum Rose beerbte. Formell waren die beiden Jahre unter ihm als Cheftrainer auch halbwegs erfolgreich. Im Vorjahr verspielte der BVB erst durch ein 2:2 am letzten Spieltag daheim gegen Mainz als Tabellenführer den Meistertitel. In dieser Saison wurde eine enttäuschende Bundesliga-Spielzeit mit Rang fünf durch den fast schon sensationellen Einzug ins Champions-League-Finale gegen Real Madrid (0:2) kaschiert.
Dennoch stand Terzic fast die gesamte Amtszeit auch in der Kritik. Und das aus mehreren Gründen und von mehreren Seiten. Die Fans liebten den Jungen aus der Kurve eigentlich, doch als er angesichts der mannschaftlichen Gegebenheiten mit dem Leitspruch „Weniger sexy, mehr Erfolg“ vom Dortmund-typischen Spektakel-Fußball abrückte und Pragmatismus pries, kamen Zweifel. Zumal sich der Erfolg über das Jahr hinweg eben meist nicht zeigte.
Vieles hatte sich verselbstständigt

Zudem gab es nach Berichten mehrerer Medien immer wieder Kritik aus der Mannschaft. Weltmeister Mats Hummels soll in den letzten Wochen sinngemäß sogar eine „Terzic oder ich“-Haltung eingenommen haben. Verbrieft ist ein durchaus als trainer-kritisch zu wertendes Interview kurz vor dem Champions-League-Finale, das im Verein nicht gut ankam. Doch Hummels beteuerte in den sozialen Medien auch: „Glaubt nicht alles, was die letzten Tage so zu lesen war. Da waren sehr viele Un- und Halbwahrheiten dabei.“ Am Ende trennte sich der BVB von beiden.
Watzke hatte lange um seinen Zögling Terzic gekämpft. Viel mehr vielleicht als nötig. So überzog er, als er vor der vergangenen Saison auf die Frage nach der Zukunft von Terzic antwortete: „Wir gehen die nächsten Jahre den Weg mit Edin Terzic. Punkt aus.“ Dass er dem Trainer, der gerade immerhin so nahe wie lange zuvor keiner am Meistertitel geschnuppert hatte, so übertrieben den Rücken stärkte, weckte manche Geister. Wem stellte sich Watzke da entgegen? Und dass er das Leistungsprinzip gleich mal für die Zukunft aussetzen wollte, sorgte auch für Kopfschütteln. Zumal die Hinrunde alles andere als gut lief. Und man hatte den Eindruck, der ein oder andere übte auch deshalb Kritik an Terzic, um zu zeigen, dass er sich diese nicht verbieten lasse.
Also erklärte der Club-Chef im Winter: „Ich weiß nicht, ob ich das noch mal so sagen würde.“ Was viele dann wiederum als Abrücken vom Trainer werteten. Am Saisonende schließlich gestand Watzke ein: „Ich weiß, wie diese Aussage gemeint war, aber am Ende hat sie die Diskussion um Edin wohl mehr befördert, als dass sie den Effekt gehabt hätte, der mir vorschwebte – nämlich für Ruhe zu sorgen. Deshalb würde ich es heutzutage vielleicht nicht mehr machen.“ Doch da hatten sich viele Dinge schon verselbstständigt. Auch Terzic schien frustriert und zermürbt. Und so änderte am Ende selbst der Einzug ins Champions-League-Endspiel nichts mehr daran, dass sich die Wege nun trennen. Und Watzkes Vision, die Mannschaft mit einem Trainer zu übergeben, der eine Ära à la Jürgen Klopp prägen kann, war wieder einmal gescheitert.
Um Terzic vielleicht doch noch zu retten, hatte man im Winter die BVB-Ikonen Nuri Sahin und Sven Bender als zusätzliche Co-Trainer verpflichtet. Das zeigte insgesamt auch durchaus Erfolg, nicht allein wegen der Ergebnisse in der Königsklasse. Doch gleichzeitig hieß es nun immer, im gebürtigen Lüdenscheider Sahin, der für den BVB seinen Job als Trainer und „Head of Football“ genannter Sportchef beim türkischen Erstligisten Antalyaspor aufgab, habe Terzic seinen eigenen Schatten-Trainer. Zudem wurde ein altes Zitat hervorgekramt, wonach Sahin vor einigen Jahren erklärt hatte, es sei natürlich sein Traum, irgendwann BVB-Trainer zu werden. Das war sicher immer noch sein Traum. Doch man kann dem einstigen Dortmunder Meister-Spieler, der in seiner Karriere auch für die Welt-Clubs Real Madrid und FC Liverpool spielte, glauben, dass er das so schnell wohl nicht plante. Zumal er noch gar keinen für Deutschland gültigen Trainerschein hat, den er nun angeblich im Eilverfahren in Wales absolvieren will.

