Jedes Mal, wenn man einen Murakami-Roman liest, wird man in eine Realität geführt, die unserer zwar ähnlich sieht, jedoch ganz anderen Gesetzen folgt. Die Grenzen zwischen der Welt, wie wir sie kennen, und auf der anderen Seite dem fast schon geisterhaft Fantastischen verlaufen fließend. Mitunter kommt es so vor, als ob die Grenzen sogar mitten in einem Satz überschritten werden.
Der mittlerweile 75-jährige japanische Schriftsteller Haruki Murakami ist ein Schwergewicht in der Literaturszene. Trotz vieler Preise, die er bekommen hat, blieb ihm bisher die größte Auszeichnung, der Literaturnobelpreis, verwehrt. Bestseller wie „Mister Aufziehvogel“, „Kafka am Strand“ und viele weitere machten den Wortmagier weltweit bekannt.
In seinem neuesten Roman „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ lässt Murakami seinen Ich-Erzähler, dessen Namen wir nicht erfahren, nach einer verlorenen Liebe suchen, was ihn in eine wundersame Stadt führt, welche von einer hohen Mauer umgeben ist. Um in diese Stadt zu gelangen, muss der Ich-Erzähler seinen Schatten abgeben.
Wie auch in vielen seiner anderen Bücher sind es diese beiläufig erwähnten wundersamen Dinge, die den Leser in eine Art poetische Traumwelt führen. Es wirkt jedoch niemals so, als wäre diese Poesie erzwungen, sie ergibt sich vielmehr ganz natürlich durch Murakamis einfache, dafür aber umso eindringlichere Erzählweise, die ihren ganz eigenen Sog entwickelt.
„Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ ist ein poetischer Roman, der von einer unbändigen, hintergründigen Spannung lebt. Man möchte wissen, ob der Ich-Erzähler seine verlorene Liebe wiederfindet, ob es diese Liebe überhaupt je gegeben hat oder er sich vielleicht alles nur eingebildet hat.
Wer bereits mit den Werken des Autors vertraut ist und seinen Stil schätzt, wird dieses neuerliche Meisterwerk sicherlich sofort ins Herz schließen. Aber auch allen anderen, die nach spannender Literatur mit philosophischem Tiefgang suchen, sei dieser Roman sehr empfohlen.