Sie sind eine hybride Kategorie von Hautpflegemitteln, die zwischen Kosmetika und Pharmazeutika angesiedelt sind. Obwohl Cosmeceuticals nicht verschreibungspflichtig sind, wird ihnen dank ihrer hochkonzentrierten Wirkstoffe ein höherer Beauty-Effekt als konventionellen kosmetischen Produkten zugeschrieben.
Die Schönen und Reichen Hollywoods schwören längst auf die sogenannten Cosmeceuticals, einem Begriff, den der renommierte US-amerikanische Dermatologe Dr. Albert Montgomery Kligman (1916-2010) bereits 1984 geprägt hatte, um eine hybride Kategorie im Spektrum zwischen Kosmetik und Pharmazie zu beschreiben. Seitdem wird mehr oder weniger einvernehmlich angenommen, so ein aktueller Beitrag im auf Biomedizin spezialisierten Online-Portal Europe PMC, „dass ein Cosmeceutical einen pharmazeutisch-therapeutischen Nutzen ausübt, aber nicht notwendigerweise einen biologisch-therapeutischen Nutzen“. Dr. Kligman hatte Cosmeceuticals als topische, also auf der Haut anwendbare Präparate angesehen, die zwar als Kosmetikum verkauft werden, aber Leistungsmerkmale aufweisen, die normalerweise Pharmazeutika vorbehalten sind.
Neue Generation von Pflegeprodukten
Inzwischen haben Cosmeceuticals die weltweite Hautpflegeindustrie erobert und revolutioniert, was größtenteils jedoch nicht recht ins Bewusstsein der Verbraucher gedrungen ist. Die Hersteller müssen sehr vorsichtig mit Werbeaussagen sein, weil diese laut der EU-Kosmetikverordnung im Unterschied zu Pharmazeutika keinerlei Heilversprechen enthalten dürfen, da hierfür unter anderem ein Eindringen der Wirkstoffe in den Blutkreislauf erforderlich wäre. Cosmeceuticals bewegen sich daher bislang auf einem gesetzlich ziemlich heiklen Pfad, der international noch nicht vollständig geregelt ist. In Europa und Japan werden Cosmeceuticals als eine Art Unterklasse von Kosmetika angesehen, während sie in den USA eher den Arzneimitteln zugeschrieben werden. In Europa dürfen sie daher wie herkömmliche Kosmetika nur oberflächlich auf der Haut wirken, um diese zu reinigen und zu verschönern, was eine kurzfristige Erhöhung der Attraktivität bewirken kann, ohne dabei jedoch die Struktur oder Funktion der Haut physiologisch grundlegend zu verändern. Arzneimittel hingegen sind sowohl in der EU als auch in den USA definiert als „ein Erzeugnis, das zur Diagnose, Linderung, Behandlung oder Vorbeugung von Krankheiten bestimmt ist oder dazu bestimmt ist, die Struktur oder eine Funktion des Körpers zu beeinflussen.“
Die Crux und der Erfolg der Cosmeceuticals bestehen nun aber genau darin, dass ihnen Effekte zugeschrieben werden, die über einfache kosmetische Verbesserungen der Haut weit hinausgehen. „Die praktischste Definition von Cosmeceuticals könnte sein,“ so der Europe PMC-Beitrag, „ein kosmetisches Produkt, von dem behauptet wird, dass es eine therapeutische Wirkung hat, die in der Lage ist, die Haut über den Zeitpunkt seiner Anwendung hinaus positiv zu beeinflussen.“ Diese Definition ist jedoch für die neue Generation von Hautpflegeprodukten noch völlig unverbindlich, da Cosmeceuticals bislang weder in der EU noch in den USA offiziell als spezielle Kategorie von Hautpflegeprodukten anerkannt sind. Dies erscheint angesichts der Tatsache verwunderlich, dass laut dem genannten Europe PMC-Artikel „fast 30 bis 40 Prozent der Verschreibungen eines Dermatologen weltweit ein Cosmeceuticum enthalten.“ Dies könnte als eindeutiger Beleg für die Wirksamkeit von Cosmeceuticals in pharmazeutisch-therapeutischer Hinsicht angesehen werden. Die Hersteller achten jedoch genau darauf, dass ihre Produkte keinesfalls die Grenze zu Medikamenten überschreiten, da sie sonst das strenge Arzneimittelgesetz umgehen würden. Deshalb dürfen sie ohne offizielle Zulassung und ohne teure klinische Studien rezeptfrei auf den Markt gebracht werden.
