Einen Fahrradhelm zu tragen ist in Deutschland nicht verpflichtend. Ratsam ist das jedoch genauso wie das Anlegen des Sicherheitsgurtes im Auto. Denn das Schutzpotenzial bei Unfällen ist hoch. Bei der Auswahl und beim Tragen kann man aber viel falsch machen. Ein vorbeugender Leitfaden.

Das Beispiel Australien hat es gezeigt: Dort führte man in den 90er-Jahren eine Helmpflicht für Fahrradfahrer ein. Die Folge: Schlagartig wurde weniger geradelt. Die Befürchtung, dass es sich hier ähnlich verhalten könnte, hat eine Helmpflicht in Deutschland bislang verhindert. Die Sicherheit von Bikern müsse vielmehr durch „eine fahrradfreundliche Infrastruktur, ein niedrigeres Verkehrstempo, mehr Schulterblick-Kontrollen und aktive Sicherheitstechnik für Lkw und Pkw gewährleistet werden“, schreibt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) auf seiner Website, und durch „Abbiege-Assistent, Notbrems-Assistent und Intelligente Geschwindigkeitsanpassung“. Doch hier wird’s politisch.

Unbestritten ist: „Jeder Fahrradhelm ist sicherer als keiner.“ So stellte es die Stiftung Warentest in ihrem jüngsten, gemeinsam mit dem ADAC durchgeführten Produkttest vom Frühjahr fest: „Oben ohne kann schon ein Aufprall mit zehn Stundenkilometern schwere Hirnschäden verursachen.“ Umkehrschluss: Wer den Kopfschutz trägt, kann Verletzungen wie solche verhindern oder abmildern. Bedingung dafür ist jedoch, dass der Helm qualitativ hochwertig ist und richtig sitzt. Schon beim Kauf sollte man darauf achten.
Jeder Fahrradhelm ist ein Kompromiss

Regel Nummer eins lautet: den Helm neu erwerben. Experten raten von Gebrauchtware ab. Selbst wenn das Produkt äußerlich unbeschadet ist, trifft das nicht unbedingt auf seine innere Konstruktion zu. Wer weiß am Flohmarktstand oder bei einer Kleinanzeige schon genau, ob der Helm unfallfrei ist oder nicht schon mal heftig auf den Boden geknallt ist? Beides kann seine Schutzfunktion beeinträchtigen.
Auch haben Helme ein gewisses Verfallsdatum: Der allgemeine Ratschlag lautet, ihn nach rund fünf Jahren Gebrauch auszutauschen, da sein Hartschaum aufgrund von Umweltfaktoren und auch Schweiß altert und porös wird. Mit Neuware erkauft man sich somit auch eine längere Nutzungsdauer – was den Aufpreis relativiert. Achten sollte man daher auf das Herstellungsdatum. Helme, in denen es nicht vermerkt ist, streicht man am besten aus der Auswahl wie auch solche, die nicht das GS-Siegel („geprüfte Sicherheit“) tragen. Jeder Helm, der in Europa in den Verkauf geht, muss zudem ein Zeichen haben, das auf seine Konformität mit der europäischen Norm EN 1078 hinweist. Sie enthält unter anderem Anforderungen an Werkstoffe, Konstruktion, Stoßdämpfungsvermögen, Haltbarkeit und Trageeinrichtung. Fehlt der Hinweis, gilt ebenso „Finger weg“.

Soweit die Grundvoraussetzungen. Was man wissen sollte: Jeder Fahrradhelm ist immer ein Kompromiss, bei dem zwischen Tragekomfort, Gewicht, Schutzfunktion und Belüftung abgewogen wird. Von daher ist es nicht unbedeutend, den Kopfschutz nach Einsatzzweck auszuwählen. So ist ein Rennradhelm leichter, besitzt aber eine dünnere Außenschale – aus Polycarbonat („Microshell“) – als ein schwererer, mit dickerer Hardshell ausgestatteter Alltagshelm oder Kinderhelm, der eher mal auf den Boden fällt. Egal ob dicker oder dünner – in die Schale wird bei der Produktion ein Hartschaumstoff gegossen, sogenanntes expandierendes Polystyrol, kurz EPS. Es fungiert im Ernstfall als Knautschzone, indem es Stoß- oder Bewegungsenergie absorbiert.

Den Helm testweise unbedingt aufsetzen ist eine weitere goldene Regel vor dem Kauf. Passt der Kopfumfang zur Größenangabe des Herstellers, der den üblichen Kürzeln S, M und L Zentimeterangaben zuordnet, kommt man dem richtigen Modell ein entscheidendes Stück näher. Doch selbst dann kann man daneben liegen. Drückt es irgendwo oder fühlt sich unkomfortabel an, dann passt der Kopfschutz nicht zur Kopfform – obwohl der Umfang stimmt. Durchprobieren ist dann die Devise; das gilt vor allem auch für Brillenträger, denn nicht unter jedem Modell sitzen die Bügel noch bequem.
Schon bei der Anprobe ist richtiges Aufsetzen wichtig. Ein Helm gehört immer waagrecht auf den Kopf, zwischen Augenbrauen beziehungsweise Nasenwurzel und Helm-Unterkante sollte ein bis zwei Fingerbreit Abstand bleiben. Mit dem Verstell-System im Nacken wird der Kopfring festgezogen – aber nicht zu fest, um Kopfschmerzen bei längerem Tragen vorzubeugen. Dann folgt ein Test: Bei starkem Kopfschütteln muss der Helm am Kopf bleiben, ohne dass der Kinnriemen dabei schon geschlossen ist.

