Am 16. Juli 1909 legte der Autopionier und bedeutende Konstrukteur August Horch mit der Gründung seines zweiten Kraftfahrzeug-Unternehmens den Grundstein für die heutige Weltmarke Audi.
Im Jahr 1929 beschloss August Horch zur finanziellen Absicherung seines Lebensabends auf dem von ihm im Jahr 1913 in seinem Geburtsort Winningen erworbenen Landgut „Distelberger Hof“ eine Hühnerfarm zu etablieren. Zur Verbesserung der Absatzmöglichkeiten seiner Produkte wollte er sogar eine Seilbahn über den Fluss auf die andere Mosel-Seite installieren lassen. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es auch dort längst Bauern gab, die ihm im Eierhandel Konkurrenz machen konnten. Es war eine geradezu groteske und letztlich auch sündhaft teure Idee, die ihm nur einen Schuldenberg von 30.000 Reichsmark einbrachte. Auch sein Anfang der 1940er-Jahre angegangenes Vorhaben, einen eigenen Wein erfolgreich am Markt zu etablieren, scheiterte. Diese beiden Projekte belegen in aller Deutlichkeit, dass August Horch in seiner beruflichen Laufbahn alles andere als eine klassische Unternehmer-Persönlichkeit war, da ihm alles kaufmännisch und kalkulatorisch Planerische völlig abging.
Erfinder- und Konstruktionsgenie
Seine große Stärke war sein Erfinder- und Konstruktionsgeist, der ihn neben Nikolaus Otto, Carl Benz oder Gottlieb Daimler zu einem der großen Pioniere des Kraftfahrzeugbaus in Deutschland machte. Am 16. Juli 1909 ließ er im Handelsregister der sächsischen Stadt Zwickau seine bereits zweite Firma, die August Horch Automobilwerke GmbH, registrieren. Wegen juristischer Streitigkeiten um die Namensgebung musste diese allerdings am 25. April 1910 in Audi Automobilwerke GmbH umbenannt werden. Damit schaffte Horch die Keimzelle des heutigen Ingolstädter Vorzeige-Unternehmens im gehobenen Preissegment.
Allerdings zog er sich bereits zehn Jahre später vom Tagesgeschäft seiner Firma komplett zurück und konnte aus seinem Berliner Domizil nur hilflos aus der Ferne den kontinuierlichen Niedergang seines Zwickauer Audi-Werks beobachten. Im Jahr 1928 wurde es von der auf die Produktion von Kleinwagen und Motorrädern spezialisierten und vor allem durch die Marke DKW bekannt gewordenen Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG übernommen. Weitere vier Jahre später gingen dann beide Unternehmen in der neu gegründeten Auto Union AG auf, zu der unter dem prägnanten Fusionssymbol der vier Ringe dann auch noch die Zwickauer Horchwerke AG und das moderne Fahrzeugwerk der Wanderer-Werke AG in Siegmar bei Chemnitz gehörten.
August Horch wurde am 12. Oktober 1868 im Moselstädtchen Winningen als Sohn eines Schmiedes geboren. Ihm gelang ein bemerkenswerter sozialer Aufstieg. Nach Abschluss seiner Schulausbildung ging er bei seinem Vater in die Lehre und machte sich danach zwischen 1884 und 1887 auf die Walz. 1888 nahm er ein Studium im Fach Maschinenbau am Technikum Mittweida auf. Nach sechs Semestern Büffelei in der sächsischen Kleinstadt erhielt er 1891 seine erste Anstellung als Ingenieur im Schiffsmaschinenbau der Rostocker Werft. 1892 war er bei einem Leipziger Maschinenbau-Unternehmen tätig, wo er erstmals an der Konstruktion von Verbrennungsmotoren mitwirken konnte. Der entscheidende Schritt in seiner persönlichen Entwicklung wurde im Frühjahr 1896 der Wechsel zur damals weltweit größten Autofabrik von Carl Benz in Mannheim. Bereits vier Monate später wurde er vom Chef zum Betriebsleiter für den Motorwagenbau ernannt und war somit maßgeblich an der Produktion des „Benz Velo“, des ersten serienmäßig hergestellten Autos, beteiligt.
Als Geschäftsmann wenig erfolgreich
Im Laufe der Zeit entwickelte er eigenen Vorstellungen bezüglich eines modernen Automobils, das aus seiner Sicht vor allem leistungsstärker sein sollte als alle bislang gängigen Modelle. Da er mit seinen Visionen bei Benz allerdings kein Gehör fand, gründete er mit Unterstützung des solventen Tuchhändlers Salli Herz seine erste eigene Firma „A. Horch & Cie.“ in Köln-Ehrenfeld. Zunächst bot das Unternehmen nur Reparaturarbeiten für Kraftfahrzeuge an. Doch innerhalb eines Jahres gelang Horch die Entwicklung seines ersten eigenen Automobils, das noch wie eine Motorkutsche aussah. Allerdings war es schon mit einem von Horch zum Patent angemeldeten sogenannten Abreißgestänge ausstaffiert, mit dessen Hilfe das Anspringen des Motors erheblich beschleunigt wurde.
