Der Schriftsteller Truman Capote versorgt seine reichen Freundinnen in „Feud – Capote vs. The Swans“ mit Klatschgeschichten aus der High Society. Mit seiner süffisanten Boshaftigkeit ist er die exzentrische Diva des New Yorker Jetset. Bis er in Ungnade fällt.
Vor sieben Jahren hat der amerikanische Regisseur und Produzent Ryan Murphy („American Horror Story“) genüsslich die Feindschaft zwischen den Hollywood-Diven Joan Crawford und Bette Davis zelebriert. Jetzt läuft er mit der zweiten Staffel „Feud –
Capote vs. The Swans“ (Disney+) zu wahrer Meisterschaft auf. Unter der Regie des Hollywood-Veteranen Gus Van Sant („Milk“) werden wir Zeugen des traurigen Niedergangs des gefeierten Schriftstellers Truman Capote („Frühstück bei Tiffany“, „Kaltblütig“). Süchtig nach Anerkennung und Prestige und befeuert von Alkohol und Drogen sonnte sich Capote jahrelang im Abglanz der Reichen und Schönen. Vor allem für einen erlesenen Zirkel prominenter Damen – die „Schwäne“ – war er der amüsante Hofnarr, der mit Eleganz und Ironie die oberen Zehntausend der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn nahm.
Am liebsten traf Truman Capote (Tom Hollander) seine Schwäne – zu denen unter anderem sein Liebling Babe Paley (Naomi Watts) gehörte sowie das Model Nancy Slim Keith (Diane Lane), die Schwester von Jackie O., Lee Radziwill (Calista Flockhart) und die Modeschöpferin C. Z. Guest (Chloë Sevigny) – im New Yorker Nobelrestaurant „La Côte Basque“. Dort erzählte er ihnen mit seiner enervierenden Näsel-Stimme die neuesten Indiskretionen aus der Demi-Monde des Showbiz und der Politik. Capote saugte aber auch gierig die Sex- und Sucht-Geheimnisse auf, die seine champagnerseligen Schwäne freizügig zum Besten gaben. Eine blinde Vertrautheit, die den Schwänen einmal zum Verhängnis werden sollte.
Unverschleiertes „Ausgeplaudere“
Der Höhepunkt dieser glorreichen Ära der Dekadenz war der legendäre „Black and White Ball“, den Truman Capote zu Ehren seiner Schwäne 1966 im Plaza Hotel gab. Die handverlesenen Gäste durften nur mit Maske und in Schwarz und Weiß erscheinen. Jeder, der im mondänen Establishment etwas war, gierte nach einer Einladung. Capote prahlte später damit, er habe fünfhundert Freunde eingeladen und sich 15.000 Feinde gemacht – nämlich die, die nicht eingeladen waren. Die Schilderung der „Party des Jahrhunderts“, zu der nicht nur die Schwäne kamen, sondern auch Stars aus der Film- und Musikindustrie wie Candice Bergen, Frank Sinatra und Mia Farrow, die Kennedys, Rockefellers, Van-derbilts und einige gekrönte Häupter, ist der faszinierende Glanzpunkt der Serie. Es ist der entlarvende Sittenspiegel einer Welt, in der nur Schönheit, Status und Reichtum zählten. Ein dramaturgisch kluger Schachzug ist, dass „Feud – Capote vs. The Swans“ auf eine Chronologie der Ereignisse verzichtet, die immerhin fast drei Dekaden – von Mitte 1955 bis 1984 – umfassen. Stattdessen gibt es pointierte Zeitsprünge, in denen die Figuren immer wieder neu umkreist und ausgeleuchtet werden.
Dann schickte Capote – vielleicht aus Überdruss, weiterhin den Swan-Bespaßer spielen zu müssen, vielleicht auch aus einem Anfall von Ennui und Selbstverblendung – 1975 dem „Esquire Magazin“ den Artikel „La Côte Basque 1965“ zu. Es ist der Vorabdruck eines Kapitels zu seinem Buch „Answered Prayers“, das er allerdings nie beendet hat. Darin plaudert er gnadenlos die Sex-Affären, Drogen-Exzesse und intriganten Spielchen aus, die sich seine Schwäne geleistet hatten. Und er gibt sich nicht einmal die Mühe, seine Protagonisten zu verschleiern. Schon bald kennt die ganze High-Society-Mischpoke die intimsten Geheimnisse aus dem Leben von Babe Paley, Slim Keith und Co. Gewarnt vor der Reaktion der Ladies auf seinen Artikel, meinte Capote abfällig: „Die Schwäne sind doch dumm, sie werden sich niemals erkennen.“ Ein verhängnisvoller Fehler!
Es kam nämlich nicht nur zum Skandal: Truman Capote wurde über Nacht von seinen Schwänen geächtet. Man ignorierte ihn und drohte ihm sogar offen mit Rache. Im Zuge dieser Fehde wurde er auch vom Jetset der Ostküste ausgestoßen. Eine Demütigung, von der er sich nie erholte. Depressiv, zerfressen von Selbstmitleid, Alkohol und Drogen starb er 1984 einsam in L.A. Capote kommentierte das Zerwürfnis mit den Schwänen einmal mit den Worten: „Ich bin Schriftsteller und ich verwende alles. Dachten diese Leute, ich wäre nur zu ihrer Unterhaltung da?“