Das Bundesfinanzministerium ändert die Steuerklassen, um das System an neue Realitäten anzupassen und Steuerlasten gerechter zu verteilen. Die Debatte darüber ist entbrannt, denn es geht auch um das Ehegattensplitting.
Steuerliche Entlastungen – ein Wunschprojekt der Ampelkoalition nimmt gerade seinen Weg durch die Berliner Ministerien in der Ressortabstimmung. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will noch 2024 Milliardenentlastungen für die Steuerzahler vorantreiben. Aber nicht alle sind mit der Art und Weise, wie dies geschieht, einverstanden.
Stein des Anstoßes besonders für die CSU ist die Reform der Steuerklassen; unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, dies benachteilige Familien, sie würden weniger Netto vom Brutto haben. Christian Lindner will, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, die Steuerklassen 3 und 5 in eine Steuerklasse 4 mit Faktorberechnung überführen, das sei unbürokratisch und fairer als das alte Modell.
CSU fürchtet Mehrbelastung
Was einigermaßen technisch klingt, hat folgenden Hintergrund: Ehepartner konnten bislang die Steuerklassen 3 und 5 für sich wählen, wenn die Differenz beider Gehälter sehr unterschiedlich war – dies lohnte sich, wenn der Unterschied mindestens zehn Prozent betrug. Dass damit Steuern gespart werden konnten, ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum: Indem der Besserverdienende den doppelten Grundfreibetrag und den gesamten Kinderfreibetrag für sich verbuchen konnte, während der Geringverdiener die volle Steuerlast trug, waren die Steuerzahlungen in diesen Fällen monatlich vergleichsweise moderat. Bei der Jahres-Einkommenssteuererklärung wurde dies verrechnet und führte mitunter, je nach Fall, zu hohen Steuernachzahlungen.
Mit dem neuen Modell würden beide Partner in Steuerklasse 4 veranschlagt und hätten beide über das Jahr gesehen etwas mehr Steuern zu zahlen. Das Faktorverfahren veranschlagt beide Partner nach dem jeweiligen Anteil am Gesamteinkommen. Der Geringverdienende würde, weil er seinen eigenen Grundfreibetrag nun erhält, monatlich jedoch mehr Netto vom Brutto übrig haben. Weil beide anteilig ihre Steuer bereits entrichtet haben, muss bei der Jahres-Einkommenssteuererklärung nun mit weniger Nachzahlungen, wenn überhaupt, gerechnet werden. Das Gesamtsteueraufkommen bleibt in beiden Fällen gleich, in Steuerklasse 4 wird es nur zeitlich anders verteilt, eben fairer, so die Koalition.
Hintergrund dieser Änderungen: Meist sind es Frauen, die in der Partnerschaft als Teilzeit- oder Minijobberinnen etwas hinzuverdienen. Die Koalition verbindet damit die Hoffnung, Frauen mehr zum Arbeiten zu motivieren, um die Beschäftigungslücken in Deutschland zu schließen. Noch immer sind 78 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten in Deutschland Frauen.
Mit dieser Reform ergeben sich jedoch auch Nachteile. Der Besserverdienende hat etwas weniger netto übrig, der geringerverdienende Partner etwas mehr. Im ersten Jahr dieser Reform müssten die deutschen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften die etwas höhere Steuerlast pro Monat aus dem laufenden Einkommen zahlen. Erst ein Jahr später schlagen die Entlastungen zu Buche – weil es kaum Nachzahlungsforderungen gibt, dafür je nach Einzelfall auch schon mal eine Steuerrückzahlung vom Finanzamt.
Weitere Nachteile könnten sich jedoch mittelfristig bei den Lohnersatzleistungen herausstellen, fürchtet der Bund der Steuerzahler. „Bei der Steuerklassenkombination 4 mit Faktor entspricht der Lohnsteuerabzug der voraussichtlichen Jahressteuerschuld schon ziemlich genau“, so Hans-Ulrich Liebern, Leiter der Steuerabteilung des BdSt NRW. „Nachteile werden sich durch die Abschaffung der Steuerklassenkombination 3 und 5 insbesondere bei den Lohnersatzleistungen wie Elterngeld, Mutterschaftsgeld, Arbeitslosengeld I und Krankengeld ergeben.“ Und er liefert dafür auch ein Beispiel. Grundsätzlich werden jene Lohnersatzleistungen ausgehend vom Nettoentgelt berechnet. Durch einen rechtzeitigen Wechsel in die dafür günstigere Steuerklasse, in der Regel Steuerklasse 3, konnte ein Elternteil beispielsweise ein höheres Elterngeld beziehen. Ein Rechenbeispiel: Liegt der Bruttoverdienst bei 2.800 Euro brutto pro Monat, fällt in der Steuerklasse 5 eine Lohnsteuer von 598,66 Euro an. Bei einem Wechsel von Steuerklasse 5 in Steuerklasse 3 fällt eine Lohnsteuer von 38,33 Euro an. Die Differenz beim Nettoentgelt bei gleichbleibenden Sozialabgaben beträgt 560,33 Euro. Das Elterngeld, laut Gesetz 65 Prozent des Nettogehaltes, betrüge also in Steuerklasse 5 364 Euro mehr Elterngeld im Monat als in Steuerklasse 3.