Zusätzlich verwendete Horch für seinen in Gestalt eines sogenannten Phaeton ohne schützendes Verdeck daherkommenden Motorwagen technische Neuerungen wie Kardanwelle, Reibungskupplung oder die Fertigung von Getriebe- und Differentialgehäusen aus Leichtmetall. Sonderlich leistungsstark war dieses für die Beförderung von vier Personen angelegte Auto mit seinen gerade einmal fünf Pferdestärken allerdings noch nicht. Das Fahrzeug wurde für 4.100 Mark zum Kauf angeboten und fand lediglich sechs Abnehmer. Damit durfte Horch gemäß seines Leitsatzes, „unter allen Umständen nur große, starke und gute Wagen“ bauen zu wollen, kaum zufrieden gewesen sein. Doch am Standort Köln-Ehrenfeld mangelte es an Fläche für eine große Produktionshalle – und vor allem auch an finanzstarken Investoren.
1907 Sechszylinder mit gewaltigen 65 PS
Als der Plauener Unternehmer Wilhelm Moritz Bauer ihm eine finanzielle Unterstützung anbot – verbunden mit dem Vorschlag eines Umzugs der jungen, kurz vor der Pleite stehenden Firma auf das Gelände einer ehemaligen Spinnerei im vogtländischen Reichenbach – zögerte Horch keine Sekunde. Die Produktion der ersten Wagen begann im März 1902, wobei es zunächst kaum Veränderungen im Vergleich zu den Kölner Vorgängern gab. Allerdings schaffte der Zwei-Zylinder-Motor inzwischen zwölf Pferdestärken. Doch schon bald konstruierte Horch einen Vier-Zylinder-Motor, der in eine kleinere und eine größere Karosse eingebaut wurde. Die Preise waren zwischen 3.500 und 16.000 Reichsmark angesiedelt. Für das Fahrzeug wurde unter anderem Chromnickelstahl als Werkstoff für Zahnräder verwendet. Die zwischen 1902 und 1904 verkauften Stückzahlen blieben zwar mit 40 bis 50 Exemplaren zunächst überschaubar, dennoch wurde die internationale Autowelt auf die Automobile von Horch aufmerksam.
Horch selbst, der sich übrigens nur einen Jahresverdienst von rund 5.000 Reichsmark gegönnt haben soll, wollte nun expandieren. Dafür verlegte er sein Unternehmen im Mai 1904 nach Zwickau und wandelte es in eine Aktiengesellschaft namens „A. Horch & Cie. Motorwagenwerke Aktiengesellschaft“ mit einem Grundkapital von 350.000 Reichsmark um. Horch selbst steuerte als Geschäftsführer und technischer Direktor mit 2.000 Reichsmark die geringste Einlage bei. Die Geschäfte liefen gut, bereits 1905 schrieb das Unternehmen schwarze Zahlen. Zusätzlich gelang es Horch, mit einem seiner Modelle 1906 die seinerzeit berühmte und nach dem glühenden Automobilisten Hubert von Komener benannte Tourenwagen-Rallye für sich zu entscheiden. Das hatte einen enormen Prestigegewinn zur Folge.
1907 präsentierte Horch mit dem Typ 26/65 seinen ersten Sechs-Zylinder-Motor, der mit einer für die damalige Zeit ungeheuren Leistung von 65 PS aufwarten konnte. Damit wurde die Herstellung von Luxusfahrzeugen begründet, die später zum Markenzeichen der Horch-Werke werden sollten. Da weitere Rennerfolge ausblieben, der wirtschaftliche Aufschwung des Unternehmens die hohen Gewinnvorstellungen der Aktionäre nicht gänzlich erfüllen konnte und es wohl auch unterschiedliche Auffassungen über die künftige Modellgestaltung gab, wurde Horch vom Aufsichtsrat im Juni 1909 aus seiner eigenen Firma gemobbt. Die wirtschaftliche Führung hatte er ohnehin bereits zuvor der kaufmännischen Leitung überlassen. Er musste seinen Posten als Geschäftsführer niederlegen und blieb nur noch als Konstrukteur für das Unternehmen tätig.
Finanziell immer an der Armutsgrenze
Kurzerhand gründete Horch in Sichtweite seines bisherigen Arbeitsplatzes am 16. Juli 1909 ein neues Unternehmen. Da die Horch-Werke ihm die Benutzung seines Familiennamens erfolgreich gerichtlich untersagt hatten, wählte er auf Anregung des Sohnes eines Mitarbeiters die lateinische Übersetzung. Aus dem Namen „Horch“ wurde so „Audi“. 1910 brachte Horch seinen ersten Audi-Wagen auf den Markt. Der ab 1912 hergestellte Typ C erzielte Erfolge bei Autorennen und wurde daher auf den Namen „Alpensieger“ getauft.
Nachdem auch seine neue Firma 1915 in eine Aktiengesellschaft, die Audi-Werke AG Zwickau, umgewandelt worden war und Horch daher kaum noch Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen ausüben konnte, verabschiedete er sich nach und nach aus dem aktiven Geschäft. Sein 1920 vollzogener Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat bedeutete de facto das Ende seiner Karriere als Mitgestalter des modernen Automobilbaus – auch wenn ihm 1923 noch die Einführung der Linkssteuerung zugeschrieben wurde.
Für Horch folgten drei Lebensjahrzehnte, die durch die Übernahme von diversen Ehrenämtern und die Verleihung von öffentlichen Auszeichnungen gekennzeichnet waren. Das alles half aber nicht, seine finanziell überaus prekäre Lage grundlegend zu verbessern. Am 3. Februar 1951 starb der Autopionier im oberfränkischen Münchberg, nachdem er in seinen letzten Lebensjahren von der in Westdeutschland wieder gegründeten Auto Union finanziell etwas unterstützt worden war.