Bislang galten sämtliche Alternativen zur klassischen Hormontherapie als weitaus weniger hilfreich. Zudem konnte ihre Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien kaum belegt werden. Der seit Februar in Deutschland erhältliche hormonfreie Wirkstoff Fezolinetant ist der neue Hoffnungsträger gegen das Hauptsymptom Hitzewallungen.
Rund zehn Millionen Frauen in Deutschland durchlaufen derzeit die Lebensphase der Wechseljahre. Wobei schätzungsweise bis zu 85 Prozent der Damen mehr oder weniger stark vom Hauptbeschwerde-Symptom der Hitzewallungen und nächtlicher Schweißausbrüche betroffen sind. Die dadurch verursachte teils erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität kann bei der Hälfte aller Frauen mehr als sieben Jahre lang während der menopausalen Transition andauern. Bislang war die einzige Behandlung gegen Wechseljahresbeschwerden mit einem wissenschaftlich anerkannten Wirksamkeitsnachweis die Hormontherapie. Die allerdings wegen möglicher und teils gravierender Nebenwirkungen, bei Vorliegen bestimmter Vorerkrankungen (besonders bei Brustkrebs) oder wegen der generellen Ablehnung einer hormonellen Behandlung für viele Frauen nicht infrage kommt.
Alternativen zur Hormontherapie sind zum Beispiel Verhaltenstherapien, speziell die achtsamkeitsbasierte Therapie oder die kognitive Verhaltenstherapie zur Linderung der Hitzewallungen. Auch pflanzliche Arzneimittel, also die sogenannte Phytotherapie, sollen helfen, zum Beipiel mit Traubensilberkerze, Johanniskraut, Mönchspfeffer oder Sibirischem Rhabarber. Daneben haben manche Frauen auch Hilfe bei Nahrungsergänzungsmitteln auf Basis sogenannter Isoflavone gesucht. Dabei handelt es sich um sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die insbesondere in Sojabohnen, aber auch in Rotklee oder Kudzu vorkommen. Ihre Struktur und Wirkungsweise ähneln der des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen (fachsprachlich: Estrogen). Deshalb werden sie auch als sogenannte Phytoöstrogene bezeichnet.
Isoflavone ähneln Östrogen
Am ehesten konnten den Verhaltenstherapien und im Rahmen der Phytotherapie der vergleichsweise häufig untersuchten Traubensilberkerze eine gewisse Wirksamkeit bei Wechseljahresbeschwerden, vor allem auch gegen Hitzewallungen, in einigen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden.
Die als Tabletten, Kapseln oder Dragees im Handel frei erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel können, entgegen der blumigen Versprechungen der Hersteller, kaum nennenswerte Abhilfe bei Hitzewallungen schaffen. Sie müssen sich daher hinter Alltagshandreichungen wie Entspannungstechniken, Akupunktur, gesunder Ernährung oder sportlicher Betätigung einreihen.
In der Leitlinie für Ärzte werden als Alternativen für die medizinisch bevorzugte Hormontherapie im Sinne einer „evidenzbasierten Empfehlung“ die kognitive Verhaltenstherapie, die Vergabe von pharmazeutischen Isoflavonen und Traubensilberkerzen-Präparaten genannt. Zudem wurde ein „möglicher Nutzen“ unter anderem auch einer sogenannten phytoöstrogenreichen Ernährung, dem Johanniskraut und der Akupunktur attestiert, während ein Nutzen von sportlichen Aktivitäten, Tiefenentspannung, Vitamin E-Gabe oder dem Einsatz von diversen chinesischen Kräutern als „unwahrscheinlich“ eingestuft wurde. Grundsätzlich rät die Leitlinie von Isoflavone-Nahrungsergänzungsmitteln ab, da für Arzneimittel mit den entsprechenden Inhaltsstoffen höhere und kontrollierte Qualitätsstandards verbindlich sind.
