Der Neuzugang auf der Libero-Position soll nicht nur sportlich abliefern. Auch die Führungsqualitäten von Kyle Dagostino sind gefragt. Bei den BR Volleys trifft der US-Nationalspieler auf Landsmänner.
Mein Name klingt nach Musik, guter Laune und viel Spaß. Kyle Dagostino wurde von den BR Volleys aber natürlich nicht wegen seines Nachnamens, der stark an den von Star-DJ Gigi D’Agostino erinnert, verpflichtet. Der US-Amerikaner soll vor allem sportlich für prächtige Stimmung sorgen – zumindest ist das die Hoffnung der Verantwortlichen des deutschen Volleyball-Serienmeisters. Denn Dagostino ist ein sehr wichtiger Transfer für die kommende Saison, in der in der Bundesliga nichts anderes als Titel Nummer 15 das Ziel ist. Der Libero soll sofort in eine Führungsrolle schlüpfen, die dafür notwendige Erfahrung und Klasse hat er. Zuletzt führte der 29-Jährige die Nationalmannschaft der USA bei der Nations League als Kapitän aufs Feld, auch bei seinem französischen Ex-Club Narbonne Volley war er ein unumstrittener Leistungsträger.
Unumstrittener Leistungsträger
„Kyle bringt reichlich Erfahrung mit, ist außerdem energisch und dynamisch“, schwärmte Trainer Joel Banks vom Neuzugang, von dem er sich auch abseits des Feldes viel verspricht: „Er wird mit seinem Enthusiasmus eine Energiequelle für die Mannschaft sein und dazu seine kommunikativen und organisatorischen Stärken einbringen.“ Dass Dagostino neben den sportlichen auch seine menschlichen Qualitäten einbringen soll, bestätigte Geschäftsführer Kaweh Niroomand. „Bei der Suche nach einem neuen Mann auf dieser Position haben wir neben der sportlichen Qualität auch auf dessen Ausstrahlung auf die Mannschaft geschaut“, verriet der Deutsch-Iraner: „Kyle bringt beides mit.“ Auch deswegen glaubt Niroomand an einen Volltreffer auf dem Transfermarkt. „Wir haben eine Historie voller erstklassiger Liberos und ich bin optimistisch, dass Kyle Dagostino sich dort einreihen wird.“
Einer von Dagostinos Vorgängern auf der wichtigen Libero-Position war sein Landsmann Erik Shoji, der von 2014 bis 2016 das BR-Trikot trug. Der 34-Jährige ist als einziger Libero für das US-Olympiateam nominiert worden, während Dagostino bei der Nations League sein Können demonstrieren durfte. „Ich liebe es, für mein Land zu spielen. Deshalb nutze ich jede Chance, die sich mir dazu bietet“, sagte der Mann aus Florida. Dass er in Paris nicht um die Medaillen kämpfen darf, sei ein kleiner Wermutstropfen. Doch die Nicht-Nominierung scheint den Neu-Berliner nur noch mehr anzustacheln: „Olympia ist und bleibt dabei mein großer Traum, seit ich fünf Jahre alt bin.“ Der Wechsel nach Berlin und vor allem die Spiele mit dem deutschen Vorzeigeclub in der Champions League sollen ihn diesem Ziel ein Stück näherbringen.
„Es gibt eine gewisse Anzahl an Vereinen in Europa, die wir Athleten aus Übersee als außergewöhnlich professionell und erstrebenswert auf dem Radar haben. Die BR Volleys fallen in genau diese Kategorie“, schwärmte Dagostino über seinen neuen Arbeitgeber. Er trete seinen Dienst dort mit großem Eifer, aber auch mit reichlich Demut an. Der Wechsel sei für ihn „ein riesiger Schritt“, gab der Libero zu. Er fühlte sich aber „geehrt, diese Chance zu bekommen“ und freue sich „riesig auf die Aufgabe“. Seine neue Heimspielstätte kennt Dagos-tino bereits. Als Profi des slowenischen Spitzenclubs ACH Volley Ljubljana schlug der 1,75 Meter große Amerikaner zweimal in der Max-Schmeling-Halle auf – beide Male verließ er die Arena als Verlierer. Doch das hat den positiven Eindruck des „Volleyball-Tempels“, wie die BR Volleys ihre Heimspielstätte selbst nennen, nicht geschmälert. „Seit ich mein erstes Erlebnis gegen die BR Volleys hatte, war Berlin für mich stets ein Zielort“, sagte Dagostino.