Ob einem die Handhabung von Kinngeschirr und Riemen zusagt und später im Alltag nicht doch nerven könnte, checkt man am besten auch gleich ab. Wie diese sich einstellen und bedienen lassen, erklärt der Verkäufer oder die Verkäuferin und lässt sich im Zweifel in der Gebrauchsanweisung nachlesen. Grundsätzlich aber gilt: Locker sitzen sollten die Riemen, aber nicht schlabbern. Zwischen korrekt eingestelltem Kinnriemen und Kinn passt noch ein Finger. Die Y-Riemchen schließen die Ohren ein und laufen unter diesen zusammen, verstellt wird hier mit den Riemenverschlüssen. Praktisch am Kinn sind Magnetverschlüsse: Sie lassen sich auch einhändig bedienen.
Stimmen die Grundvoraussetzungen, kann man über das Zubehör nachdenken. Es gibt Regenhüllen und dünne Helmmützen zum Drunterziehen, die anders als dicke Wollmützen den perfekten Sitz nicht gefährden. Es gibt Adapter für Sportkameras. Bei Kindern ist auch die Optik entscheidend. Denn gefällt der Helm nicht, wird der Nachwuchs ihn nicht tragen, auch wenn er noch so gut sitzt.
Das Design ist noch aus einem anderen Grund wichtig: dem des Gesehenwerdens. Möglichst auffällig sollte der Kopfschutz sein, um Unfällen vorzubeugen. Die Stiftung Warentest rät zu Neongelb oder Neonpink, diese Farben erhöhten die Sichtbarkeit besonders im Morgengrauen und in der Dämmerung. Wer mit solch poppigen Farben nicht zurechtkommt, kann auch zum beleuchteten Helm greifen. LEDs am Hinterkopf, teils auch als Band gestaltet, das sich über die Seiten zieht, sorgen für leuchtende Radlerköpfe in der Dunkelheit. Dieses Sicherheitsplus bezahlt man aber auch mit einem Aufpreis, beleuchtete Helme sind teurer. Und man besitzt ein weiteres Gadget, bei dem man ans regelmäßige Aufladen der Akkus denken muss – das geschieht in der Regel per Mini-USB.
Für einfache Touren reichen City-Helme

Ein bisschen Wissen, wie Fahrradhelme konzipiert sind, schützt vor Fehlbenutzung: Denn konstruiert sind sie vor allem für typische Fahrradunfälle, bei denen Radler nach einem Frontalaufprall über den Lenker nach vorn fliegen. Weil Bikehelme die obere Schädelhälfte abdecken, sinkt das Verletzungsrisiko bei einem Stirnanprall um 90 Prozent, wie 2014 eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München ergab, die die Deutsche Versicherungswirtschaft (GDV) in Auftrag gegeben hatte. Andere Studien bestätigen die unter Umständen hohe Schutzwirkung. Die LMU-Studie zeigte aber auch: Bei Anprallen im Schläfenbereich sinkt das Verletzungsrisiko beim Tragen eines Helmes nur um wenige Prozent gegenüber Unfällen ohne Helm.

Daraus lernt man: Für andere Sportarten, die ebenfalls mit Helm betrieben werden, sind Fahrradhelme ungeeignet. Beim Reiten zum Beispiel enden Unfälle meist mit seitlichen Stürzen vom Pferd. Beim Inlineskaten fällt man oft nach hinten, für solche Stürze sind Fahrradhelme nicht gemacht. In beiden Fällen empfehlen sich Spezialhelme für die jeweiligen Sportarten, Fahrradhelme können das Verletzungsrisiko eher noch steigern.

Selbst unter den Fahrradhelmen gibt es auf bestimmte Sturzszenarien abgestimmte Bauformen. So decken Mountainbike-Helme mehr vom Nacken ab, weil bei Stürzen im Gelände dieser Bereich stärker gefährdet ist. Wer im Bikepark oder Downhill unterwegs ist, den schützen Full-Face-Helme mit fester Kinnpartie vor Verletzungen im Gesicht. Die Kinnbügel sind je nach Modell abnehmbar, denn bergauf sind sie verzichtbar. Um Verletzungen der Wirbelsäule vorzubeugen, kommen Neck-Brace genannte Nackenstützen zum Einsatz. Für Radtouren und -reisen eignen sich am besten City- oder Trekkinghelme.
Cityhelme stellten auch die Mehrheit im jüngsten Test der Stiftung Warentest. Das Ergebnis liest sich etwas ernüchternd, da nur drei von 14 Helmen die Note „gut“ bekamen, zehn schnitten mit „befriedigend“ ab, einer mit „mangelhaft“. Angelegt wurden allerdings strengere Prüfkriterien, als sie die DIN-Norm vorsieht. „Der seitliche Aufprall stellt für viele Fahrradhelme bei einem Unfall immer noch die größte Herausforderung dar“, sagt Axel Neisser, wissenschaftlicher Leiter für Verkehr bei der Stiftung Warentest. Doch die Kurve zeigt nach oben: Fahrradhelme sind in den vergangenen Jahren sicherer geworden. Neisser: „Heute gibt es kaum noch Helme, die die Schläfe aussparen.“ Und wer die Kürzel MIPS, SPIN oder Wave-Cel auf dem Helm liest, hat es mit Produkten zu tun, die Helmtechnologien an Bord haben, die Rotationskräften beim Aufschlag kompensieren sollen – ein weiteres Sicherheitsplus.