Der kriegerische Kampf galt lange als ureigenste männliche Domäne. Doch in den vergangenen Jahrzehnten häufen sich archäologische Entdeckungen, die das Gegenteil belegen. So auch das jüngste Beispiel einer spanischen Ordensritterin aus dem Mittelalter.
Eine Frau als Päpstin hat es laut den Erkenntnissen der modernen Geschichtswissenschaft nie gegeben. Auch wenn erfolgreiche Fernsehproduktionen rund um die legendäre Johanna etwas anderes suggerieren wollten. Das höchste Amt der katholischen Kirche in weiblichen Händen war halt eine Vorstellung, die eigentlich zu schön und ungewöhnlich war, um tatsächlich wahr sein zu können. Doch neben dem Paradebeispiel männlicher Dominanz gab es natürlich in der Historie auch noch weitere gesellschaftlich hoch im Kurs stehende Positionen, die exklusiv dem männlichen Geschlecht vorbehalten waren. Dies war vor allem im bewaffneten Kampf bei kriegerischen Auseinandersetzungen der Fall. Denn eine Frau als Heerführerin, als streitbare Ritterin oder auch nur als einfache Soldatin war lange Zeit angesichts der traditionellen, über Jahrtausende zementierten Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschlechtern eigentlich unvorstellbar.
Der Mythos der Amazonen
Allerdings waren schon in diversen Schriften aus der griechischen Antike die sogenannten Amazonen aufgetaucht. Sie wurden als wagemutige Kämpferinnen und furchtlose Kriegerinnen zu Pferde beschrieben, die bei Gefechten, geschützt hinter kleinen Schilden, mit ihrer Streitaxt Angst und Schrecken verbreitet haben sollen. Allerdings handelte es sich bei den Amazonen, die laut Homer sogar am Trojanischen Krieg teilgenommen hatten, nur um einen Mythos aus der griechischen Sagenwelt. Ob zum Entstehen dieses Mythos reale Vorbilder beigetragen haben, ist bislang ungeklärt. Womöglich könnte es in Reihen des Reitervolks der Skythen, die vor mehr als 2.300 Jahren auf einem Gebiet zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer lebten, auch kämpfende Frauen gegeben haben. Russische Archäologen waren jedenfalls 2019 bei der Freilegung von skythischen Gräbern in der Region auf Waffen als Grabbeigaben von dort bestatteten Frauen gestoßen.
Weitaus spektakulärer waren allerdings die beiden prominentesten Heerführerinnen der gesamten Weltgeschichte, die in Großbritannien und Frankreich noch immer als nationale Ikonen gefeiert werden. Die Rede ist natürlich von Boudicca und Jeanne d’Arc. Erstere hatte in den Jahren 60 und 61 n. Chr. den Aufstand keltischer Stämme gegen die römischen Invasoren geleitet, wobei sie mit ihrer Armee bis zur finalen Niederlage ihrer Truppen nicht nur zahllose römische Siedlungen zerstörte, sondern auch schätzungsweise bis zu 70.000 feindliche Kämpfer in den Tod schicken konnte. Die aus einer lothringischen Bauernfamilie stammende Jeanne d’Arc hatte 1429 in einer eigens für sie angefertigten Rüstung einen glohrreichen Sieg über die englischen Eindringlinge errungen. Durch diesen Sieg hatte sie die Stadt Orléans befreit und die Grundlage für die Krönung von König Karl VII. in der Kathedrale von Reims geschaffen. Der anschließende Vorstoß ihrer Truppen nach Paris blieb nicht nur erfolglos, sondern endete auch mit ihrer Verhaftung und ihrer Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen.