Nun ist Sahin also doch schon zum Trainer ernannt worden. Und Terzic ist es nicht mehr. Doch vielleicht macht es Sinn so. Terzic weg, Marco Reus und Hummels werden den Verein nach vielen Jahren verlassen, Watzke geht auf Raten – irgendwie sieht dann eben alles nach Neuanfang aus. Alles auf null.
Und Sahin ist ja eben auch eine absolute Vereins-Ikone. 2011, mit gerade 23, war er bei der ersten Meisterschaft unter Klopp, der vielleicht beste und wichtigste Spieler. Klopp ist sich nicht zuletzt deshalb auch sicher, dass Sahin ein guter Trainer wird. „Nuri ist mit 35 Jahren ein sehr junger Trainer, aber das war ich auch“, sagte er der „Bild am Sonntag: „Ich traue ihm auf jeden Fall zu, dass er nach seiner überragenden Karriere als Spieler auch ein Super-Coach wird.“
„Eine sehr schöne Zeit“
Vielleicht wird er endlich der neue Klopp? Mit Thomas Tuchel, Peter Bosz, Peter Stöger, Favre, Terzic und Rose haben sich in den neun Jahren seit dessen Abgang schon sechs Trainer versucht. Keiner blieb drei Jahre am Stück. So lange läuft aber nun erst mal Sahins Vertrag. „Wir sind überzeugt davon, dass Nuri der richtige Trainer für uns ist. Er hat sich in den vergangenen Jahren engagiert auf eine Trainerlaufbahn vorbereitet, wird seine neue Aufgabe mit viel Hingabe wahrnehmen und unsere Mannschaft weiterentwickeln“, sagte der neue Sportchef Ricken: „Nuri kennt den Verein, seine Mitarbeiter und die BVB-DNA sowohl als Spieler als auch als Co-Trainer.“ Das ist in Dortmund immer sehr, sehr wichtig. Weswegen Stallgeruch immer eine der wichtigsten Eigenschaften ist.

Dortmunds Kapitän Emre Can betonte derweil, dass es „eine sehr schöne Zeit“ mit Terzic gewesen sei, der ihn schließlich auch zum Spielmacher beförderte. Doch auch zu Sahin habe er „einen sehr guten Draht. Er ist ein unfassbar guter Trainer. Und er wird uns auf jeden Fall weiterhelfen.“
Sahin, der stolze 274 Pflichtspiele in Schwarz-Gelb absolvierte und dabei 26 Tore erzielte, betonte: „Wir werden vom ersten Tag an mit viel Energie und großer Leidenschaft alles dafür tun, um den maximal möglichen Erfolg zu haben.“ Sportdirektor Sebastian Kehl ist sich sicher, dass der neue Trainer sofort einschlagen wird. „Dank seiner natürlichen Autorität und seiner Expertise hat er einen sehr guten Zugang zu unserer Mannschaft und weiß, woran wir gemeinsam arbeiten müssen“, sagte er.
Herzblut wird Sahin genug haben. Doch das hatte Terzic auch. Dafür war Sahin der deutlich erfahrenere Profi. Ob er der neue Klopp wird, muss man abwarten. Doch noch mehr wert wäre es, wenn er einfach Nuri Sahin sein dürfte.