Mike Tyson war in den 80er- und 90er-Jahren ein Sportstar. Auch danach sorgte er mit Skandalen für Schlagzeilen. Jetzt kehrt der einstige Box-Champion in den Ring zurück – aber warum?
Ende der 1980er-Jahre war Mike Tyson auf dem Höhepunkt seiner Karriere und einer der reichsten Sportler der Welt. Der Profiboxer konnte sich mit seinem vielen Geld fast alles kaufen – aber eben nicht alles. Einen ganzen Zoo nur für sich und seine Frau Robin öffnen zu lassen, das war kein Problem. Doch als Tyson in ein Gorilla-Gehege gehen und „dem Silberrücken die Nase einhauen“ wollte, sperrte sich der Mitarbeiter des New Yorker Zoos gegen diesen gefährlichen Wunsch. Auch die 10.000 US-Dollar, die ihm der prominente Besucher dafür bot, konnten ihn nicht umstimmen. Doch solche Erfahrungen hat Mike Tyson zum Zeitpunkt seines Lebens, als das Geld unaufhörlich zu fließen schien, nur selten gemacht. Meistens bekam er, was er wollte. Es war alles nur eine Frage des Preises.
So war es ihm auch möglich, in seiner Mega-Villa in Maryland mit sieben Schlafzimmern Löwen und Tiger als Haustiere zu halten. „Ein Freund von mir hat Autos importiert und wollte einen Handel mit Tieren aufziehen. Sein Vater hat Tiger und Löwen aufgezogen. Er sagte mir, wenn du einen von ihnen nimmst, ist das cooler als ein Ferrari“, sagte der einstige Schwergewichts-Weltmeister einmal über die Beweggründe. Er saß damals im Gefängnis und brauchte etwas, auf das er sich nach der Haft-Entlassung freuen konnte: „Ich sagte ihm: Bestell mir ein paar davon, ich bin in ein paar Monaten raus. Als ich dann aus dem Gefängnis kam, hatte ich zwei Jungtiere.“ Nachdem es mit einer Passantin einen schlimmen Vorfall gegeben hatte, bereute Tyson diese Anschaffung. Und nicht nur diese.
Medizinischer Schock im Flugzeug
Sein extravaganter Lebensstil holte ihn irgendwann ein, nachdem er mit dem Boxen keine Einnahmen mehr generierte. Nach eigener Aussage hat er in seinem Leben rund eine halbe Milliarde Dollar verprasst. „Ich wusste nicht, wie ich mit Geld umgehen sollte und noch weniger mit den Leuten, die sich wegen des Geldes um mich geschart haben.“ 2003 sei er pleite gewesen, die letzte Million auf seinem Konto habe er für seine Reha wegen Alkohol- und Drogenprobleme ausgegeben. Seitdem hat er sich durch Werbung und einige Beteiligungen an Firmen, wie die für Cannabis-Produkte, finanziell wieder etwas erholt, doch „Celebrity Net Worth“ schätzt Tysons aktuelles Vermögen „nur“ noch auf zehn Millionen US-Dollar. Und vor diesem Hintergrund ist womöglich die Frage, warum sich „Iron Mike“ in aller Herrgottsnamen im Alter von 58 Jahren noch mal ein Box-Comeback im Ring antut, besser zu beantworten.
Für den Kampf gegen den 31 Jahre jüngeren Youtube-Star und Profiboxer Jake Paul soll Tyson nach Experten-Einschätzungen rund 50 bis 100 Millionen Euro kassieren. Diese Wahnsinns-Summe wird möglich, weil ganz offensichtlich großes Interesse an dem Schlagabtausch der extrovertierten Stars am 15. November im 80.000 Zuschauer fassenden AT&T Stadium in Arlington/Texas besteht. In der Ticket-Vorverkaufsphase hat es einen regelrechten Run auf die Eintrittskarten gegeben, obwohl diese fast schon unverschämt teuer sind. Für das teuerste VIP-Ticket werden 1,85 Millionen US-Dollar fällig, in dem Preis sind aber auch unter anderem ein Selfie mit den beiden Haupt-Protagonisten sowie signierte Handschuhe inbegriffen. Möglich wird die Mega-Gage auch, weil in Streaming-Gigant Netflix ein zahlungskräftiger Medienpartner den Fight überträgt. Aber ist all das viele Geld und die große Aufmerksamkeit die Risiken wert?
