Im Rahmen des Deutschen Naturschutztages zeigen vier große Exkursionen, was das Saarland und die Grenzregion in Sachen Naturlandschaft und Naturschutzaktivitäten zu bieten hat. Ein herausragendes Beispiel ist das Biosphärenreservat Bliesgau.
Holger Zeck erwartet uns am Fuß einer großen Aussichtsplattform, unmittelbar neben dem Sportplatz des SV Beeden, wo gerade ein Rasentraktor akkurate Bahnen übers Spielfeld zieht. Wenige Schritte weiter öffnet sich der Blick über eine Landschaft, in der Mähtraktoren nichts verloren haben. Die Arbeit übernimmt zumindest zum Teil eine Herde schwarzer Wasserbüffel, die gemächlich ihre Bahn zieht. Ein außergewöhnlicher Anblick auf einer Weide im Saarland.
Das Beedener Biotop ist eine künstlich angelegte Flutmuldenlandschaft im so genannten Beedener Bruch nahe der Blies und ein Teil der Biosphäre Bliesgau. Für uns ist das Treffen am Aussichtsturm Startpunkt für eine kurze Wanderung, für Teilnehmerinnen und Teilnehmer des deutschen Naturschutztags wird es Endpunkt einer ganztägigen Exkursion durch die Biosphäre Bliesgau sein.
Holger Zeck hat die Entwicklung dieses einzigartigen Biosphärenreservats schon in der Anfangsphase begleitet. Heute ist er im Biosphärenverband unter anderem für Bereiche wie Naturhaushalt, Forschung. Monitoring, Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Freiwilliges Ökologisches Jahr zuständig.
Während wir die anfliegenden Störche über der Büffelherde beobachten, erinnert er sich an die Diskussionen dieser Anfangszeit. Daran, dass Bauern Sturm gelaufen sind gegen die Pläne, und sie waren nicht die einzigen Skeptiker. „Das liegt ein bisschen in der Natur der Sache, dass am Anfang immer auch über Verbote oder die Gefahr von Verboten diskutiert wird. Das ist schade, weil man nicht sieht, welche Chancen das bietet“.
Das ist Vergangenheit.
Vieles hat sich seither im Verhältnis deutlich verbessert und entspannt.
Die Idee, für den Bliesgau eine Anerkennung als Biosphärenreservat durch die Unesco anzustreben, gab es schon in den 1990er- Jahren. 2009 war es dann geschafft. Die Unesco nahm die Region offiziell in ihr weltweites Netz von Biosphärenreservaten auf, der Bliesgau im Saarland steht nun auf einer Liste zusammen etwa mit den Everglades oder der Serengenti.
Nach erster Skepsis jetzt Engagement und Stolz
Und damit hat sich auch die Stimmung nach den heftigen Diskussionen Stück für Stück gewandelt. „Es gibt immer noch den ein oder anderen Kritiker. Aber die Lage hat sich deutlich beruhigt, wir haben uns etabliert, wir haben teilweise auch Zusammenarbeit mit Landwirten“. Wie eben hier im Beedener Bruch.
„Wir sehen hier das Beweidungsprojekt Biotop Beeden, eine Überflutungslandschaft, die von Wasserbüffeln beweidet wird und sich mittlerweile zum Vogelparadies entwickelt hat. Für dieses Projekt braucht es auch einen Landwirt, der die Beweidung bewirtschaftet. Die Tiere, die hier stehen, müssen ja alle versorgt werden, veterinärärztlich untersucht werden und vieles mehr. Sie brauchen für ein Beweidungsprojekt auch einen Beweider, der sich um alles kümmert“, erläutert Holger Zeck und ergänzt: „Das Biosphärenreservat lebt ja nicht von seiner Geschäftsstelle“. Die soll und will vor allem diejenigen unterstützen, die etwas aktiv tun wollen. Dazu gehört der Biotopverein Beeden, der sich um Pflege und Kommunikation kümmert und den Landwirt beauftragt hat. Oder Landwirte, die sich an der Initiative „Landwirtschaft Vielfalt“ beteiligt und Blühstreifen angelegt haben.
