Daniela Unterstab war 46, als sich die Wechseljahre erstmals bei ihr bemerkbar machten. Ein Interview über Symptome, Irrtümer, Aufklärung und Austausch und ihren Blog www.diealte.de rund um das Thema Menopause.
Frau Unterstab, wie alt waren Sie, als Sie merkten, dass sich Ihr Körper verändert?
Ich war circa 46 Jahre, als ich merkte, dass sich mein Körper verändert. Ich hatte verstärktes PMS, die Laune war oft im Keller, ich zickte meinen Mann an, ich war unausgeglichen und mit dem Ein- und Durchschlafen wollte es nicht mehr so recht klappen. Dann verstärkten sich noch meine Allergien und ich bekam sogar neue Unverträglichkeiten und einen Hautausschlag, der nicht mehr wegging.
Wie ging es dann weiter?
Mit dem Symptom Ausschlag bin ich damals nicht zu meinem Frauenarzt gegangen, sondern zu einem Hautarzt. Er diagnostizierte Nesselsucht. Leider habe ich diese nicht in den Griff bekommen und bin dann nach einer Kur, wenig Besserung und einem gewissen Leidensdruck in eine Hautklinik gegangen. Für einen sechswöchigen Aufenthalt, um herauszufinden, wo diese Nesselsucht, die mit Quaddeln und starkem Juckreiz den Alltag lähmte, herkommt.
In der Klinik wurde ich resettet, alles wurde auf Null gestellt. Ich habe gefastet, um zu schauen, womit der Ausschlag in Verbindung steht, da ich schon seit geraumer Zeit ständig Reaktionen hatte, wenn ich etwas gegessen hatte. Mein Körper hatte zu viel Histamin, das hat den Ausschlag verursacht.
Das und die Suche nach weiteren Ursachen hat gut funktioniert. Außerdem wurde noch eine Schwermetallvergiftung festgestellt. Nach dem Ausleiten dieser und dem Reset ging es mir langsam besser.
Nach meiner damaligen Vorstellung kam man so mit 50 Jahren langsam in die Wechseljahre. Also konnte es das noch nicht sein – schließlich war ich erst 46.
Leider wusste ich zu diesem Zeitpunkt nichts über den schwankenden Hormonhaushalt und dass die Wechseljahre auch schon mit Ende 30 losgehen können. Rückblickend betrachtet, kann ich heute meine Nesselsucht mit dem Hormonabfall in Verbindung bringen.
Wie war es für Sie, als Sie erfuhren, dass Sie in den Wechseljahren sind?
Erst mit 48 Jahren hatte ich den leisen Verdacht, dass es bei mir doch schon die Wechseljahre sind – als ich ein Myom hatte und eine OP bevorstand. Mein Gynäkologe wies mich in dem Zusammenhang darauf hin. Dabei hatte ich meine Periode damals noch regelmäßig. Dachte ich zumindest. Wenn ich es wirklich getrackt hätte, hätte ich festgestellt, dass mein Zyklus längst kürzer als 28 Tage war. Ein erstes Anzeichen, dass man in die Wechseljahre kommt. Als ich dann gecheckt hatte, dass es die Wechseljahre sind, da hatte ich schon Schiss. Ich wusste kaum etwas darüber, und was ich meinte zu wissen, das stimmte ja gar nicht.
Meine Unwissenheit machte mich noch unsicherer. Ich wusste nicht, was jetzt auf mich zukommt. Außerdem hörte man immer solche Horrorgeschichten, wie schlecht es manchen Frauen geht und dass sie deswegen sogar ihren Beruf aufgegeben haben.
Hatten Sie schon Zeiten, in denen Sie stark im Alltag eingeschränkt waren?
Ja ich habe/hatte „Brain Fog“, das kann sehr nervig sein. Als es losging, dachte ich erst: „Ach krass, jetzt habe ich schon Demenz!“ Damals arbeitete ich noch in meinem Job als Grafikdesignerin und hatte auch die ein oder andere Präsentation und manchmal fielen mir da vor dem Kunden manche Worte einfach nicht ein. Das fühlte sich für mich sehr unangenehm an. Ich glaube, ich konnte es in der Präsentation überspielen, aber die Situation an sich war nicht gut und dadurch zweifelte ich an mir. Was Quatsch war, das kann ich jetzt sagen. Aber in dem Moment war es einfach nur unangenehm und belastend.