Diese Frage wird nun noch häufiger gestellt, nachdem Tyson bei einem Flug von Miami nach Los Angeles einen medizinischen Schock erlitten hatte und der ursprünglich am 20. Juli geplante Kampf um vier Monate verschoben werden musste. Tyson war übel geworden, er fühlte sich schwindelig. Nach der Landung wurde er von Sanitätern an Bord des Flugzeugs behandelt und anschließend zur näheren Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht. Die Ärzte stellten ein Problem mit dem Magen fest, mit dem er schon früher zu kämpfen hatte. „Ich möchte meinen Fans auf der ganzen Welt für ihre Unterstützung und ihr Verständnis in dieser Zeit danken“, sagte Tyson in einer ersten Reaktion auf den Vorfall. Er war bewusst darauf bedacht, Spekulationen über seinen allgemeinen Gesundheitszustand im Keim zu ersticken: „Mein Körper ist insgesamt in besserer Verfassung als seit den 1990er- Jahren und ich werde bald wieder mein volles Trainingsprogramm aufnehmen.“
Allerdings empfahlen ihm die Ärzte, zunächst im Training kürzerzutreten. Das wiederum führte dazu, dass der Kampftermin gegen Paul verschoben wurde, denn beide Boxer sollten die gleichen Trainingsvoraussetzungen haben, bevor sie in den Ring steigen, teilte Veranstalter „Most Valuable Promotions“ als Begründung mit. Damit beide in der Lage seien, „auf höchstem Niveau gegeneinander konkurrieren zu können“. Für Paul scheint das kein Problem zu sein. „Neues Datum, der gleiche Ort, das gleiche Schicksal“, schrieb er in den sozialen Medien.
Ob sich Tysons Vorfreude auf den Kampf durch den gesundheitlichen Vorfall verringert hat, ist offen. Schon zuvor hatte er in einem Interview zugegeben: „Im Moment habe ich Todesangst. Aber je näher der Kampf rückt, desto weniger nervös werde ich, denn es ist Realität, und in Wirklichkeit bin ich unbesiegbar.“ Unmittelbar nach der Unterschrift auf den lukrativen Verträgen hatte sich der Ex-Champion begeistert gezeigt. „Ich freue mich sehr darauf, mit Jake Paul in den Ring zu steigen“, sagte Tyson: „Er hat sich im Laufe der Jahre signifikant als Boxer weiterentwickelt, also wird es interessant sein zu sehen, was der Wille und die Ambitionen eines ‚Jungen‘ in Kombination mit der Erfahrung eines GOAT bewirken können.“ GOAT gilt im Sport als Abkürzung für „Greatest Of All Time“ (Der Größte aller Zeiten). „Jetzt plane ich, ihn zu besiegen“, ergänzte Tyson.