Es gibt eine ganze Reihe erfolgreicher Initiativen, die sich mit dem Biosphärenreservat entwickelt haben. Das „Bliesgauregal“ ist ein Angebot regionaler Produkte, das vom Verein „Bliesgau Genuss“ betrieben wird. Es gibt den Verein „Bliesgau Obst“, der sich um die vielen, oft malerisch schön in der Landschaft ausgebreiteten Streuobstwiesen kümmert, und zwar in einer Vielfalt, die „zu den artenreichsten Biotopen Europas“ gehört. Der Biosphärenverein hat die Aufgabe eines Fördervereins übernommen. Und es gibt die LEADER-Aktionsgruppe. LEADER ist ein EU-Förderprogramm für ländliche Räume. Hauptanliegen ist die Vernetzung von Themen, Projekten und Menschen einer Region. Holger Zeck unterstreicht: „Es geht nur mit privatem Engagement.“
Zehn Jahre nach der Anerkennung erfolgte die erste Evaluation, also eine Überprüfung, wie sich das Biosphärenreservat zwischenzeitlich entwickelt hat. Corona-bedingt hat sich der Prozess etwas hingezogen. Schließlich verlängerte der Internationale Koordinierungsrat auf einer Sitzung in Nigeria die Anerkennung um weitere zehn Jahre. „Das Biosphärenreservat Bliesgau hat nach nunmehr zwölf Jahren eine ganz hohe Sichtbarkeit und Akzeptanz erlangt, die sich auch in der guten Wiedererkennung in der Region und sehr hohem Engagement der Akteure widerspiegelt“, betonte Stefan Lütkes, Vorsitzender des deutschen MAB-Nationalkomitees, bei der Überreichung der Urkunde.
MAB steht für „man and the biosphere“. Mensch und Biosphäre. In diesem (weltweiten) Programm nimmt die Biosphäre Bliesgau eine Sonderstellung ein, weil es eben kein reines Naturgebiet ist. „Die Anerkennung ist in einem hohen Maße der Tatsache geschuldet, dass wir im Biosphärenreservat auf relativ kleinem Raum das gesamte Stadt-Land-Kontinuum abbilden. Wir haben mit St. Ingbert eine große Stadt komplett im Biosphärenreservat, mit Blieskastel eine etwas kleinere, und wir gehen in den ländlichen Raum bis Gersheim und haben damit das gesamte Bild eines solchen Landschaftsraums“, erläutert Holger Zeck.
Während er das Drei-Zonen-Konzept der Biosphäre erläutert, steigen wir den schmalen Pfad hinab und gelangen nun den Beedener Bruch. Auf den ausgebauten Wegen herrscht überraschend viel Betrieb an diesem Vormittag mitten in der Woche. Fahrradfahrer sind unterwegs, manche in eiligem Tempo, manche radeln gemütlich und halten an, um das Zusammenleben von Störchen und Wasserbüffeln zu genießen.
Jede Biosphäre ist in drei Zonen aufgeteilt: „Die Kernzone soll vom Menschen möglichst wenig beeinflusst werden. Die Pflegezonen haben zwei Aspekte: sie sollen die Kernzonen umgeben und abpuffern, dort finden sich viele naturschutzfachlich wertvolle Flächen, die vom Menschen bewirtschaftet wurden und werden, teils auch bewirtschaftet werden müssen, wie wir hier im Beweidungsprojekt sehen. Streuobstwiesen oder Orchideenfelder sind andere klassische Beispiele. Und in der dritten, der Entwicklungszone, gilt es, Modellprojekte zu entwickeln, wie man Mensch und Natur in Einklang bringt“. Das aber ist nachvollziehbar nicht immer konfliktfrei.