Dies spiegelt sich auch in diversen, jedoch rechtlich nicht verbindlichen Definitionen des Begriffs Cosmeceuticals wider. „Cosmeceuticals sind eine hybride Kategorie von Produkten,“ so das Gesundheitsportal DoveMed, „die zwischen Kosmetika und Pharmazeutika angesiedelt sind. Sie enthalten Wirkstoffe, die kosmetische Vorteile bieten und gleichzeitig potenzielle therapeutische Wirkungen auf die Haut haben. Im Gegensatz zu pharmazeutischen Medikamenten sind Cosmeceuticals nicht verschreibungspflichtig“. Oder das Frauenmagazin „Donna“: „Unter Cosmeceuticals versteht man Hautpflegeprodukte, die pharmazeutische Wirkstoffe in ähnlich hoher Konzentration wie Medikamente enthalten und in den Grenzbereich zwischen Kosmetik und Arzneimittel fallen. Der Name setzt sich aus den englischen Begriffen cosmetic (deutsch: Kosmetik) und pharmaceuticals (deutsch: Pharmazeutika) zusammen. In Deutschland werden Cosmeceuticals auch als Dermatokosmetik, Dermaceuticals oder medizinische Kosmetika bezeichnet. Sie enthalten die höchste zulässige Menge an pharmazeutischen oder wissenschaftlich entwickelten Wirkstoffen, um noch als Kosmetikprodukt durchzugehen.“
Das Produkt dringt tief in die Haut ein
Cosmeceuticals decken die gesamte Produktpalette der Hautpflege ab, von Cremes oder Seren bis hin zu Peelings oder Tonics. Sie versprechen, die verschiedensten Schönheitsmakel wie Falten, Altersflecken oder Pickel weitaus besser als konventionelle Kosmetikprodukte bekämpfen zu können, indem sie die Probleme an der Wurzel packen. Dies impliziert, dass ihr Wirkpotenzial nicht nur auf die Hautoberfläche beschränkt bleibt. Ihre Inhaltsstoffe sollen vermeintlich in tiefere Hautschichten eindringen und eine für Kosmetikprodukte eigentlich nicht zulässige Veränderung und Verbesserung der Hautstruktur bewirken können. Dies wurde jedoch vom Mainzer Dermatologen Dr. Wolfgang Klee gegenüber dem Magazin „Focus“ als bedenklich deklariert: „Sie dürfen keine pharmazeutische Wirkung entfalten. Sonst wären sie Arzneimittel.“
Das Magazin „Donna“ äußerte keinerlei Zweifel am wissenschaftlich bislang nur durch kleinere Studien und damit noch nicht ausreichend belegten Eindringen der Cosmeceutical-Wirkstoffe in tiefere Hautschichten: „Die Hersteller von Cosmeceuticals setzen Wirkstoffe ein, die so zusammengesetzt sind, dass sie tiefer in die Haut eindringen können als in herkömmlicher Kosmetik enthaltene Substanzen. Meist wird mit haut-identischen oder hautähnlichen Stoffen gearbeitet – zum Beispiel Lipiden, Enzymen, Proteinen, Vitaminen, Peptiden, Spurenelementen, Botenstoffen oder Antioxidantien. Vor allem pflanzliche Kosmetik setzt dabei häufig auf pflanzliche Stammzellen, Pflanzenkulturen oder Phytohormone. An folgenden Wirkstoffen erkennen Sie, dass es sich um ein Cosmeceutical handelt: Vitamine wie A (Retinol), C und E, Niacinamid (Vitamin B3), Proxylan (Zuckermolekül aus der Birke), Resveratrol, Salicylsäure oder Glycolsäure... Während beispielsweise eine herkömmliche Anti-Falten-Creme die sichtbaren Fältchen kurzzeitig mindert, weil die darin enthaltenen Silikone die Hautoberfläche aufpolstern, kann eine dermatokosmetische Creme in die Zellschicht gelangen, in der die Falten überhaupt erst entstehen. Bei regelmäßiger Anwendung können tiefenwirksame Cosmeceuticals akute Hautprobleme bekämpfen, aber auch eine vorbeugende Wirkung haben, indem sie etwa die Hautbarriere stärken.“