Wikinger-Kriegerin war Führungspersönlichkeit
Fraglos waren diese beiden Damen historische Ausnahme-Persönlichkeiten. Und doch ist die Forschung in den letzten Jahren bei ihrer Spurensuche vornehmlich in Bestattungsstätten schon häufiger auf Frauen gestoßen, die womöglich als Kriegerinnen oder Kämpferinnen gelebt haben könnten. Für großes Aufsehen sorgte insbesondere die 2017 erfolgte Lüftung der Geheimnisse rund um ein in der schwedischen Siedlung Birka errichtetes Wikingerehrengrab, weil man bis dahin davon ausgegangen war, dass speziell bei diesem nordischen Volksstamm die klassische patriarchalische Arbeitsteilung – Männer im Krieg, Frauen im Haushalt und zuständig für die Kinderbetreuung – strikt eingehalten wurde. Berichten aus dem Mittelalter darüber, dass bei den Wikingern auch Frauen Kriegerinnen waren, wurde kaum Glauben geschenkt. Doch nun hat sich mit Hilfe von DNA-Proben herausgestellt, dass es sich bei einem der untersuchten Toten um eine vor rund 1.000 Jahren verstorbene Frau handelt, deren letzte Ruhestätte mit für einen Krieger typischen Beigaben wie Schwert, Streitaxt, Speer, Pfeilen und Messer sowie den skelettierten Überresten von zwei Pferden ausstaffiert war. Das alles spricht für einen gehobenen gesellschaftlichen Rang dieser Frau. „Das war keine Walküre aus der Sagenwelt, sondern eine militärische Führungspersönlichkeit, die zufällig eine Frau war“, so das schwedische Forschungsteam um Charlotte Hedenstierna-Jonson von der Universität Stockholm.
Ende 2023 hatte ein Forschungsteam der Universität Edinburgh unter Federführung von Simon Mays einen schon 1999 auf den vor der englischen Küste liegenden Scilly-Inseln gemachten Gräberfund aus der späten Eisenzeit neu bewertet. Der auf das erste Jahrhundert v. Chr. datierte Grabhügel enthielt neben einem Eisenschwert und den Überresten eines mit Kupfer beschlagenen Holzschildes auch einen Bronzespiegel. Die Kombination von kriegerischen Artefakten mit einem Spiegel war zuvor noch niemals für diese Zeit aufgedeckt worden. Anhand von aufwändigen Untersuchungen des Zahnschmelzes, der härtesten und beständigsten Substanz des menschlichen Körpers, konnte eine DNA-Probe gewonnen werden, wonach es sich bei der zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 20 und 25 Jahre alten Person um eine Frau gehandelt haben musste. Es ist das einzige Frauengrab auf den Scilly-Inseln mit einer Waffenbeigabe. Das Forscherteam schloss daraus auf eine „führende Rolle einer Frau in der Kriegsführung auf den Scilly-Inseln in der Eisenzeit“. Aufgrund dieser und ähnlicher Beispiele hatte die österreichischen Zeitung „Der Standard“ folgende Hypothese formuliert: „Geschlechterrollen waren früher nicht so strikt, wie viele glauben“ – was vor allem für den Bereich des Kriegshandwerks zu beachten sei.
Untersuchung von 25 Gebeinen
Die neueste, jüngst im Fachmagazin „Scientific Reports“ publizierte archäologische Entdeckung, die auf der Untersuchung von 25 Gebeinen beruht, die auf dem Friedhof der kastilischen Burg Zorita de los Canes eines mittelalterlichen Ritterordens beigesetzt worden waren, dürfte diese Einschätzung nachdrücklich bestätigen. Dabei war diese Entdeckung eines Forscherteams der Universität Rovira i Virgili mit Hauptsitz im spanischen Tarragona unter Federführung der Humanbiologin Dr. Carme Rissech sowie des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie in Jena mit dem Studienhauptautor Dr. Patxi Pérez-Ramallo tatsächlich nur ein zufälliger Nebeneffekt eines auf die Erkundung der Ernährung und des Lebensstils in mittelalterlichen Klöstern abzielenden Projekts namens „Monbones“ gewesen.
Im Zuge der Reconquista der iberischen Halbinsel hatten die Fürsten der vornehmlich im nördlichen Landesteil errichteten christlichen Königreiche Kastilien, Aragón, León und Navarra eine Vielzahl von Burgen erbauen lassen, um die von ihnen zurückgewonnene Gebiete vor etwaigen muslimischen Gegenangriffen schützen zu können. Eine dieser Festungsanlagen namens Zorita de los Canes, die an einer der Windungen des Flusses Tejo gelegen war, der durch die heutige Provinz Guadalajara in der autonomen Region Kastilien-La Mancha fließt, war allerdings schon im Jahr 852 n. Chr. durch den spanischen Maurenherrscher Emir Mohammed I. von Córdoba zum Schutz seines Territoriums vor christlichen Attacken fertiggestellt worden. Danach sollte sie zweimal den Besitzer wechseln, bis sie 1124 n. Chr. endgültig von den Rittern des Templerordens erobert werden konnte.
