Das Saarland sieht sich als Ausrichter des Deutschen Naturschutztags 2024 gut aufgestellt. Strittige Naturschutz-Themen können hier exemplarisch anhand von Naturschutz-Großprojekten diskutiert werden, sagt Umweltministerin Petra Berg (SPD) und verspricht eine zukunftsweisende „Saarbrücker Erklärung“.
Frau Berg, was ist eigentlich der Deutsche Naturschutztag?
Der Deutsche Naturschutztag (DNT) ist Deutschlands größtes Fachforum für den Naturschutz. Das Motto in diesem Jahr lautet „Europa natürlich verbunden“ mit einem thematischen Fokus auf die europäische Vernetzung im Naturschutz. Letztmalig war der DNT 1961 zu Gast im Saarland, damals mit dem Thema „Die Landschaft des Menschen“. Das ist schon eine Zeitreise. Der Deutsche Naturschutztag stößt auf ein enorm großes Interesse in Fachkreisen. Aber ich erhoffe mir, dass neben den Expertinnen und Experten in den Fachforen auch interessierte Bürgerinnen und Bürger, vor allem junge Menschen, den Weg dorthin finden werden. Es ist ein richtig tolles Event für das Land.
Wie kommt das Saarland dazu, diesmal Ausrichter zu sein?
Um die Ausrichtung des Deutschen Naturschutztages muss man sich bewerben. Das Saarland ist ein kleines Land, ein Industrieland. Zwischen Stahlindustrie, Bergbau und Naturschutz gibt es Spannungsfelder, die kann man, glaube ich, nirgendwo so gut darstellen wie im Saarland. Wir haben gezeigt, dass beides zusammengeht: Unternehmen der Montanindustrie und Naturschutz. Und wir haben sehr viel zu bieten: Unsere Industriekultur auf der einen Seite, auf der anderen Seite Naturschutzprojekte wie der Nationalpark Hunsrück-Hochwald oder die Biosphäre Bliesgau, die wir auch im Rahmen von Exkursionen zeigen und besuchen werden.
Was sind die aktuellen Themen, die eine Rolle spielen?
In den Fachforen wird es beispielsweise um die Transformation von Industrie- und Gewerbeflächen gehen. Im Saarland spielt dabei das große Naturschutzgroßprojekt LIK Nord (Landschaft der Industriekultur) eine wichtige Rolle. Ein Thema wird die Nutzung von brachgefallenen Flächen sein. Der Schwerpunkt „Wald im Wandel“ wird sich damit beschäftigen, wie der Wald dem Klimawandel standhalten kann. Wir haben im Saarland in Folge des Bergbaus besondere Wälder wie den Saarkohlewald. Es wird um Fragen der Transformation der Forstwirtschaft gehen, hier lassen sich Digitalisierung und Anpassung an den Klimawandel nennen. Außerdem werden Exkursionen mit Expertinnen und Experten stattfinden, die ohne Teilnahme am Fachprogramm gebucht werden können. Angefragt ist auch Martine Hansen, die luxemburgische Ministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Weinbau, um grenzüberschreitende Perspektiven aufzuzeigen, entsprechend dem Motto „Europa natürlich verbunden“.
In den aktuellen Diskussionen steht Klimaschutz stark im Fokus. Naturschutz scheint da zurückzustehen. Lässt sich das Konfliktfeld lösen?
Die Bedeutung des Naturschutzes ist in diesen Zeiten etwas, ich will sagen, volatil. Naturschutz ist unbestritten notwendig und wird aktuell diskutiert. Wir erleben aber auch, dass sich Naturschutz und Klimaschutz nicht unbedingt bedingen, dass es Interessenkollisionen gibt und Klimaschutz manchmal auf Kosten des Naturschutzes geht. Beim Ausbau erneuerbarer Energien müssen Flächen bereitgestellt werden. Dort muss sehr genau geprüft werden, welche Flächen man in welcher Art und Weise für erneuerbare Energie zur Verfügung stellt und wie Naturschutz damit in Einklang gebracht werden kann. Wir haben dazu einen, wie ich finde, sehr guten Vorschlag auf der Agrarministerkonferenz beschlossen, wonach bei Photovoltaikanlagen die Fläche nicht doppelt kompensiert werden muss, wenn dort eine biodiverse Struktur angelegt wird. Das erleichtert der Landwirtschaft die Gestaltung und bringt auch den Naturschutz voran. Für mich als Umwelt- und Agrarministerin ist das ein Paradebeispiel, wo beides zusammengeht: Klimaschutz und Naturschutz. Ein anderes Beispiel: Dort, wo eine Wasserstoffpipeline gebaut werden soll, erleben wir, dass sich Bürgerinitiativen dagegen wehren. Wenn man Klimaschutz will, geht es oft auch um eine Umgestaltung der Natur. Solche Diskussionen aus unterschiedlichen Gesichtspunkten zu führen, dafür ist der Deutsche Naturschutztag ein ideales Forum.
Es ist in erster Linie ein Fachkongress, Sie setzen aber auch auf allgemeines öffentliches Interesse, insbesondere junger Menschen. Wie passt das zusammen?
Der Deutsche Naturschutztag findet auf dem Uni-Campus statt, also dort, wo sich viele junge Menschen befinden. Die Veranstaltung wird deutlich wahrnehmbar sein. Bei den Ticketpreisen gibt es ein besonderes Angebot für junge Menschen. So können sich Interessierte bis 27 Jahren auf Freitickets bewerben. Es gibt auch Livestream-Tickets für Teile der Veranstaltung. Das Berufsfeldforum, den DNT-Treff oder die Exkursionen können auch ohne Teilnahme am Fachprogramm gebucht werden. Und rund um den Deutschen Naturschutztag wird es ein spannendes Rahmenprogramm geben.
Was kann als Ergebnis am Ende stehen außer: Gut, dass wir darüber geredet haben?
(lacht) Da wird es schon sehr viel mehr geben. Die Veranstalter des Deutschen Naturschutztages werden eine Saarbrücker Erklärung abgeben. Dabei können sich auch die Besucherinnen und Besucher mit Vorschlägen beteiligen. Jeder kann also sein Anliegen einbringen. Es wird sicherlich ein Appell an die Politik und Verwaltung, der aber auch einen Mehrwert bringen soll. Dies ist nur möglich, wenn man Dinge kritisch betrachtet und sich anschaut, wo man mit den Anliegen des Naturschutzes bei den Bürgerinnen und Bürgern steht, aber auch bei den Expertinnen und Experten, die sich nicht immer ausreichend von der Politik gehört fühlen. Es wird nach meiner Einschätzung eine sehr kritische Erklärung sein, die aber in die Zukunft weist und sehr offen und transparent sagt, wohin wir wollen.