Der Neuzugang kommt mit ganz genauen Ideen und Erwartungen nach Berlin. Er weiß natürlich, dass beim Hauptstadtclub, der zuletzt 2015 nicht Meister wurde, der Titel Pflicht ist. Alles andere wäre eine sportliche Enttäuschung und würde auch auf ihn zurückfallen. Dagostino aber glaubt fest, dass er das Spiel der Volleys bereichern kann. „Ich sehe mich quasi als Leader im Hinterfeld und möchte alles, was ich geben kann, einbringen“, äußerte er. Da die Rolle des Liberos mitunter „spielerisch etwas limitierend“ sein könne, versuche er, seinem Team „darüber hinaus zu helfen und möglichst viel positiven Einfluss zu nehmen“. Als Motivator, als Taktikflüsterer, als Wachmacher. Schon bei Ex-Club Narbonne hatte er eine ähnliche Rolle bekleidet, zumal um ihn herum sich viele junge Talente beweisen wollten. „Also war ich gefragt, so konstant wie möglich zu sein, damit alle sich entfalten konnten“, sagte Dagostino, der in diesem Umfeld selbst einen Leistungssprung machen konnte: „Der Spielstil in Frankreich ist attraktiv und schnell. Ich habe große Fortschritte gemacht und das letzte Jahr war mit Abstand das beste meiner Karriere.“
BR Volleys „in der internationalen Spitze“
In Berlin hoffen sie, dass Dagostino an das Niveau mindestens anknüpfen kann. Nicht umsonst haben sie ihn mit einem Zweijahresvertrag bis 2026 ausgestattet. Und der US-Nationalspieler, der aus einer Volleyball-Familie stammt, will dieses Vertrauen mit Leistungen zurückzahlen. „Die BR Volleys haben sich mittlerweile in der internationalen Spitze festgesetzt“, sagte er: „Ich möchte mich genau auf diesem Niveau beweisen und hoffentlich zu den nächsten Erfolgen beitragen.“ Auch in der Champions League, ganz besonders in den Heimspielen in der Schmeling-Halle. „Welcher Spieler möchte sich nicht mit den besten Mannschaften Europas in dieser Arena messen?“
Für den nächsten Angriff auf das Ziel Halbfinale in der Königsklasse wurde aber nicht nur Dagostino verpflichtet. Generell setzt der Club auf US-Power: Auch Dagostinos Landsmänner Jake Hanes und Matthew Knigge wurden unter Vertrag genommen. Trainer Banks lobte Knigge als „überaus intelligenten Spieler, der Disziplin und ein gutes Gespür für die Situation“ vereine und der mit diesen Attributen „ein absoluter Zugewinn für unsere Mittelblockerriege“ sei. Über Diagonalangreifer Hanes, der eine beeindruckende Armspannweite von 2,23 Metern aufweist, sagte Geschäftsführer Niroomand: „Jake steht noch immer am Anfang einer hoffentlich großen Karriere. Wir sind glücklich, ihn bekommen zu haben.“ Der 26-Jährige tritt ein schweres Erbe an. Er soll Marek Sotola ersetzen, der die BR Volleys verlassen hat. Das sei „natürlich alles andere als einfach“, weiß Niroomand, der in Hanes aber einen würdigen Nachfolger erkennt: „Wir haben nun mit Jake einen Spieler gefunden, der sich momentan in einem ähnlichen Entwicklungsstadium befindet wie Marek, als er zu uns nach Berlin kam.“
Neben Sotola verabschiedeten sich auch Timothée Carle, Timo Tammemaa, Satoshi Tsuiki, Saso Stalekar, Robert Täht und Leon Dervisaj aus dem Meisterteam. Dafür kehrt Außenangreifer Moritz Reichert, der von 2018 bis 2020 bereits für die Volleys spielte, zum Club zurück. Außerdem wurde auch Mittelblocker Florian Krage verpflichtet. Und Zuspieler Djifa Amedegnato aus dem eigenen Nachwuchs erhält nach einer guten Saison bei den Netzhoppers Königs Wusterhausen einen Vertrag.
Die Mannschaft wird sich also erst finden müssen, wenn sie zum Trainingsstart am 1. August zusammenkommt – zumindest zur Hälfte. Denn die andere, zu denen auch die deutschen Nationalspieler Ruben Schott, Tobias Krick und Johannes Tille gehören, weilt dann bei Olympia in Paris.