50 Jahre später traf König Alfons VIII. von Kastilien die strategische Entscheidung, die Burg an den im Jahr 1158 n. Chr. von Abt Raimundo de Fitero im Königreich Kastilien gegründeten Calatrava-Orden abzutreten, einen militärischen und religiösen Ableger des Zisterzienserordens. Dem neuen Orden, der sowohl aus klerikalen Mitgliedern als auch aus Laien bestand, war die Aufgabe übertragen worden, die damals vom Tejo gebildete Grenze gegen die Einfälle der maurischen Almohaden zu verteidigen.
„Die militärische Macht des Ordens“, so Dr. Patxi Pérez-Ramallo, „beruhte auf einem Spektrum angefangen von adeligen Rittermönchen mit eigenen Pferden und Ausrüstung über ebenfalls berittene Sergeanten bis zu vorübergehend dem Orden angehörenden Rittern, Söldnern und Vasallen.“ Im 13. Jahrhundert sollte der Orden einen Prozess der Aristokratisierung durchlaufen, was eine zunehmende Säkularisierung zur Folge hatte.
Um Auskünfte über die Ernährung, den Lebensstil und die Todesursachen der Kriegermönche zu erhalten, untersuchte das Forscherteam die Überreste von 25 Personen, die zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert auf dem zur Burg gehörenden Friedhof begraben worden waren. Dabei konnten sie ermitteln, dass 23 Personen in Schlachten, womöglich laut den Wissenschaftlern in der Schlacht von Alarcos 1195 oder der Schlacht von Navas de Tolosa 1212, ihr Leben verloren hatten und dass die Ritter des Ordens in einem ziemlich weit von der Küste entfernten Standort erstaunlich große Mengen an Meeresfisch verzehrt hatten. „Wir fanden viele Schäden im oberen Teil des Schädels, den Wangen und dem inneren Teil der Hüfte“, so Dr. Carme Rissech, „was zu der Annahme passt, dass wir es hier mit Kriegern zu tun hatten.“ Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Ordensritter daher auch durch diese gravierenden Verletzungen zu Tode gekommen.
40-jährige Frau mit Kampfblessuren
Die größte Überraschung sollte für die Forscher darin bestehen, dass es sich bei einem der Gebeine um die einer etwa 40-jährigen und etwa 1,50 m großen Frau handelt. Bei ihr konnten ähnliche Kampfblessuren wie bei ihren männlichen Mitstreitern nachgewiesen werden. Für die Verletzungen machten die Wissenschaftler vor allem Schwerthiebe und Stiche verantwortlich, die hauptsächlich an hochempfindlichen und kaum geschützten Körperstellen nachgewiesen wurden. An den Wunden der Frau konnten keinerlei Hinweise auf eine Wundversorgung oder spätere Heilung der Wunden gefunden werden. „Sie könnte demnach auf ähnliche Weise im Kampf gestorben sein wie die männlichen Ritter“, so Dr. Carme Rissech. „Es ist wahrscheinlich, dass auch sie eine Art Rüstung oder Kettenhemd trug.“
Dass es sich bei der Frau wohl keinesfalls um eine Magd gehandelt haben konnte, schlossen die Forscher durch Studien ihres Knochenbaus. Dieser wies ähnliche Verdickungen wie bei den männlichen Kriegern auf, was ein regelmäßiges Training des bewaffneten Kampfes nahelege. „Ich glaube daher, dass diese Überreste von einer weiblichen Kriegerin stammen“, so Dr. Carme Rissech. Sie könne im Umgang mit dem Schwert ebenso erfahren gewesen sein wie ihre männlichen Zeitgenossen. Ein körperlicher Niederschlag einer etwaigen dienenden Tätigkeit der Frau konnte jedenfalls nicht ermittelt werden. Bei der Analyse ihrer Ernährung konnten die Wissenschaftler eine Abweichung von den Überresten der männlichen Kämpfer feststellen. „Wir beobachteten bei dieser Frau einen geringeren Proteinkonsum, was auf einen niedrigeren Status in der sozialen Gruppe hindeuten könnte.“ Fleischreiche Kost war damals vor allem adligen Rittern höheren Ranges vorbehalten. Die zentrale Frage, ob die Kämpferin in der hierarchischen ritterlichen Männerdomäne offen als biologische Frau erkennbar gewesen war oder ob sie verdeckt in eine männliche Rolle hineingeschlüpft war, konnte von den Forschern allerdings nicht geklärt werden.