Oberflächliche Modewelt? Von wegen! Bei diesem Casting für die Pariser Fashion Week zählten die inneren Werte der Models. Moderator Venoth Nagarajah beleuchtet die Highlights des Tages, die starken Botschaften der Teilnehmer und den Bruch mit alten Klischees.
Herr Nagarajah, was hat Sie dazu bewogen, die Rolle des Moderators für diese Casting-Show zu übernehmen?
Für mich war es das Wichtigste, dass die Themen Diversität, Feminismus, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein im Vordergrund standen. Diese Schlagwörter sind oft in den sozialen Medien und der Politik präsent, aber selten wird ein Event organisiert, das sich wirklich damit auseinandersetzt. Zudem ging es darum, sich von den großen Fashion-Show-Organisatoren abzuheben und weg vom Size Zero zu kommen. Alle Menschen sollten willkommen sein. Das hat mich angezogen und dazu bewegt, die Rolle anzunehmen. Ich trage selbst gerne unterschiedliche Outfits und moderiere nebenberuflich, zuletzt beim Saar-Promi-Dinner im Porsche Zentrum Saarland. Die Botschaft der Show passte perfekt zu mir, also habe ich zugesagt.
Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an der Show? Können Sie das Konzept kurz vorstellen?
Fashion Weeks gibt es weltweit, aber die berühmteste ist wohl in Paris. Es ist der Traum jedes Models oder Designers, dort dabei zu sein. In Paris werden üblicherweise Models mit Size Zero ausgewählt, doch die Organisatoren dieser Show wollten das ändern. Sie haben gesagt, dass Size Zero nicht mehr zeitgemäß ist, und haben stattdessen normale Menschen mit unterschiedlichen Körpermaßen eingeladen. Paris prägt den Stil der Welt. Allerdings hat die Organisatoren schockiert, dass man dort immer noch ausschließlich Models mit Größe 0 (also 32 und kleiner) auswählt. Das fanden sie nicht passend und nicht zeitgemäß. Für weibliche Models gelten dort bei einer Körpergröße von 1,75 – 1,85 m die Maße 87-60-87 (cm Brust-Taille-Hüfte). Das Ziel war es, Diversität und Nachhaltigkeit zu fördern. Werte wie Slow Fashion, Diversität, no body shaming, Gleichberechtigung und Toleranz standen im Mittelpunkt. Die Show bot 15 Models die Chance, an der Pariser Fashion Week teilzunehmen – sieben wurden im Vorfeld ausgewählt und acht beim Casting selbst in St. Wendel.
Können Sie noch etwas zu den Organisatoren sagen? Findet die Veranstaltung zum ersten Mal statt?
Die Organisatoren sind Karin Wadle und Jona Hoffmann. Karin Wadle ist Managerin eines Modelcamps und organisiert Laufstegtraining, während Jona Hoffmann eine bekannte Designerin aus St. Wendel ist. Sie haben das Event gemeinsam auf die Beine gestellt. Jona Hoffmann hatte bereits mehrere internationale Shows, aber dies ist ihr erstes Mal in Paris. Es ist das zweite gemeinsame Projekt, das ich mit Jona Hoffmann mache. Letztes Jahr habe ich bei einer Late-Night-Shopping-Messe in St. Wendel moderiert. Die beiden sind für mich eine große Inspiration und ich möchte mich von ihnen mitreißen lassen und mit meinem Gesicht und meiner Haltung ihr Projekt weiter nach vorne pushen.
Welche Kriterien waren für die Auswahl der Kandidaten am wichtigsten?
Es gab tatsächlich nur wenige, aber entscheidende Kriterien. Wichtig war, dass es sich um ganz normale Menschen handelt, die nicht hauptberuflich als Models arbeiten. Professionelle Models wurden nicht berücksichtigt. Es ging darum, eine breite gesellschaftliche Vielfalt zu repräsentieren. Die Werte der Kandidaten mussten zu den Organisatoren Jona und Karin sowie zum Konzept der Show passen. Das bedeutete, dass Themen wie Fairness, Nachhaltigkeit, Diversität, Feminismus und Umweltbewusstsein im Vordergrund standen. Besonders beeindruckend fand ich, dass Setcards, schöne Fotos oder Modelbooks keine Rolle spielten. Niemand wollte solche Unterlagen sehen. Die Models sollten eine Botschaft nach Paris tragen und die Einzigartigkeit der Models sollte das Publikum erreichen.
Wie lief das Casting ab?