Haben Sie Erfahrungen mit Hormonersatztherapien oder ähnlichem während der Wechseljahre gemacht, beziehungsweise ziehen Sie dies in Betracht?
Ich habe mich für eine Hormonersatztherapie entschieden, nachdem ich mich darüber schlau gemacht und einige Bücher, unter anderem „Woman on Fire“, gelesen habe.
Durch mein Wissen, das ich mir 2021 bei der Gründung meines Blogs aneignete, war mir schnell klar, dass meine starken Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen nicht Symptome einer Depression sind, sondern mit den Hormonen zusammenhängen.
Das sprach ich bei meinem Gynäkologen an, der es auch so sah und einen Bluttest machte, der sehr eindeutig ausfiel: alle Hormone im Keller. Nach einem ausführlichen Arztgespräch verschrieb er mir bioidentische Hormone.
Nach kürzester Zeit verbesserte sich meine Stimmung und meine Schlafprobleme wurden besser. Es dauerte noch ein bisschen, bis ich richtig eingestellt war, aber das war die Mühe wert. Ich bin mit bioidentischen Hormonen sehr zufrieden und happy. Aber das muss jede Frau für sich selbst entscheiden und sich genau darüber informieren.
Haben Sie sonstige Mittel zur Unterstützung ausprobiert oder Ihre Ernährung verändert?
Mir war klar, ich muss nur bioidentische Hormone nehmen, und alles ist wieder wie früher. So funktioniert das aber nicht. Ich muss auch etwas an meinem Lifestyle ändern. Seit über einem Jahr mache ich jetzt morgens Sport, und das ist eine meiner Routinen geworden, worauf ich sehr stolz bin. An der Ernährung schraube ich gerade noch etwas, aber auch das bekomme ich noch in den Griff. Da etabliert sich die Routine, mehr Gemüse, weniger Fleisch, keinen (wenig) Alkohol und vor allem mehr Proteine zu mir zu nehmen, noch nicht so leicht.
Und wenn der „Brain Fog“ mal wieder zuschlägt, nehme ich ein pflanzliches Präparat mit unter anderem Ginseng, Cholin, Spirulina und Vitalpilzen. Sonst unterstütze ich mich mit Magnesium, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und Vitamin B.
Wie sind Sie dazu gekommen, zum Thema Wechseljahre zu bloggen?
Als ich mich 2020 über Wechseljahre im Internet informieren wollte, war es ganz schön mühsam, gebündeltes Wissen zu finden. Und da dachte ich: „Anderen Frauen soll es nicht so ergehen wie mir.“ Deswegen habe ich die Plattform www.diealte.de gegründet. Um Frauen die Suche nach Antworten zu erleichtern. Um ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein mit ihren Beschwerden sind. Um sie über alles rund um das Thema Wechseljahre zu informieren. Und um ihnen die Möglichkeit zu geben, miteinander zu sprechen – offen, ehrlich und unverkrampft.
40 und 50 sind ja heutzutage kein Alter mehr. Warum nennen Sie sich auf Ihrem Blog und Instagram-Account „die Alte“?
Genau deswegen. Es ist kein Alter, aber es wird immer so dargestellt. Wenn wir dem Begriff „die Alte“ die Negativität nehmen, die sich in unseren Köpfen breit gemacht hat, dann können wir auch ganz offen übers Älterwerden reden. Es ist was ganz Natürliches, wir werden alle älter.
Und noch eine kleine Anekdote: Immer, wenn mich das PMS mal wieder überkam und die schlechte Laune überwog und ich mit meinem Mann gezickt hatte, fühlte ich mich danach schlecht. Dann bin ich immer zu meinem Mann gegangen und habe mich an ihn gekuschelt, um mich zu entschuldigen und habe meistens gesagt „Oh Mann, die Hormone. Ich glaube, ich werde alt.“ Er nannte mich dann immer ganz liebevoll: „Meine Alte!“ Das rührt auch daher, dass mein Mann fünf Jahre jünger ist als ich. Für mich ist das Wort „die Alte“ also positiv besetzt. Deshalb wollte ich auch meinen Blog so nennen.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Irrtümer und Vorurteile über die Wechseljahre?