„Mensch und Natur in Einklang bringen“
Konfliktträchtig ist auch häufig das Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Klimaschutz. Eine Windkraftanlage direkt neben dem hohen Storchennest ist nicht vorstellbar. Klimaschutz beansprucht auch Fläche. Was aber ohne konsequenten Klimaschutz passiert, hat auch die Biosphäre in den letzten Jahren– wie alle anderen auch – hautnah und leidvoll erlebt. In den heißen Sommern mussten junge Bäume auf den Streuobstwiesen gegossen werden. In diesem Jahr das genau gegenteilige Bild: nach wochenlangem Dauerregen überflutete das Pfingsthochwasser die ganze Region.
Und Ende Juni war das große Biosphärenfest, das jährlich reihum in einer anderen Biosphärengemeinde ausgerichtet wird, extrem gefährdet, weil sich in der Nacht zuvor eine Gewittersturmfront über der Region austobte. Trotz widriger Wetterverhältnisse kamen schließlich doch einige tausend Menschen, um sich an vielen Ständen und bei Vorführungen einen Eindruck von der großen Vielfalt dieser Region zu machen.
Neben den Extremwetterverhältnissen werden die Auswirkungen des Klimawandels in einem eher schleichenden Veränderungsprozess sichtbar. „In der Kernzone kann man beobachten, wie Natur mit diesen Veränderungen umgeht, weil ja nicht eingegriffen wird. Dass sich die Zusammensetzung ändert, sieht man schon“, sagt Zeck, und ergänzt: „Ich war vor zwei Jahren an Untersuchungen über die Vorkommen saarländischer Flussmuscheln beteiligt. Wenn die letzten Bestände in einem Bach sind, der fast trocken gefallen ist, dann zuckt man schon zusammen.“
Naturschutz und Klimaschutz kommen sich immer wieder ins Gehege, letztlich ist beides zentral für eine lebenswerte Zukunft. Für junge Menschen steht spätestens seit Fridays for Future Klimaschutz ganz oben. In der Biosphäre wird das Interesse aber auch auf Naturschutz gelenkt.
Die „Junge Biosphäre“ gibt es seit 2016, ursprünglich in Kooperation unter anderem mit dem Landesjugendring und Spohn’s Haus, einer Einrichtung der Umweltbildung im Saarland, inzwischen in der Trägerschaft des Saarpfalz-Kreises (als Koordinierungsstelle für nachhaltige Jugendarbeit). Ziel ist, mit jungen Menschen Kleinprojekte zum Thema Nachhaltigkeit zu entwickeln und umzusetzen. Auch das Projekt „Juniorranger“, gemeinsam mit der Naturlandstiftung, ist ein Erfolgsprojekt. Eigentlich sollten nur zwölf Plätze zur Verfügung stehen. Mit 16, 17 Plätzen sei man inzwischen an der Grenze dessen, was organisatorisch sinnvoll umzusetzen ist.
„Junge Biosphäre“ und „Juniorranger“
Perspektivisch werde man die Kooperationen mit zwei Partnerbiosphären in Polen weiterentwickeln, es gebe Überlegungen, auch einen Schüleraustausch zu organisieren. Auch die Zusammenarbeit mit Universität und Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) soll intensiviert werden. Dass der Deutsche Naturschutztag auf dem Campus der Uni stattfindet,und die Biosphäre Bliesgau dabei eben auch eine prominente Rolle spielt, bietet sicherlich zusätzliche Anknüpfungspunkte.
Netzwerke bilden, unterstreicht Holger Zeck, sei „eine der wichtigsten Aufgaben des Biosphärenzweckverbandes. Leute an einen Tisch bringen und Ideen entwickeln“. Das gilt dann auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Deutschen Naturschutztages, die sich für die Exkursion durch das Biosphärenreservat entscheiden. Sicher ist auf jeden Fall: Sie werden das Saarland von einer überraschend attraktiven Seite kennen lernen. Nicht umsonst wird der Bliesgau auch schon mal als die „Toskana des Saarlandes“ bezeichnet.