Er hatte sich selbst nur als Berufspilot verstanden. Doch seinen Weltruhm verdankte Antoine de Saint-Exupéry allein seiner literarischen Nebenbeschäftigung und seinem Kultbuch „Der kleine Prinz“. Der Mythos um seine Person wurde von seinem geheimnisumwitterten Flugzeugabsturz am 31. Juli 1944 genährt.
Mit seinen 44 Jahren hatte Antoine de Saint-Exupéry die Altersgrenze für Militärpiloten längst überschritten. Zudem waren die körperliche und psychische Verfassung des knapp zwei Meter großen Riesen nicht gerade als gut zu bezeichnen. Das wurde bei der Anfang 1944 erfolgten Reaktivierung zur seinerzeit noch auf Sardinien stationierten alliierten Fliegerstaffel wegen seines Renommees als Flieger und Buchautor offensichtlich wohlwollend übersehen – und auf sein Drängen hin. Mit seinem aufgedunsenen Leib und einem von Schmerzen aufgrund früherer Unfälle geradezu durchfluteten Körper konnte er sich nur noch mit Mühe ins Cockpit seiner amerikanischen Lockheed P-38 hineinzwängen.
Bei seiner zweimotorigen Maschine handelte es sich nicht um die Kampfversion dieses Flugzeug-Typs, sondern um die unbewaffnete Aufklärungsvariante F-5B, bei der die Bordkanonen durch Kameras ersetzt worden waren. Bei Feindkontakt war die Maschine daher wehrlos, der Pilot musste allein auf die Schnelligkeit und das außerordentliche Steigvermögen vertrauen, das kartografische Aufnahmen selbst aus einer Höhe von bis zu 10.000 Metern erlaubte. Angst vor dem Tod, dem er schon bei Bruchlandungen 1935 in der ägyptischen Wüste und 1938 über Guatemala von der Schippe gesprungen war, kannte Antoine de Saint-Exupéry aber offenbar nicht mehr.
Vielmehr ging er seinen auf den 31. Juli 1944 terminierten letzten Auftrag als Kriegsfreiwilliger mit einer Mischung von Fatalismus und Schwermut an. Das konnte aus einem kurz zuvor versandten Brief abgeleitet werden, den er an seine skandalumwitterte Ehefrau Consuelo geschickt hatte. Vor der Heirat 1931 hatte sie als Partylöwin mit Maya-Blut im Pariser Künstlermilieu für Aufsehen gesorgt. In dem Brief heißt es: „Ich widme mich, so intensiv es nur irgend geht, meinem Kriegsdienst. Sicherlich bin ich der älteste Kampfflieger der Welt … Sollte ich abgeschossen werden, werde ich nicht das geringste Bedauern empfinden. Mir graut vor dem Termitenhaufen der Zukunft.“
Eines der meistverkauften Bücher
Die Vorbereitung auf seine gefährliche Mission ging er denn auch überaus locker an. Es handelte sich um einen Erkundungsflug vom korsischen Bastia aus über das französische Alpengebiet rund um Grenoble und Annecy im Rahmen der unmittelbar bevorstehenden Landung der Alliierten in der Provence. In der Nacht zuvor hatte er kaum geschlafen, sondern sich nach einem Restaurantbesuch in Soldatenbars bis zum frühen Morgen amüsiert und dabei seine Kameraden mit seinen berühmten Karten- und Taschenspielertricks unterhalten. Nachdem Frühstück und einem letzten Briefing durch seinen Vorgesetzten, den Hauptmann René Gavoille, bestieg „Saint-Ex“, wie er häufig genannt wurde, das Cockpit. Und hob bei idealen Wetterbedingungen mit seiner Lockheed gegen 8.45 Uhr vom korsischen Flughafen Bastia-Poretta ab. Doch schon gegen 10.30 Uhr verlor die Bodenstation jeglichen Funkkontakt mit dem Piloten, dessen Rückkehr nach Treibstoff-Berechnungen spätestens gegen 13 Uhr hätte erfolgen müssen. Nachdem man bis um 14.30 Uhr gewartet hatte, wurde er von der US-Leitstelle in Korsika als vermisst gemeldet. Die Hintergründe des mysteriösen Verschwindens der Maschine und ihres Piloten konnten jahrzehntelang nicht aufgeklärt werden.
Sein 1943 veröffentlichtes philosophisches Märchen „Der kleine Prinz“ sollte sich zu einem Kultwerk der Nachkriegszeit sowie mit bis zu 145 Millionen Exemplaren zu einem der meistverkauften Bücher aller Zeiten entwickeln. Dadurch wurde Antoine de Saint-Exupéry in den Rang eines tragischen Helden und beinahe eines Mythos erhoben. Dabei wurden meist Vergleiche mit der Hauptfigur seines Weltbestsellers mithilfe eines berühmten Zitats daraus gezogen, weil auch dem von einem Asteroiden auf die Erde gefallenen Prinzen dank des Bisses einer Giftschlange die nebulöse Rückkehr zu seinem Heimatstern gelungen sein könnte: „Es wird aussehen, als wäre ich tot, und das wird nicht wahr sein.“
Die sterblichen Überreste Saint-Exupérys konnten trotz intensiver Suche nicht aufgefunden werden. Dafür konnte 1998 dank eines sich in einem Fischernetz verhedderten Zufallsfundes die Absturzstelle lokalisiert und das Wrack der Maschine 2003 vom Boden des Mittelmeers geborgen und anschließend anhand der Seriennummer eindeutig identifiziert werden. Es hatte sich bei dem Fund um das silberne Armband des Piloten gehandelt. Dabei war mit dem Fundort in der Nähe der unbewohnten Île de Riou südlich von Marseille ein neues Rätsel aufgekommen – denn er lag viel zu weit westlich von der vorgegebenen Flugroute.
