Nur ganz selten vergibt der ADAC in Autotests eine Eins. Beim VW ID.7 hat er es getan. Ist die Elektro-Limousine wirklich besser als Mercedes & Co.?
Da steht er, der Streber. Glattgeschwungene Form, 4,96 Meter lang, blaue Metallic-Lackierung. So sieht ein Musterschüler aus, zumindest in den Augen des ADAC. Der Automobilclub, der nur ganz selten einen Einser vergibt, hat dem VW ID.7 die Testnote 1,5 ausgestellt. Damit schneidet die Elektro-Limousine sogar besser ab als der Luxusschlitten Mercedes EQS.
Wie kann das sein? Schließlich ist VW bei seinen ersten Elektromodellen nicht gerade mit Glanzleistungen aufgefallen. Vor allem die schnelle Markteinführung des Kompaktwagens ID.3 im Jahr 2020 ging nach hinten los. Das E-Auto wartete mit zahlreichen Softwarefehlern auf. Bei unserer Testfahrt musste es sogar abgeschleppt werden, weil Scheinwerfer, Assistenzsysteme und Bordcomputer ausgefallen waren. Zwar hat Volkswagen mittlerweile nachgebessert, doch bei vielen ist ein schaler Eindruck zurückgeblieben: Kann VW Elektro?
Von außen sieht der ID.7 zunächst recht konventionell aus, man könnte auch sagen: ein bisschen langweilig. Doch der erste Eindruck täuscht. Beim Einsteigen offenbart sich ein besonderes Panoramadach (Aufpreis: 4.585 Euro). Dieses lässt sich auf Knopfdruck komplett undurchsichtig stellen, wie die berühmten Toiletten-Häuschen in Tokio. Im Auto soll das „smarte“ Glas unerwünschte Spiegelungen unterbinden – letztlich eine Spielerei, aber eine schöne.
Das Platzangebot im ID.7 ist fürstlich. Selbst Zwei-Meter-Menschen müssen im Fond zu keiner Zeit mit den Vordersitzen kuscheln. Auch der Kofferraum fällt größer aus als bei der Mercedes-Limousine EQE. Zwei Reisetaschen, eine Kühltasche, ein Laptop, eine Hundedecke und ein Stoffbeutel füllen ihn nur zur Hälfte. Das alles macht den ID.7 nicht nur zu einem klassischen Geschäftswagen, sondern auch zu einem guten Reisegefährten für den Familienurlaub.
Kernkompetenz auf der Autobahn
Wenn der Platz immer noch nicht reicht, lässt sich zusätzlich ein Anhänger an den ID.7 koppeln. Oben passt zudem eine Dachbox drauf – schade nur um den Ausblick durchs Glasdach. Was fehlt, ist ein „Frunk“, also ein zusätzlicher Stauraum unter der Motorhaube. Diesen Platz hat VW mit Kabeln, Behältern und allerlei Technik komplett vollgestopft. Na gut, dann muss das Ladekabel eben hinter den Sitz! Im Innenraum wirken die Materialien angenehm hochwertig – ganz anders als das Billig-Plastik des ID.3. Ebenso ansprechend wirkt das sogenannte Ambiente-Licht, eine dezente Innenraumbeleuchtung, die sich in verschiedenen Farben einstellen lässt.
Was den Bildschirm angeht, kann VW allerdings mit den teureren Wettbewerbern nicht mithalten. Zwar ist der 15-Zoll-Bildschirm übersichtlich gestaltet und intuitiv bedienbar. Allerdings „klebt“ er wie ein Fremdkörper am Armaturenbrett – da ist der hochauflösende „Hyperscreen“ bei Mercedes deutlich besser. Auch die glitschigen Berührungsflächen auf dem Lenkrad (statt Knöpfen) treffen nicht jeden Geschmack. Mercedes nutzt sie ebenfalls, aber das macht die Sache nicht besser.
Gut gelungen: das Mini-Display über dem Lenkrad. Statt wie manche Hersteller nur auf einen zentralen Bildschirm zu setzen, blendet VW die wichtigsten Infos (Geschwindigkeit, Reichweite, Tempolimit) zusätzlich an gewohnter Stelle ein. Wer’s etwas futuristischer mag, kann zudem das Head-up-Display aktivieren, wodurch die Informationen direkt auf die Frontscheibe projiziert werden. Gänzlich missraten ist die Klima-Steuerung. Die Lüftungsdüsen lassen sich nicht händisch verstellen; stattdessen müssen bestimmte „Klimaprofile“ auf dem Touchscreen ausgewählt werden. Bevor man endlich verstanden hat, wie das geht, ist beinahe ein Auffahrunfall passiert. Eine unnötige Ablenkung, die VW dringend überdenken sollte.