Alles Schnee von gestern, so könnte man etwas salopp mit Blick auf den neuen hormonfreien Wirkstoff Fezolinetant formulieren, den der japanische Hersteller Astellas Pharma unter dem Handelsnamen „Veoza“ auf den Markt gebracht hat. Das Präparat hatte im Juni 2023 die Zulassung in den USA und im Dezember 2023 in der EU erhalten. In Deutschland ist es seit Februar 2024 verschreibungspflichtig in den Apotheken erhältlich. Es kann erwiesenermaßen Hitzewallungen in den Wechseljahren ohne hormonelle Inhaltsstoffe reduzieren. Und ist damit so etwas wie ein Gamechanger in der Therapie dieses Symptoms und vor allem auch für Brustkrebs-Patientinnen fraglos der neue Hoffnungsträger. Die „Pharmazeutische Zeitung“ honorierte dies sogar mit der selten verliehenen Bezeichnung einer „Sprunginnovation“. Diese steht definitionsgemäß für ein neues Diagnose- oder Therapie-Verfahren im Gesundheitswesen, das einen bedeutenden medizinischen Fortschritt darstellt. Damit nicht genug, steht bereits mit dem vom Leverkusener Bayer-Konzern entwickelten und ebenfalls hormonfreien Wirkstoff Elinzanetant ein weiteres Medikament in den Startlöchern, das neben der Bekämpfung der Hitzewallungen wohl auch die Schlafstörungen signifikant lindern kann. Die im März 2024 von Bayer veröffentlichten Ergebnisse der Phase-III-Studie waren jedenfalls sehr überzeugend.
Wirkstoff greift direkt im Gehirn ein
Doch zurück zu Fezolinetant, das täglich oral in einer empfohlenen Dosis von 45 Milligramm als Filmtablette zur Behandlung von moderaten bis schweren vasomotorischen Symptomen (Hitzewallungen oder nächtlichen Schweißausbrüchen) geschluckt werden muss. Der Ansatz ist überaus innovativ, weil der Wirkstoff direkt an der Quelle der Hitzewallungen im Gehirn und dem dortigen Wärmeregulationszentrum eingreift. Im Hypothalamus wird das weibliche Temperaturempfinden durch ein ausgeklügeltes Wechselspiel zwischen Östrogenen und sogenannten Neurotransmittern normalerweise bestens geregelt und ausgependelt. Vor dem Eintritt der Menopause besteht im weiblichen Körper in diesem thermoregulatorischen Zentrum daher ein Gleichgewicht zwischen dem Geschlechtshormon Östrogen und einem Neurotransmitter namens Neurokinin B (NKB). Mit Eintritt der Wechseljahre gerät dieses Gleichgewicht wegen der Abnahme des Östrogenspiegels aus dem Ruder. Als Folge kann NKB die Nervenbahnen des Temperaturzentrums unkontrolliert befeuern, während die bremsende Funktion des natürlichen Gegenspielers Östrogen nach und nach wegfällt. Der weibliche Körper kann daher von Hitzewellen geflutet werden. Da sowohl Östrogen als auch NKB spezifische Rezeptoren an den Nervenzellen benötigen, um diese beeinflussen zu können, bestand der logische Forschungsansatz darin, die Andockstelle von Neurokinin B durch eine wirksame Substanz zu blockieren und damit dessen Wirksamkeit auszuschalten. Genau diese Aufgabe übernimmt der Wirkstoff Fezolinetant als sogenannter selektiver Antagonist, der die Bindung von NKB blockieren und damit die Wärmeregulation wieder normalisieren kann. „Das Feuer wird dort gelöscht, wo es brennt“, so der Freisinger Gynäkologe Dr. Ludwig Baumgartner.
An den Zulassungsstudien hatten insgesamt 1.022 postmenopausale Frauen teilgenommen. Nach vierwöchiger Einnahme des Wirkstoffs konnten die Attacken um bis zu 55 Prozent gesenkt werden. Nach zwölf Wochen konnte dieser Wert sogar auf bis zu 63 Prozent erhöht werden und damit in den Wirksamkeitsbereich der Hormontherapie vorstoßen.