Bei einem Wechsel in die Steuerklasse 4 fällt 283,83 Euro Lohnsteuer an. Die Differenz zur Steuerklasse 5 beträgt 315,33 Euro, davon 65 Prozent wären 205 Euro. „Allerdings sind bestimmte Fristen zu beachten, bis zu denen eine Steuerklassenwechsel vorgenommen werden muss. So gilt beim Arbeitslosengeld 1 die Steuerklasse zu Jahresbeginn. Beim Elterngeld muss der Wechsel spätestens sieben Monate vor dem Mutterschutz vorgenommen worden sein“, so Liebern.
Die Reform der Lohnsteuerklassen berührt das sogenannte Ehegattensplitting dabei nicht. Sollte es jedoch, ginge es nach dem Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW), das sich schon vor Jahren für eine Abschaffung des Ehegattensplittings ausgesprochen hat. Die FDP jedoch betont, dass sie dieses Prinzip nicht anrühren werde. Ein Ende würde einer deutlichen Steuererhöhung gleichkommen, so die Liberalen – das DIW jedoch bemängelt, dass gerade jenes Steuersparmodell politische Gleichstellungsbemühungen unterlaufen würde.
Um das Ehegattensplitting gibt es seit Jahren immer wieder Diskussionen. Bei dem Verfahren wird das gemeinsame Einkommen eines Paares rechnerisch halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Davon profitieren bei der Steuer vor allem Paare, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Begründet wird dies mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie.
Steuerlast fairer übers Jahr verteilt
Aus Sicht von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bereitet jedoch gerade jene Reform der Steuerklassen den Weg zu einem Aus des Ehegattensplittings, das bereits seit Jahren umstritten ist. „Es ist ein Instrument, das allein die klassische Ehe steuerlich begünstigt. Und das, obwohl vielfältige Familienmodelle längst Teil unserer Gesellschaftsrealität sind“, so Paus in der „Bild“. „Es setzt falsche Erwerbsanreize für Frauen, führt zu einer hohen Teilzeitbeschäftigung mit Folgen wie geringere Lohnersatzleistungen bei Kurzarbeitergeld oder Erwerbslosigkeit und auch zu geringen Rentenansprüchen und mehr Altersarmut bei Frauen.“ Eheleute, die heute vom Splitting profitierten, dürften bei einer Abschaffung aber keine Nachteile haben. Dafür seien Übergangsregelungen nötig.
Die CSU im Bundestag lehnt eine Abschaffung des Ehegattensplittings strikt ab. Ihr Vorsitzender Alexander Dobrindt kritisierte scharf einen entsprechenden Vorstoß der Grünen-Familienministerin Lisa Paus. „Der grüne Angriff auf das Ehegattensplitting ist ein Angriff gegen die Mitte der Gesellschaft. Die Grünen erhöhen die Steuern für Millionen Familien in Deutschland“, sagte Dobrindt. Auch der Bund der Steuerzahler spricht sich für die Beibehaltung des Ehegattensplittings aus und plädiert für eine Ausweitung zu einem Partnerschaftstarif.
Bis 2030 soll die Umstellung auf die neue Steuerklasse abgeschlossen sein, heißt es. Ob diese Umstellung tatsächlich mehr Frauen dazu bewegt, mehr zu arbeiten, weil sie monatlich mehr Netto auf ihrem Konto verzeichnen, bleibt jedoch abzuwarten. Denn vor allem das Ehegattensplitting, das hohe Einkommensunterschiede in der Partnerschaft weiterhin steuerlich begünstigt, könnte dieser Hoffnung der Koalition einen Strich durch die Rechnung machen.