Das hatte zu vielen Spekulationen über die Motive dieses ungeplanten Kurswechsels geführt. Womöglich wollte sich „Saint-Ex“ durch Aufnahmen der Häfen von Marseille oder Toulon bei seinen Vorgesetzten für weitere Einsätze empfehlen. Um die Ursachen für den Absturz ranken sich bis heute die wildesten Gerüchte. Doch es wird wohl niemals geklärt werden können, ob es sich womöglich um einen Suizid, einen technischen Defekt oder um den Abschuss durch deutsche Abfangjäger gehandelt hatte. Denn auch die 2008 bekannt gewordene Behauptung des vormaligen deutschen Jagdfliegers Horst Rippert, wonach er die Maschine vom Himmel geholt habe, konnte nicht verifiziert werden.
Bereits mit zwölf war er begeistert vom Fliegen
Als Antoine Marie Jean-Baptiste Roger Vicomte de Saint Exupéry am 29. Juni 1900 in Lyon das Licht der Welt erblickte und sein
Familienname in der Geburtsurkunde noch ohne Bindestrich festgehalten wurde, waren die finanziellen Verhältnisse vieler Familien des alten französischen Provinzadels schon längst nicht mehr beneidenswert. Was nutzten sanierungsbedürftige Schlösser, von denen auch das aus der Provence stammende Geschlecht der Saint Exupérys einige besaß, wenn die Privatkassen nicht mehr prall gefüllt waren? Nach dem frühen Tod des Vaters wuchs Antoine mit Mutter und Geschwistern abwechselnd im eigenen Schloss Saint-Maurice-de-Rémens im ostfranzösischen Département Ain oder im provenzalischen Schloss de la Môle seiner Großmutter im Département Var auf.
Nach dem Internatsbesuch konnte er 1917 das Abitur ablegen, scheiterte jedoch an der Aufnahmeprüfung für die angestrebte Ausbildung zum Marineoffizier gleich zweimal – ausgerechnet wegen Schwächen im Fach Literatur. Ein kurzes Architekturstudium in Paris brach er 1921 zugunsten des Wehrdienstes bei der Kavallerie in Straßburg ab, wo er sich zum Flugzeugmechaniker schulen ließ. Die Begeisterung für das Fliegen hatte ihn schon im Alter von zwölf Jahren als Beisitzer in einem Doppeldecker gepackt. Da ihm die Armeeleitung eine Pilotenausbildung verweigert hatte, nahm er private Flugstunden und konnte schon 1921 die Befähigung für die zivile und ein Jahr später auch für die militärische Luftfahrt erwerben. Da ihm die vornehme adlige Familie seiner damaligen Verlobten Louise de Vilmorin eine Pilotenanstellung strikt untersagt hatte, musste er sich kurzzeitig als kaufmännischer Angestellter in Pariser Firmen durchschlagen.
Doch nachdem sich die Liaison zerschlagen hatte und er erste Kontakte zu literarischen Kreisen in Paris knüpfen konnte, begann er 1923 seine Fliegerlaufbahn, zunächst mit Touristenflügen über Paris. Etwa zeitgleich zu seiner Festanstellung bei einer in Toulouse ansässigen Luftfrachtgesellschaft als Pilot für Postflüge zwischen Toulouse, Dakar und Casablanca, erschien im April 1926 sein Debüt-Werk „Der Flieger“ in einem Literatur-Magazin. Die Verbindung von Fliegerei und Erzählkunst war etwas gänzlich Neues und prägte auch das mit acht Werken ziemlich überschaubare Schreiben von Saint-Exupéry.
Er war auch kurz Direktor für Nachtflüge
Denn keinen Bezug zur Fliegerei gab es eigentlich nur in seinem 1948 posthum veröffentlichten Spätwerk „Stadt in der Wüste“, das er selbst als sein Haupt-Opus angesehen und an dem er mehr als zehn Jahre lang gearbeitet hatte. Dafür war sie das wesentliche Element in „Südkurier“ (1928), „Nachtflug“ (1931), seinem mit dem „Prix Femina“ ausgezeichneten und von Hollywood verfilmten literarischen Durchbruch „Wind, Sand und Sterne“ (1939), seinem ersten Bestseller, „Bekenntnis einer Freundschaft“ (1941), „Flug nach Arras“ (1942) und in gewissem Maß auch bei „Der kleine Prinz“ (1943).
Seine Karriere als Pilot führte ihn im Auftrag einer Toulouser Firma über die Leitung eines Wüstenflugplatzes in Marokko zwischen 1927 und 1929 zum Direktor der für Nachtflüge zuständigen Aeroposta Argentina in Buenos Aires, zwischen 1929 und 1931. Danach arbeitete er wieder als Streckenpilot in Afrika und erhielt 1934 eine Anstellung bei der neu gegründeten Air France mit dem Hauptaufgabengebiet Langstreckenflüge nach Asien.
Nach Kriegsausbruch war er zunächst als Pilotenausbilder, danach im Cockpit bei einem Aufklärungsgeschwader tätig. Im Dezember 1940 setzte sich Saint-Exupéry ins Exil nach New York ab, um im Frühjahr 1943 in das inzwischen von anglo-amerikanischen Truppen kontrollierte Algerien zu wechseln. Anschließend wurde er als Aufklärungsflieger in Tunesien, auf Sardinien und Korsika stationiert.