Die Biden-Kampagne leidet nach wie vor darunter, dass die Wählerinnen und Wähler die wirtschaftlich erfolgreiche Politik des US-Präsidenten nicht spüren. Die amerikanische Wirtschaft brummt – und trotzdem kann Herausforderer Donald Trump bei ihr punkten.
Die Probleme von Joe Biden häufen sich. Nach seiner schlechten Debatten-Performance im vergangenen Monat halten sich Rufe nach seinem Rückzug aus den eigenen Reihen beharrlich. Mittlerweile stimmen auch Spender der Demokraten mit ein, die ersten Umfragen zeigen den amtierenden Präsidenten teils sechs Punkte hinter dem Herausforderer Donald Trump in den besonders wichtigen Swing-States. Das ist deutlich mehr als die üblich anzunehmende statistische Fehlerquote von zwei bis drei Prozentpunkten.
Bidens erfolgreicher Jobmotor
Mittlerweile, so die „Financial Times“, macht sich auch Unmut unter den Spendern breit. Noch sind die Spendenzahlen der Kampagne gut, doch könnte ein neuer Kandidat der demokratischen Kampagne neuen Schwung verleihen – vor allem aus Sicht derjenigen, denen Biden zu unbeliebt ist. Denn der amtierende Präsident kommt nicht aus dem Umfragetief, trotz hervorragender wirtschaftlicher Kennzahlen. Nach Umfragen des Gallup-Institutes greift auch weiterhin ein ureigener Wählerreflex: Republikaner verstehen von der Wirtschaft mehr als Demokraten. 46 Prozent der erwachsenen Amerikaner geben nach dieser Umfrage an, sie hätten „sehr viel“ oder „ziemlich viel“ Vertrauen in Trump, dass er das Richtige für die Wirtschaft tun oder empfehlen würde. Weniger Menschen sagen das Gleiche von Biden (38 Prozent), dem amtierenden Zentralbankchef Jeremy Powell (39 Prozent) sowie den demokratischen (38 Prozent) und republikanischen (36 Prozent) Kongressführern. Kaum ein Präsident in den vergangenen 20 Jahren genoss weniger Vertrauen in dessen Wirtschaftskompetenz, hinter Biden liegt nur noch George W. Bush am Ende seiner zweiten Amtszeit.
Offenbar spüren die US-Amerikaner alltäglich die höheren Preise im Vergleich zu den Vor-Covid-Jahren deutlicher als die Wirtschaftsstatistik es auszudrücken vermag. Noch liegt die Inflation bei drei Prozent, ausgehend von acht Prozent zu ihren Hochzeiten kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges. Benzin ist nach wie vor teurer als 2019, doch haben die hohen Staatsausgaben der Biden-Administration den Jobmotor und das Wirtschaftswachstum in den USA angekurbelt, die Reallöhne sind nachweislich gestiegen. Das amerikanische Bureau of Labor Statistics (BLS) berichtet, dass im Mai 272.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen wurden, was über den Erwartungen der meisten Prognosen lag, die Arbeitslosigkeit liegt bei vier Prozent. Das sind sehr starke Zahlen, insbesondere in diesem Stadium der wirtschaftlichen Erholung. Das Weiße Haus drehte eine berechtigte Siegesrunde, als Präsident Biden feststellte: „Die Arbeitslosigkeit liegt seit 30 Monaten bei oder unter vier Prozent – der längste Zeitraum seit 50 Jahren.“ Das Wachstum konzentriert sich dabei nicht nur bei wenigen. Die Politik Bidens zielt darauf ab, die Gelder so zu verteilen, dass sie auch bei sozial Schwächeren und in wirtschaftlich schwachen Regionen ankommt. Dafür sollen unter anderem die Infrastrukturinvestitionen und jene in grüne Technologien sorgen.
Donald Trump, der trotz zahlloser Gerichtsverfahren gegen ihn, am 15.Juli von seiner Partei nominiert wurde, vermag es dagegen, die wirtschaftliche Elite des Landes nach und nach auf seine Seite zu ziehen. Im Fokus: Silicon Valley. Nachdem Trump noch während seiner Präsidentschaft die Kryptowährungen als „Gefahr für den amerikanischen Dollar“ bezeichnete, besitzt er laut der Analyseplattform Arkham Intelligence mittlerweile selbst mehrere Millionen Dollar in den Währungen Ethereum und der eigenen Fan-Währung „MAGA Coin“ und bezeichnet sich als „Krypto-Präsident“. Er versprach der Kryptowelt, sich für sie einzusetzen und sogar den zu zweifach lebenslänglich Verurteilten Ross Ullbricht zu begnadigen, der die Online-Drogenbörse „Silk Road“ betrieb. Dort wurden sogar Auftragsmorde vergeben, die man in der Kryptowährung Bitcoin bezahlen konnte. Jetzt soll der Ex-Präsident auch auf einem der größten Bitcoin-Events in den USA als Redner auftreten und für seine Kampagne werben.
