Der FC Schalke 04 steht vor einer richtungsweisenden Saison. Das negative Image der Königsblauen der letzten Jahre soll sich nun ändern – mit neuem Personal auf und neben dem Platz.
Es ist der 11. Mai. Der FC Schalke 04 gewinnt am 33. Spieltag sein letztes Heimspiel. Nach dem Spiel herzen sich Trainer, Staff und Spieler auf dem Rasen. Gerald Asamoah und Mike Büskens werden besonders hervorgehoben und vor der legendären Nordkurve gefeiert. Ein versöhnlicher Abschluss der Heimspielsaison. Schalke-Fans könnte dieses Bild sehr vertraut vorkommen. Jahrzehntelang konnte man einen ruhigen und entspannten Saisonabschluss feiern. Und das mit Legenden wie Asamoah und Büskens. Die großartigen Fans waren sowieso in all den Jahren immer da. So auch an diesem 11. Mai. Nur einen signifikanten Unterschied gibt es dennoch. Denn an diesem Tag spielte der S04 gegen Hansa Rostock sein letztes Heimspiel. Und das nicht in der ersten Liga, sondern in der zweiten. Noch bitterer: Ein paar Wochen davor dachten lediglich die kühnsten Optimisten an einen versöhnlichen Saisonabschluss in der Schalker Veltins Arena.
So kann es nicht weitergehen
Denn man war der Dritten Liga und dem damit einhergehenden Absturz in die sportliche Orientierungslosigkeit so nahe wie nie zuvor. Schmerzhafte wie deutliche Niederlagen gegen vermeintlich direkte Konkurrenten oder schwächere Teams trafen die Königsblauen bis ins Mark. Die leidgeplagten Fans der Knappen mussten in den vergangenen Jahren viel einstecken. Zwei Abstiege in den Jahren 2021 und 2023 taten allen Anhängern sehr weh. Doch diese verflixte Saison drohte noch schlimmer zu enden. Mit Thomas Reis in die Saison gestartet, kam man über Interimslösung Matthias Kreutzer am Ende zu Karel Geraerts. Der Belgier hatte von Beginn an einen schweren Stand. „Wir waren nicht bereit, uns mit ihnen zu messen. Und ich rede jetzt nicht über Fußball. Ich rede über Intensität, über Zweikämpfe. Wir waren nicht gut genug, das war klar zu sehen“, so Geraerts nach einem Spiel bei der SV Elversberg. Solche Sätze hörte man in der vergangenen Saison häufig. Dennoch schaffte es der Trainer, die Mannschaft, welche fünf Spieltage vor Schluss mickrige vier Punkte von dem Relegationsplatz 16 entfernt war, am Ende der Saison auf Platz zehn zu stabilisieren.
Doch jedem Schalker war an dem besagten 11. Mai klar: So kann es nicht weitergehen. Und genau deswegen ließen sich Asamoah und Büskens umso mehr feiern. Denn dieser Moment war bis auf Weiteres ihr letzter auf der großen königsblauen Bühne. „Liebe Schalker, meine Zeit ist gekommen. Meine Zeit endet vorerst auf Schalke. Es ist hart, wirklich hart. Das habe ich mir nicht erträumen lassen. Aber so ist das Leben“, gab der damalige Leiter Lizenz, Gerald Asamoah, in einem Statement bekannt. Wer ihn von vielen Auftritten bei „seinem S04“ kennengelernt hat, der kann sich vorstellen, wie schwer ihm der Abschied fällt. Genauso erging es Mike Büskens. Der „Eurofighter“ von 1997 und langjährige Co-Trainer der Schalker ging ebenso von Bord. „Gestern wurde mir von Matthias Tillmann mitgeteilt, dass sich die Strukturen im Staff verändern werden und ich in der kommenden Saison nicht mehr Co-Trainer sein werde“, so Büskens in seinem Statement auf Instagram.
