Die Menopause der Frau ist ein weithin bekanntes Phänomen. Gibt es etwas Ähnliches auch bei Männern? Prof. Dr. Michael Zitzmann vom Universitätsklinikum Münster klärt auf.
Schlappheit, Müdigkeit, depressive Verstimmung, Libidoverlust: Manch ein Mann fortgeschrittenen Alters klagt über diese Beschwerden, von denen einige an die der weiblichen Menopause erinnern. Das war womöglich auch ein Hintergedanke bei der Schaffung des Begriffs „Andropause“ (altgriechisch für „Mann“ und „Ende“), den man hin und wieder liest. Ganz zutreffend ist diese Assoziation jedoch nicht, obwohl es zwischen beiden Phänomenen Gemeinsamkeiten gibt. „Tatsächlich sagen die Andrologen, dass es so etwas wie ‚Andropause‘ gar nicht gibt“, sagt Prof. Dr. Michael Zitzmann. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie (Männerheilkunde) sowie Sexualmediziner. Als Oberarzt der Andrologie des Universitätsklinikums Münster hat er schon einige Patienten behandelt, die unter den genannten Beschwerden gelitten haben.
Andropause gibt es nicht
Wie bei der Menopause ist auch bei dem „Andropause“ genannten Phänomen, welches laut Prof. Zitzmann medizinisch korrekt „funktioneller Hypogonadismus“ heißt, eine nachlassende Hormonproduktion Ursache für die Beschwerden. Genauer gesagt ist das Hormon Testosteron ausschlaggebend. Bei Männern ist es das wichtigste Geschlechtshormon, das hauptsächlich von speziellen Zellen der Hoden, den Leydig-Zellen, produziert wird.
Testosteron wird mit Männlichkeit und Sexualität in Verbindung gebracht. Tatsächlich aber hat es im Körper weitaus vielfältigere Funktionen: So hat es etwa Einfluss auf Knochen, Muskeln, Blutgefäße und auf die Blutzucker-Regulation. Entsprechend kann ein Mangel an Testosteron für die Patienten merkliche Folgen haben. „Ich fühl mich so müde und schlapp“ ist laut Prof. Zitzmann die klassische Klage der betroffenen Männer – begleitet von Antriebslosigkeit und nachlassender Leistungsfähigkeit auf der Arbeit, im Sport und im Bett.
Verborgen bleiben den meisten Betroffenen zunächst ernsthaftere gesundheitliche Folgen des hormonellen Ungleichgewichts. „Sie sagen nicht ‚Ich habe eine Osteoporose‘ oder ‚ich habe eine Anämie‘ oder ‚ich habe einen Diabetes, der sich nicht einstellen lässt‘, das wären auch Symptome. Aber das finden wir dann heraus“, berichtet der Androloge.
Doch wie kommt es überhaupt zu einem Testosteronmangel? Genau da liegt der wesentliche Unterschied zur Menopause der Frau. Denn während die nachlassende Hormonproduktion bei Frauen altersabhängig und ein ganz normaler Prozess ist, wird ein Testosteronmangel beim Mann nicht primär durch das Lebensalter ausgelöst – und kommt bei gesunden Männern sogar gar nicht vor.
Prof. Zitzmann schätzt, dass quer über alle Altersstufen hinweg nur etwa fünf bis zehn Prozent der Männer einen ungewöhnlich niedrigen Testosteronspiegel haben, und bei vielen von ihnen sei der Mangel so gering ausgeprägt, dass keine Symptome eintreten. Dass ältere Männer häufiger betroffen sind, lasse sich damit erklären, dass mit steigendem Lebensalter das Risiko für verschiedene Erkrankungen steigt, die auch Einfluss auf die Testosteronproduktion nehmen können. Die häufigste Ursache für den funktionellen Hypogonadismus ist laut Prof. Zitzmann jedoch Übergewicht: Ein BMI über 30 erhöhe das Risiko eines Testosteronmangels, und im Schnitt lasse sich auch eine Korrelation feststellen. „Je mehr Übergewicht, desto niedriger das Testosteron“, so Prof. Zitzmann. Zu erklären ist dies mit entzündlichen Substanzen aus dem Bauchfettgewebe, welche die Leydig-Zellen schädigen und zusätzlich dafür sorgen, dass der Körper einem Testosteronmangel nicht mehr gegensteuert. Ein Teufelskreis: Denn der Testosteronmangel wiederum begünstigt eine weitere Gewichtszunahme.
Seltener sind andere Ursachen für einen zu niedrigen Testosteronspiegel: So können die Leydig-Zellen der Hoden durch Verletzungen, Entzündungen oder Hodentumore geschädigt werden oder aufgrund angeborener Erkrankungen in ihrer Funktion eingeschränkt sein.
