Die Diskussion um das Deutschlandticket geht weiter, die Finanzierung ist noch unklar. Nur eines ist sicher: Es wird 2025 teurer werden. Die Defizite im System zeigten sich vor allem für Fußballfans.
Das Deutschlandticket bleibt in diesem Jahr beim Preis von 49 Euro – im nächsten Jahr aber wird es teurer. Darauf haben sich nun die Länder verständigt. Um wie viel, ist bislang offen. Klären wollen die Bundesländer dies auf einer Verkehrsministerkonferenz im Herbst, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). Die Ankündigung der Länder stieß in den Regierungsfraktionen indes auf Kritik. Statt über den Preis zu debattieren solle man „überholte und teure Strukturen reformieren“, so die FDP-Fraktionsvize Carina Konrad. Die Tarifhoheit über den öffentlichen Personennahverkehr liegt bei den Ländern.
„Teure Strukturen reformieren“
Das Deutschlandticket gibt es seit Mai 2023, es folgte auf das überaus erfolgreiche Neun-Euro-Ticket, das die Bundesregierung als Entlastung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine einführte. Das Neun-Euro-Ticket ging immerhin 52 Millionen Mal über die Ladentheke. Der Nachfolger zum Preis von 49 Euro ermöglicht Inhaberinnen und Inhabern bundesweit und unbegrenzt Fahrten in Bussen und Bahnen des Regional- und Nahverkehrs. Das Abo ist monatlich kündbar. Wegen der Unübersichtlichkeit des deutschen Tarifdschungels aus regionalen und lokalen ÖPNV-Akteuren galt das Ticket von Anfang an als beliebt. Nach Zahlen des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen hat das 49-Euro-Ticket deutschlandweit 11,2 Millionen Abonnenten.
Seit jeher gibt es allerdings Streit um die Finanzierung zwischen Bund und Ländern. Schließlich entstehen den Verkehrsunternehmen durch das günstigere Angebot Einnahmeausfälle, die ausgeglichen werden müssen – nach Vereinbarung zwischen Bund und Ländern von beiden zur Hälfte, das heißt mit je 1,5 Milliarden Euro.
Der Finanzierungsanteil des Bundes am Deutschlandticket für das kommende Jahr ist jedoch noch unsicher. Gelder für das aktuelle Jahr sind noch nicht freigegeben. Die sogenannten Regionalisierungsmittel, also Geld für den öffentlichen Schienennahverkehr vom Bund, sollen jedoch bald fließen. Dafür wird das entsprechende Gesetz geändert, sodass der Preis in diesem Jahr stabil gehalten werden kann. Dafür können Verkehrsunternehmen, denen durch den niedrigen Preis Einnahmeausfälle entstehen, nicht genutzte Mittel aus dem Jahr 2023 auch für 2024 und neuerdings auch 2025 nutzen.
Wie aber könnte das beliebte Ticket weiter finanziert werden? Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bringt nun erneut das Dienstwagenprivileg aufs Tapet. Eine Preissteigerung beim Deutschlandticket im kommenden Jahr sei inakzeptabel, gar „eine Frechheit“, wenn nicht wenigstens nach Finanzierungsmöglichkeiten für eine Preisstabilität gesucht werde, sagte Ramelow bei einer Wahlkampfveranstaltung der Linken in Erfurt. Auf dem Kurznachrichtendienst X schlug er vor, das Dienstwagenprivileg wenigstens zu deckeln – und damit auf Mittelklasseautos zu begrenzen und es nicht mehr auf Premiumautos und große SUVs anzuwenden. „Dann wäre Geld da für das Deutschlandticket“, sagte Ramelow. Das Dienstwagenprivileg ist ein steuerlicher Vorteil für Menschen, die ihren Dienstwagen auch privat nutzen können. Nach Schätzung kostet es den Staat durch geringere Steuereinnahmen jährlich einen Betrag zwischen drei bis fünf Milliarden Euro. Allerdings sind Dienstwagen ein wichtiges Marktsegment für einige der großen deutschen Autohersteller.
Der Fahrgastverband Pro Bahn fände eine Erhöhung von fünf Euro für das Deutschlandticket noch akzeptabel. Mittelfristig hält der Verband auch einen Anstieg auf 59 Euro für denkbar. „Wenn man aber bedenkt, wie viele Milliarden in umweltfeindliche Subventionen gesteckt werden, ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Bund und Länder über einen Zuschuss von 1,5 Milliarden Euro jammern“, sagte Verbandschef Detlef Neuß der „Rheinischen Post“.
Mittelfristig Anstieg auf 59 Euro denkbar
Mit der Subventionierung eines Tickets ist es jedoch nicht getan. Durch die Neuzuteilung von Haushaltsmitteln fließen erneut eine Milliarde zusätzlich in den Straßenausbau und damit nicht in den Ausbau der Schienenwege. Die Eisenbahnverbände betonen, dass die Kürzung in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf der Schieneninfrastruktur steht, und warnen vor dramatischen Konsequenzen für die Branche und die Klimaziele. Für notwendige Streckensanierungen fehlen die Mittel – von Kapazitätsausbau und Elektrifizierung ganz zu schweigen, so der Verband deutscher Verkehrsunternehmen. Dabei wollte die Ampel bis 2030 die Fahrgastzahlen der Bahn verdoppeln. Mithilfe eines günstigen Tickets könnte dies klappen, doch müsste auch die Infrastruktur mithalten. Auch der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene sollte um ein Viertel steigen. Doch noch muss die Schieneninfrastruktur modernisiert werden – und vor allem fehlen Lokführer oder Busfahrer.
Die Defizite aufgezeigt hat vor allem die vergangene Europameisterschaft, so der VDV. In Frankfurt versorgte der Hauptbahnhof nach Zahlen des Verbandes 100.000 zusätzliche Reisende an Spieltagen. In Leipzig fuhren die Busse bis zu 5.000 zusätzliche Kilometer im Stadtverkehr pro Spiel. In Köln wurden bis zu 32 Sonderzüge pro Spieltag eingesetzt, in München waren 100 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Spieltag im Einsatz. Und dennoch klagten Fans wie Mannschaften über massive Verspätungen oder Zugausfälle im Umfeld aller Spiele: Zu ihrem letzten Spiel gegen England fuhr die Mannschaft der Niederlande nicht mit der Bahn, zwei Streckenabschnitte waren gesperrt, sondern reiste per Flugzeug an – von Hannover nach Dortmund. „Es fuhr alles, was Räder hat“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann kurz vor Ende der EM. „Die Mitarbeitenden haben unzählige Überstunden investiert. Dennoch wurde deutlich, womit wir bereits seit Längerem im Alltag kämpfen: Wir sind am Limit. Das System stößt vielfach an seine Kapazitätsgrenzen, der schlechte Zustand der Infrastrukturen sorgt bei punktuell erhöhter Nachfrage für ein störungsanfälliges Gesamtangebot.“ Es fehle an Fahrzeugen und Personal.