Cosmeceuticals setzen ihren Fokus vor allem auf das Anti-Aging und sollen die Zeichen der Hautalterung, wie feine Linien, Falten und Elastizitätsverlust reduzieren. Sie können daher Wirkstoffe enthalten, die die Kollagenproduktion fördern, die Hautstruktur verbessern und das Entstehen von Falten minimieren. Auch die Hautfeuchtigkeit, die Feuchtigkeitsversorgung und die Barrierefunktion der Haut können durch entsprechende Inhaltsstoffe wie Hyaluronsäure verbessert werden. Typische Anwendungsgebiete von Cosmeceuticals umfassen aber auch die Bekämpfung von Pigment- und Altersflecken, Hyperpigmentierung oder Hautschäden aufgrund von Umweltfaktoren wie UV-Strahlung oder Umweltverschmutzung. Vorbeugend können sie auch gegen Pickel, Mitesser oder Krähenfüße hilfreich sein, wofür Inhaltsstoffe wie die hautpeelenden Alpha-Hydroxysäuren (AHAs) eine gute Wahl sein können.
Die Wirkung kann individuell variieren
Auch wenn sämtliche Wirkstoffe aus medizinischer Sicht als unbedenklich angesehen werden können, sollten Cosmeceuticals aufgrund ihrer meist hohen Substanzkonzentration nicht ohne vorherige Konsultation eines Dermatologen oder einer ästhetischen Hautpflege-Praxis einfach aufgetragen werden. Ein sogenannter Epikutantest wird empfohlen, um etwaige allergische Reaktionen oder andere Hautempfindlichkeiten auszuschließen. Zudem wirken nicht alle Cosmeceuticals bei jedem gleich, weshalb ein personalisierter Ansatz mit Hilfe eines Dermatologen vor der Verwendung der im Vergleich zu herkömmlichen Kosmetika deutlich teureren Cosmeceuticals ratsam ist. Da einige Cosmeceuticals die Empfindlichkeit der Haut gegenüber der Sonne erhöhen können, ist es wichtig, täglich zusätzlich einen Breitband-Sonnenschutz zu verwenden.
Für Promi-Ladys wie Madonna, Uma Thurman, Cindy Crawford, Kim Basinger oder Renée Zellweger ist Geld für die hochpreisigen Cosmeceuticals natürlich kein Thema. Sie vertrauen vor allem auf Produkte der sogenannten Doctor Brands, bei denen promovierte Dermatologen als Entwickler oder Berater mitwirken. Einige bekannte Dermatologen haben bereits ihre eigenen Cosmeceutical-Produktlinien auf den Markt gebracht. Dr. Barbara Sturm oder Dr. Augustinus Bader haben ihre Marken zu ikonischen Luxuslabels im Beauty-Bereich gemacht. Es kommen ständig neue Doctor Brands hinzu, wie beispielsweise Dr. Sebagh, Dr. Kitzinger, Dr. Susanne von Schmiedeberg oder Dr. Brandt (der bevorzugte Dermatologe von Madonna). Doctor Brands sind jedoch keineswegs neu, schließlich wurde schon die klassische Nivea-Creme anno 1911 als Doktor-Creme vom Dermatologen Prof. Paul Gerson Unna gemeinsam mit dem Apotheker Oskar Troplowitz entwickelt. Damals hatte man jedoch auf die Vermarktung unter einem Doktor-Titel verzichtet.