Der Hype um Trump in der Szene der Kryptoinvestoren stieg an, nachdem er sich bei einem informellen Abend mit Unternehmern aus der Branche ausgetauscht hatte, meldete der US-Sender CNBC. David Bailey, CEO von BTC Inc., versprach der Trump Kampagne daraufhin eine Spendensumme von 100 Millionen Dollar. Zuvor hatte eine Spendengala in San Francisco, organisiert von Unternehmenschef Chamath Palihapitiya und Investor und Ex-Pay-pal-Gründer David Sacks, 12 Millionen US-Dollar für Trump eingesammelt. „Biden trat sein Amt mit dem Versprechen an, zur Normalität zurückzukehren“, postete Sacks am 2. Juni auf dem Kurznachrichtendienst X. „Was hat er uns tatsächlich beschert? Eine sich verlangsamende Wirtschaft. Einen Anstieg der Inflation. Eine Welt in Flammen. Rachsüchtige parteiische Hexenjagden. Die Demokraten setzen voll auf ‚Lawfare‘, weil sie nichts anderes haben, womit sie punkten können.“ Mit „lawfare“, einem Kofferwort aus Law, Gesetz, und Warfare, Krieg, bezeichnen Sacks und viele Republikaner das gerichtliche Vorgehen gegen Trump. Ihrer Meinung setzt die Biden-Adminstration gerade Gerichte gegen den politischen Gegner ein. Dies entbehrt jeglicher Grundlage, während Trump genau dies in seiner zweiten Amtszeit zu tun versprach. Dieser war zum Zeitpunkt der Spendengala bereits in 34 Fälle wegen der Fälschung von Geschäftszahlen wegen der Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels für schuldig befunden worden.
Trump will mehr Zölle und Ölbohrungen
Dass die Wirtschaft sich, wie von Sacks behauptet, verlangsamt, entspricht nicht der Realität. Auch wenn die Wahrnehmung der derzeitigen Wirtschaftspolitik der Biden-Administration unter der Inflation leidet, sieht die Zentralbank nun Spielräume für sinkende Zinsen. Das muss sie auch, will sie nicht die Wirtschaft durch zu hohe Zinsen abwürgen und damit die Arbeitslosigkeit durch hohe Kreditkosten erneut befeuern. Mittlerweile haben 16 Nobelpreisträger in einem offenen Brief die Wirtschaft Bidens gewürdigt und vor einer durch Zölle und Steuersenkungen geprägten Wirtschaftspolitik Trumps gewarnt. Diese würde eine neuerliche Inflation begünstigen.
Trump will die in seiner ersten Amtszeit von 35 auf 21 Prozent gesenkte Unternehmenssteuer um einen weiteren Prozentpunkt senken. Populär seine Forderung, dass Kellnerinnen und Kellner keine Steuer mehr auf Trinkgelder zahlen müssen. Trump will, so sein Programm, die Inflation und die Lebenshaltungskosten senken, indem er die „Beschränkungen der amerikanischen Energieproduktion und den Sozialistischen Green New Deal beendet“ (sic). Dies bezieht sich auf die 730 Milliarden Dollar, die die Biden-Administration über den Inflation Reduction Act vor allem in ländliche, oftmals republikanisch regierte Landkreise gepumpt hat. Trump will außerdem „verschwenderische Staatsausgaben eindämmen“, sagt aber nicht, wo. Zur Debatte stehen Sozialprogramme sowie die Gesundheitsversorgung Medicare. Wichtigstes Thema, auch wirtschaftspolitisch, bleibt der Stopp der Einwanderung, die laut dem republikanischen Lager die Löhne drückt. Laut Studien stimmt dies, aber nur für Geringqualifizierte. Weniger Arbeitskräfte aber bedeuten höhere Löhne und damit eine angeheizte Inflation. Gleiches gilt für Zölle, zur Debatte stehen mindestens zehn Prozent Aufschläge auf alle importierten Waren. Gelingt es der demokratischen Präsidentschaftskampagne nicht, ihre wirtschaftspolitischen Erfolge in Wählerstimmen umzuwandeln, ist dies der letzte Sargnagel für Joe Bidens ohnehin angeschlagene Kampagne – die Kampagne eines der wirtschaftspolitisch erfolgreichsten Präsidenten der vergangenen 20 Jahre, und einem der im eigenen Land verkanntesten.