Zuletzt hatte „Iron Mike“, wie Tyson wegen seines knallharten und oft erbarmungslosen Boxstils zu aktiven Zeiten genannt wurde, im November 2020 im Ring gestanden. Damals trat er in einem reinen Showkampf gegen den damals 51-jährigen Landsmann Roy Jones junior in Los Angeles an. Er endete unentschieden. Seinen letzten Profi-Kampf bestritt Tyson vor 23 Jahren, als er gegen den Iren Kevin McBride in der sechsten Runde ausgeknockt wurde. Der Fight gegen Paul soll als Profi-Kampf ausgetragen werden und geht damit auch in die Profibilanz Tysons ein, die aktuell bei 50:6 mit 44 Knockouts steht. Genehmigt wird der Kampf vom „Texas Department of Licensing and Regulations“, gekämpft wird über acht zweiminütige Runden in 14-Unzen-Handschuhen. Das macht es weniger gefährlich vor allem für Tyson. Ein Kopfschutz wird aber nicht getragen. „Ja, es ist ein autorisierter, echter Kampf“, sagte Tyson: „Ich habe nicht gescherzt, als ich sagte, dass es ein echter Kampf sein würde.“
K. o. im letzten Profi-Kampf
Wenn der Kampf aber kein Scherz und keine Show sein soll, was ist er dann? Für viele Boxfans ist es auch die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als der Boxsport noch schillernde Typen, gewachsene Rivalitäten und geschichtsträchtige Schlachten hervorbrachte. Und Mike Tyson verkörpert all das. Er war ein Naturtalent in seinem Sport, mit dessen Hilfe er dem Banden-Leben in Brooklyn entfliehen konnte. Alle seine ersten 19 Profikämpfe gewann er durch Knock-out, im Alter von nur 20 Jahren und 144 Tagen krönte er sich zum jüngsten Schwergewichtsweltmeister der Geschichte. Ein Jahr später hatte er als erster Boxer seiner Gewichtsklasse die Titel der drei großen Verbände auf sich vereint. Als „unumstrittener Weltmeister“ stieg er früh auf eine Stufe mit Box-Ikonen wie Muhammad Ali und Joe Louis auf.
Seine erste Niederlage kassierte Tyson 1990 gegen Buster Douglas, doch die Titel der Verbände WBC und WBA holte er sich später zurück. Dann aber gab es den K. o. gegen Evander Holyfield 1996 – und den berühmten Rückkampf ein halbes Jahr später. Tyson biss Holyfield im Innenfight ein kleines Stück des rechten Ohrläppchens ab und wurde vom Ringrichter disqualifiziert. Es war einer der größten Sport-Skandale der Geschichte mit entsprechenden Konsequenzen: Tyson wurde vorübergehend die Boxlizenz entzogen und er musste drei Millionen US-Dollar als Strafe zahlen. Zuvor hatte Tyson schon eine Gefängnisstrafe wegen Vergewaltigung abgesessen, Alkohol und Drogen begleiteten ihn fast während der gesamten Karriere. „Ich bin ein bad guy, habe viele schlimme Dinge gemacht und möchte, dass mir vergeben wird“, sagte Tyson einmal.
Vielleicht ist es auch die Sehnsucht nach Liebe und Aufmerksamkeit der Fans, die Tyson im hohen Alter zurück in den Ring treibt. Er will den Zuschauern jedenfalls eine große Show liefern. So, wie er es eigentlich in all seinen Kämpfen früher getan hatte. „Ich glaube nicht, dass er schneller ist als ich. Ich habe ein Youtube-Video von ihm gesehen, als er 16 war und seltsame Tänze macht“, sagte Tyson über Paul: „Das ist ein Kerl, der versuchen wird, mich zu verletzen, woran ich gewöhnt bin – aber er wird sich sehr irren.“
Paul, der sich zuerst einen Namen als Social-Media-Star machte und sich erst seit Kurzem als Profiboxer versucht, sieht in Tyson ein willkommenes – und vor allem höchst prominentes – „Opfer“. Er wolle sehen, „ob ich das Zeug dazu habe, einen der berüchtigtsten Boxer und größten Ikonen des Boxens zu schlagen“, sagte der 27-Jährige, der in sieben Profikämpfen bislang einmal verlor: „Mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden, und jetzt habe ich die Chance, mich gegen den größten Schwergewichts-Champion der Welt, den härtesten Mann des Planeten und den gefährlichsten Boxer aller Zeiten zu beweisen.“ Und auch: gegen einen 31 Jahre älteren Mann, der womöglich gesundheitliche Probleme mit sich schleppt.