Auf der Autobahn zeigt der ID.7 schließlich seine Kernkompetenz. Er fährt so ruhig und leise, dass der Tacho unbemerkt die 130 km/h knackt. Bei einer solchen Reisegeschwindigkeit geht die Reichweite schnell in den Keller: Von 615 Kilometern, die der ID.7 auf dem Papier fahren kann, bleiben dann nur noch 400 Kilometer übrig. Obwohl die Elektro-Limousine alle Assistenzsysteme an Bord hat, die es derzeit gibt, fallen sie beim Fahren kaum auf. Das ist als Kompliment gemeint, denn gerade asiatische Hersteller neigen oft dazu, schon die geringsten Verstöße – kurzer Blick zur Seite, minimale Geschwindigkeitsüberschreitung – mit lauten Warngeräuschen zu maßregeln. Der ID.7 tritt hier sehr dezent auf, korrigiert bei Bedarf die Fahrspur, hält auf Wunsch gleichmäßig Abstand zum Vorderfahrzeug.
Ob Notbremssystem, Totwinkel-Assistent, Abstandswarner oder Querverkehrserkennung beim Rückwärtsfahren: Alles ist serienmäßig an Bord, weshalb der ADAC dem ID.7 die Note 1,1 für den Bereich „Sicherheit“ gegeben hat. Nur die Verkehrszeichen-Erkennung funktioniert nicht immer zuverlässig. Manchmal übersieht sie Schilder, an anderer Stelle zeigt sie Tempolimits an, die längst aufgehoben wurden. Mehrfach zeigt das Navi auf der Autobahn eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h an, so wie in der Auffahrt.
Soundsystem von Harman Kardon
Sprachbefehle wie „Navigiere mich nach Bremen“ versteht der ID.7 gut. Sobald es aber zu sehr ins Detail geht („Wo ist eine Ladestation von Aral?“), muss er passen. Hier hat Mercedes die Nase vorn. Das Navi hat im Vergleich zu VWs ersten E-Autos einen Riesensprung gemacht – unvergessen der nervöse ID.3, der alle paar Minuten davor warnte, dass angeblich der Akku nicht reicht. Heute hingegen läuft die Routenplanung geschmeidig ab. Das Navi plant nicht nur automatische Ladestopps ein. Es lassen sich auch Filter festlegen, zum Beispiel die gewünschte Ladeleistung oder eine eigene „Schmerzgrenze“ für die Restreichweite. Bei der Auswahl der Ladestationen gibt’s Einschränkungen. Außer „Ionity“ und „We Charge“ lassen sich keine Anbieter ausschließen. Grundsätzlich plant das Navi also erst mal mit allem, was der Markt hergibt. Wer auf eine bestimmte Firma setzt, um dort etwa mit einem Abo vergünstigt zu laden, muss wohl oder übel eine Handy-App nutzen.
An der Ladesäule geht’s flott voran, in meinem Fall von 27 Prozent auf 96 Prozent in 39 Minuten. Füllt man den Akku nur zu 80 Prozent, kommt man mit etwa einer halben Stunde aus – Gleichstand mit Mercedes. Über ein noch schnelleres 800-Volt-System, wie es etwa der Hyundai Ioniq oder der Kia EV6 haben, verfügt der ID.7 nicht. In einem anderen Punkt wiederum ist die deutsche Premium-Konkurrenz besser. So kann der VW ID.7 an langsamen Wechselstrom nur mit elf Kilowatt Strom ziehen. Mercedes und BMW schaffen es (gegen Aufpreis) doppelt so schnell.
Darüber hinaus tut sich der ID.7 manchmal schwer damit, den Ladevorgang zu starten. An zwei Schnellladern funktioniert es zunächst nicht. Erst nach einem Abstecken und neuerlichen Starten fließt der Strom. Das sind aber auch die einzigen Schnitzer, die sich die E-Limousine leistet – bei Mercedes fiel während der Testfahrt sogar die Klimaanlage aus.
Damit während der Betankung keine „Ladeweile“ aufkommt, verfügt der ID.7 über ein Soundsystem von Harman Kardon. Wer den Aufpreis zahlt, erhält 13 statt neun serienmäßigen Lautsprechern – echte Stereo-Aficionados mögen den Unterschied hören, die meisten dürften sich aber an der Standardausrüstung erfreuen. Wer keine eigene Musik dabeihat und im Radio nichts Passendes findet, kann auf Spotify zurückgreifen. Schade nur, dass man die gewünschten Titel nicht per Sprachbefehl suchen kann. Tippen verbietet sich während der Fahrt, sodass man die gewünschten Titel am besten während der Ladepausen zusammenstellt.
An solchen Details merkt man, dass es eben doch einen gewissen Unterschied zur Premium-Konkurrenz gibt. Was das Preis-Leistungs-Verhältnis angeht, ist der ID.7 aber ungeschlagen; auch die Sicherheit bewegt sich im Spitzenfeld. Oder anders gesagt: Der ADAC hat recht!
Der Hersteller hat das Testfahrzeug 14 Tage zur Verfügung gestellt. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt des Berichts.