„Es ist hart, wirklich hart“
Jener Matthias Tillmann wurde im Oktober letzten Jahres zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Einer der Sätze zu Beginn seines Amtes stach besonders heraus: „Der FC Schalke 04 ist in einer sehr herausfordernden Zeit, in der zentrale Entscheidungen – sportlich wie wirtschaftlich – anstehen und getroffen werden müssen.“ Nach der zwar am Ende geretteten, dennoch verkorksten Saison soll ein Neustart her. Und zwar auf allen Ebenen. Geraerts bekommt neue Co-Trainer. Unter anderem stößt Ex-Spieler Sidney Sam in den Trainerstab. Sportdirektor Marc Wilmots steht vor seiner ersten kompletten Spielzeit und ein neuer und für die Zukunft sehr wichtiger Name kommt hinzu. Dieser lautet Ben Manga. Der 50-Jährige machte sich bei Eintracht Frankfurt einen Namen. Bei den Hessen bewies er ein exzellentes Auge bei der Verpflichtung von Top-Talenten aus aller Welt. „Mit Ben haben wir uns für einen Fachmann entschieden, der genau die Fähigkeiten mitbringt, die für eine nachhaltig erfolgreiche Entwicklung des Sports notwendig sind“, so Tillmann. Des Weiteren soll eine bestimmte Philosophie im Verein implementiert werden. Laut dem Vorstandvorsitzenden soll Manga entscheidend dabei helfen: „Ben und sein Scouting-Team, das bereits seit einigen Wochen für uns arbeitet, bringen ein großes Netzwerk und eingespielte Prozesse mit. Darüber hinaus passen ihr Verständnis von Fußball und damit die Auswahlkriterien für die Spieler eins zu eins zu unserem Konzept: junge, hungrige Talente für möglichst wenig Geld verpflichten und in ein Gerüst aus erfahrenen, widerstandsfähigen Spielern einbauen, damit sie sich dort gut entwickeln können.“ Als Direktor für Kaderplanung, Scouting und Knappenschmiede will Manga zusammen mit Sportdirektor Wilmots Talente nach Gelsenkirchen holen. „Ich freue mich sehr darauf, Verantwortung auf Schalke zu übernehmen und die Zukunft des Vereins maßgeblich mitgestalten zu dürfen“, freut sich Manga auf seinen neuen Tätigkeitsbereich.
Altersdurchschnitt von 27,4 Jahren
Um die von Manga beschriebene Zukunft zu gestalten, machten sich die Verantwortlichen um Manga, Wilmots und Co. direkt an die Arbeit. Das Hauptziel: Kaderverjüngung. Wenn man so will, kann man diesen Schritt auf der einen Seite als notgedrungen, begründet durch die finanzielle Schieflage, oder als dringend notwendig für die sportliche Zukunft des Vereins bezeichnen. Beides ist richtig. Boss Tillmann sieht diesen Schritt als logisch und notwendig: „Wir möchten sogenannte Potenzialspieler dazuholen, weil Schalke 04 eine exzellente Plattform bietet, um Spieler zu entwickeln. Das muss Ziel des Vereins sein.“ Für Tillmann öffnet das zwei Türen auf einmal: „Die jungen Spieler helfen dem Verein sportlich weiter oder finanziell, wenn man sie später für höhere Ablösen verkaufen kann.“ Die Folge der neuen Strategie: Alteingesessene Spieler wie Simon Terrode und Danny Latza wurden verkauft. Ralf Fährmann in die U23 degradiert. Der Altersdurchschnitt in der letzten Saison war zwischenzeitlich 27, 4 Jahre. Wenn man es nett formulieren würde, könnte man sagen, die Mannschaft war sehr erfahren. In Wahrheit war sie veraltet und sportlich ausgelaugt. Das soll sich nun aber ändern. Mit Talenten wie dem 20-jährigen Martin Wasinski, dem 24- jährigen Moussa Sylla, dem gerade einmal 17-jährigen Aris Bayindir und dem schon mit 26 Jahren fast als Opa zu bezeichnenden Anton Donkor konnten die Königsblauen bereits erste Transfer-Duftmarken in die neue Richtung setzen. Kein anderer Verein in der 2. Bundesliga weist derzeit einen jüngeren Kader auf. Erstes Ziel der Bosse um Tillmann, Wilmots und Manga erreicht. Soweit also alles in Ordnung? Nicht ganz: Denn der jüngere Kader verspricht noch lange keinen Erfolg. Doch Tillmann hat nichtsdestotrotz ein klares Ziel vor Augen: „Wir müssen im oberen Drittel mitspielen, das ist die Ambition.“
Der FC Schalke 04 ist momentan voll im Gange, einen radikalen Umbruch zu betreiben. Externe Expertise wurde dazugeholt. Eine neue Transferstrategie mit jungen Spielern ist implementiert. Junge Spieler benötigen in der Regel Zeit, um sich zu entwickeln. Diese bekommt man auf Schalke in der Regel nur begrenzt. Erfolge müssen her. Eine weitere Saison wie die letzte soll verhindert werden. Auch im Sinne der grandiosen Fans, die danach lechzen, endlich wieder erfolgreichen und schönen Fußball von „ihrem“ S04 sehen zu können. Geschieht das nicht, wird die königsblaue Verjüngungskur auf eine harte Zerreißprobe gestellt. Es ist und bleibt ein Spiel mit hohem Risiko. Der Ausgang ist noch ungewiss.
Klar ist jetzt schon: Auf Schalke wird es in Zukunft nicht langweiliger werden. Ganz im Gegenteil.