Es gab rund 1.000 Bewerbungen aus der ganzen Welt, darunter Indien und Amerika. Karin Wadle, eine der Organisatorinnen, beantwortete die Mails– tatsächlich alle. An einem Tag haben wir versucht, 200 Kandidaten zu casten, um den Zeitrahmen nicht zu sprengen und auch den Juroren die Entscheidung nicht schwerer zu machen. Insgesamt waren am Casting-Tag etwa 300 Menschen vor Ort. Acht von ihnen wurden für die Fashion Week in Paris ausgewählt. Wie man es aus dem Fernsehen kennt: Hochkarätige Jurys, jedes Model hatte einen kurzen Moment, sich zu zeigen, und dann die Entscheidung. In der Jury saßen Tessy von Nassau, Robert Hettich, Ralf Siebert, Jona Hoffmann und Christof Prinz.
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten müssen die Models mitbringen?
Die Models müssen vor allem Selbstbewusstsein und Ausstrahlung mitbringen. Sie sollten in der Lage sein, sich selbstbewusst zu präsentieren und ihre Einzigartigkeit zu zeigen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sie sich für Themen wie Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung einsetzen und bereit sind, als Vorbilder zu agieren. Flexibilität und die Fähigkeit, sich schnell an unterschiedliche Situationen anzupassen, sind ebenfalls wichtige Eigenschaften. Die Models sollten bereit sein, mit uns zusammen die Modewelt zu revolutionieren und ein bisschen besser zu machen, da die Modebranche mehr CO2-Emissionen verursacht als die internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen.
Gibt es besondere Momente oder Geschichten aus der Show, die Sie persönlich bewegt oder inspiriert haben?
Es gab viele bewegende Momente während der Show. Besonders beeindruckt hat mich eine junge Frau im Rollstuhl, deren persönliche Botschaft war: „Mode kennt keine Einschränkungen.“ Das fand ich sehr bewegend. Auch eine Kandidatin namens Selina hat mich inspiriert. Sie hat gesagt, dass Vitiligo– eine Hautkrankheit, die zu weißen Flecken auf der Haut führt – für sie kein Makel, sondern ein Merkmal ist, genauso wie Muttermale oder Sommersprossen. Diese Aussagen haben mich tief berührt und mir gezeigt, wie wichtig es ist, solche Perspektiven zu vertreten. Ein weiterer bewegender Moment war ein junger Mann, der sich ein kreatives Outfit aus alten Kassenbons gebastelt hatte. Das war einfach großartig.
Der Modewelt wird oft vorgeworfen, dass sie sehr oberflächlich ist. Haben Sie das Gefühl, dass generell ein Wandel stattfindet, oder ist das eher eine Ausnahme?
Es findet definitiv ein Wandel statt. Zum Beispiel hat „Germany’s Next Topmodel“ kürzlich zum ersten Mal männliche Models zugelassen. Das zeigt, dass Diversität zunehmend berücksichtigt wird. Auch in den sozialen Medien sieht man immer mehr Menschen, die nicht den klassischen Schönheitsidealen entsprechen und trotzdem erfolgreich sind. Diese Plattformen schaffen eine neue Realität und setzen traditionelle Fernsehshows unter Druck, sich zu verändern. Mein Cousin, der bei „Germany’s Next Topmodel“ teilgenommen hat, ist ein gutes Beispiel dafür. Er ist extrem vielseitig und hat gezeigt, dass man alles sein kann, was man möchte. Diese Entwicklung stärkt das Selbstbewusstsein vieler Menschen und zeigt, dass es mehr als eine Art von Schönheit gibt.
Welche Ratschläge haben Sie für junge Models, die davon träumen, erfolgreich zu sein?
Mein wichtigster Ratschlag ist, authentisch zu bleiben und an sich selbst zu glauben. Lasst euch nicht von unrealistischen Schönheitsidealen entmutigen, sondern feiert eure Einzigartigkeit. Kontinuierliche Weiterbildung und das Erlernen neuer Fähigkeiten sind ebenfalls wichtig, sei es Lauftraining oder das Entwickeln neuer Mimiken und Gesten. Und vergesst nicht, zu netzwerken. Kontakte in der Branche sind unerlässlich. Mein Cousin hat zum Beispiel Kontakt zu Heidi Klum und wurde von ihr auf Instagram gepostet. Nutzt jede Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen, und bleibt immer authentisch. Ihr seid die Botschafter eurer eigenen Marke, und das muss nachhaltig wirken.