Die Nebenwirkungen waren vergleichsweise moderat, wobei Durchfall, Schlaflosigkeit sowie Kopfschmerzen am häufigsten genannt wurden und nur relativ selten erhöhte Leberwerte festgestellt wurden. Zugelassen ist die Verschreibung von Fezolinetant für Frauen mit mittleren bis starken vasomotorischen Beschwerden. Bei Frauen mit schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörungen wird zu Vorsicht bei der Einnahme des Medikaments geraten. Auch bei einer noch nicht abgeschlossenen Krebstherapie gegen einen hormonabhängigen Tumor rät der Hersteller vom Einsatz des Medikaments ab. Auch Frauen, die bestimmte Präparate gegen Depressionen einnehmen, sollten auf Fezolinetant verzichten. Für Frauen, die wegen einer Vorerkrankung keine Hormone zuführen dürfen und daher in den Wechseljahren auch keine Hormontherapie in Anspruch nehmen können, wird das neue Medikament, das zwar nur die Hitzewallungen, aber nicht weitere Symptome wie Stimmungsschwankungen, Antriebsprobleme oder Konzentrationsschwächen bekämpfen kann, wohl ein großer Segen sein.
Moderate Nebenwirkungen
Aus fachärztlicher Sicht sollten Frauen unter 45 Jahren laut dem „Deutschen Ärzteblatt“ aber dennoch immer möglichst eine Hormonersatztherapie zur Behandlung von Hitzewallungen bekommen. „Ältere Frauen in der Postmenopause und viele andere könnten jedoch von dem neuen Mittel profitieren“, so das „Deutsche Ärzteblatt“. Grundsätzlich war das Echo auf Fezolinetant in der hiesigen Mediziner-Welt sehr positiv ausgefallen.
Für die Münchner Gynäkologin Dr. Isabella Brandl ist das Medikament „eine wichtige Alternative gerade für Frauen, die eine Kontraindikation für Hormone oder aber Angst vor einer Hormoneinnahme haben“. Ähnlich äußerte sich Dr. Katrin Schaudig, Präsidentin der deutschen Menopausen-Gesellschaft, gegenüber der „Apotheken Umschau“: „Ich finde, das ist eine sehr spannende Substanz, man hat wirklich viel daran getüftelt. Sie setzt direkt im Hypothalamus an, wo Hitzewallungen ausgelöst werden. Die Studien zeigen eine erstaunliche Wirksamkeit.“ Zudem sei es erfreulich, endlich ein weiteres wirksames Präparat gegen Wechseljahresbeschwerden zu haben. „Je mehr wir im Angebot haben, desto individueller können wir Frauen beraten.“
Was noch fehlt, wäre ein direkter Vergleich der Wirksamkeit von Fezolinetant mit der Hormonersatztherapie bezüglich der Behebung von Hitzewallungen. Die „Pharmazeutische Zeitung“ geht nicht davon aus, dass das neue Medikament die Hormonersatztherapie komplett ablösen wird, weil es bestimmte positive Effekte der Therapie beispielsweise zum Schutz der Knochen nicht bereitstellen kann.
Spannend dürfte folglich der zu erwartende künftige Markteintritt des Bayer-Wirkstoff Elinzanetant werden, weil dieser eben auch noch gegen Schlafstörungen helfen soll. Ob die bislang gängige alternative Phytotherapie mit auf pflanzlichen Wirkstoffen beruhenden Phytopharmaka und Phytoöstrogenen wie den Isoflavonen (die in Sojaprodukten, Erbsen oder Bohnen enthalten sind und von denen das Isoflavon namens Genistein gemeinhin am höchsten gehandelt wird) oder den Lignanen (in Leinsamen, Linsen, Erdnüssen oder Kürbis- und Sonnenblumenkernen) weiter Bestand haben wird, dürfte jedoch ziemlich fraglich sein. Auch wenn mit diesen pflanzlichen Wirkstoffen teilweise anderen Symptomen als den Hitzewallungen entgegengetreten wird. Ein Traubensilberkerzenextrakt gegen Hitzeattacken wird aber wohl nicht mehr gebraucht werden. Und von den hoch angepriesenen Nahrungsergänzungsmitteln auf Basis von Soja und Rotklee sollte frau ohnehin die Finger lassen.