Sind die Beschwerden des funktionellen Hypogonadismus nicht mehr tragbar, dann lässt er sich auch behandeln– am einfachsten durch das künstliche Zuführen von Testosteron. Das funktioniert entweder regelmäßig per Spritze oder über ein Gel zum Auftragen. Besteht bei dem Patienten allerdings in nächster Zeit ein Kinderwunsch, wird es komplizierter. Denn Testosteron, das dem Körper von außen zugeführt wird, unterdrückt auch die Spermienproduktion. Um zu verstehen, warum, ist ein umfassenderer Blick auf das Hormonsystem nötig. Denn die Produktion des Geschlechtshormons Testosteron wird ihrerseits durch Hormone gesteuert.
Der Regulationsmechanismus nimmt seinen Anfang im Hypothalamus, einem Hirnareal. Der Hypothalamus wirkt auf die Hirnanhangsdrüse, eine etwa haselnussgroße Hormondrüse, die bei beiden Geschlechtern etwa auf Höhe des Nasenbeins unterhalb des Gehirns sitzt. Dort stimuliert der Hypothalamus bei Bedarf die Freisetzung der Hormone LH und FSH – und zwar immer beide im Verbund. LH wirkt auf die Leydig-Zellen der Hoden und stimuliert dort die Testosteronproduktion, FSH dagegen stimuliert in den Hoden die Spermienproduktion. Sinken die Testosteronspiegel zu stark ab, veranlasst der Hypothalamus eine stärkere LH- und FSH-Freisetzung aus der Hirnanhangsdrüse, um den Mangel auszugleichen. Wird Testosteron jedoch dem Körper von außen zugeführt, stellt der Körper ständig ausreichend hohe Testosteronspiegel fest – womit auch die Ausschüttung von LH und FSH gehemmt wird. Da FSH aber eine wichtige Rolle bei der Spermienproduktion spielt, kann diese zum Erliegen kommen.
Testosteronmangel
Diese Nebenwirkung der unterdrückten Spermienproduktion bei Testosterongabe wird aktuell noch in anderer Hinsicht erforscht: Testosteron könnte auch als „Pille für den Mann“ eingesetzt werden. Besonders in Kombination mit einem weiteren Geschlechtshormon, Gestagen, unterdrückt es die Ausschüttung von LH und FSH und damit letztendlich die Spermienproduktion sehr zuverlässig. Das Prinzip ist dem der Pille für die Frau ähnlich. „Die Nebenwirkungen sind aber auch ähnlich. Etwa zehn bis 15 Prozent der Männer nehmen, durch dieses Gestagen wahrscheinlich, dann an Gewicht zu, haben Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression, Libidoverlust… Das, was die Frauen auch von der Pille berichten“, erklärt Prof. Zitzmann. Darum sei auch eine Studie zur Pille für den Mann, die von der Uniklinik Münster geleitet wurde, von der WHO gestoppt worden, obwohl sich die Wirksamkeit der Empfängnisverhütung als besser erwiesen hatte als die der Pille für die Frau. „Zehn bis 15 Prozent waren der WHO zu viel für Männer. Obwohl es den Frauen ja zugemutet wird.“ Nichtsdestotrotz laufe die Forschung aber weiter.
Was also tun, wenn die Zeugungsfähigkeit während der Therapie bestehen bleiben soll? „Eine Möglichkeit wäre, die Hormone der Hirnanhangsdrüse zu spritzen. Das geht schon, ist aber etwas aufwändiger und viel teurer.“
Testosteron gilt als das Männerhormon schlechthin, doch es kommt nicht nur im männlichen Körper vor: Auch die Eierstöcke und Nebennieren der Frau produzieren Testosteron – allerdings in deutlich geringeren Mengen als die Hoden beim Mann. Im Körper der Frau wird ein Teil des Testosterons zum weiblichen Geschlechtshormon Östrogen umgebaut. Wird Östrogen durch die Empfängnisverhütungs-Pille künstlich zugeführt, kann das dazu führen, dass die körpereigene Östrogenproduktion inklusive der Produktion des Vorläufers Testosteron zum Erliegen kommt. Eine Erklärung dafür, dass viele Nebenwirkungen der Pille – etwa Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen oder Libidoverlust – denen des Testosteronmangels bei Männern entsprechen.
Und auch bei Frauen in den Wechseljahren kann es bisweilen zu einem Testosteronmangel mit entsprechenden Beschwerden kommen. „Die Hormonersatztherapie für Frauen in der Menopause wird immer mit Östrogen und Gestagen gemacht, aber eigentlich gehört ein bisschen Testosteron dazu“, sagt Prof. Zitzmann.