Das sind meine Top drei:
• Die Wechseljahre beginnen erst mit 50 Jahren.
• Solange du deine Periode noch hast, bist du auch nicht in den Wechseljahren.
• Ab 50 gehörst du zum alten Eisen und es lohnt sich nicht, noch mal etwas Neues zu beginnen! (Sei es ein neuer Job, ein neues Hobby, sich selbst ein neues Business aufzubauen, einfach neue Sachen auszuprobieren et cetera.)
Was waren die größten Überraschungen für Sie seit Ihrer intensiven Beschäftigung mit den Wechseljahren?
Meinen ersten Aha-Moment hatte ich, als ich feststellte, dass es vier Phasen der Wechseljahre gibt. Vier! Prämenopause, Perimenopause, Menopause und Postmenopause.
Dann war ich auch überrascht, dass das Thema so viele Frauen betrifft und dass wir so wenig darüber wissen.
Viele Frauen haben noch nie etwas von Prä- oder Perimenopause gehört. Finden Sie, dass hier vor allem in Arztpraxen mehr Aufklärung stattfinden müsste?
Ja das wäre super, besser gesagt, die Politik sollte sich da auch mehr einschalten. Frauengesundheit ist auch ein politisches Thema.
Im März 2023 waren einige Frauen und ich auf Einladung von Dorothee Bär (CSU), Miriam Stein (Journalistin) und Dr. Sheila de Liz (Gynäkologin) im Bundestag zu einer Veranstaltung, und wir sprachen über die Wechseljahre. Aus diesen ersten Treffen entwickelte sich die Initiative #wirsind9millionen (www.wirsindneunmillionen.de)
Es gibt Vorschläge, wie die Politik hier unterstützen kann. Ein Beispiel wäre, dass alle Frauenärzte ihren 40-jährigen Patientinnen ein Informationsblatt aushändigen, in dem erklärt wird, dass die Wechseljahre und Hormonschwankungen bereits ab Ende 30 auftreten können. Dadurch werden Frauen sensibilisiert und haben bereits im Vorfeld Informationen dazu erhalten, um sich bei Bedarf weiter beraten zu lassen. Das wäre doch eine gute Sache. Ich glaube, in einigen Praxen gibt es das bereits auf freiwilliger Basis, doch wenn es flächendeckend von allen Gynäkologen umgesetzt würde, wäre dies ein großer Schritt nach vorne. Auf diese Weise könnte die Patientin bei auftretenden Symptomen wie Schlafstörungen, Gereiztheit oder Gelenkschmerzen bereits informiert sein und direkt beim Gynäkologen nachfragen, bevor sie von Arzt zu Arzt rennt.
Und was müsste sich sonst noch verbessern?
Das Thema muss noch mehr in die Öffentlichkeit, sodass es einfach kein Tabu mehr darstellt. Über die Periode, Sex und Kinderkriegen reden wir doch auch.
Das Thema muss auch in den Firmen ankommen und als normal angesehen werden, sodass Frauen keine Scham mehr haben müssen, wenn sie vielleicht das Fenster aufmachen oder nach einem Ventilator fragen.
Wenn man Rückenprobleme hat, bekommt man doch auch einen höhenverstellbaren Büroschreibtisch, genauso, wie es okay ist, wenn man sich wegen Bandscheibenproblemen krankmeldet (das Bild ist nicht von mir, sondern von Miriam Stein, ich finde es sehr passend und zitiere es immer wieder gern).
Würden Sie sagen, dass die Wechseljahre generell immer noch ein Tabuthema sind?
Ja! Gerade in den Firmen, da will man ja keine Schwäche zeigen. Da müssen die Vorgesetzten auch mit ins Boot geholt werden. Einige Kolleginnen von mir wie Susanne Liedtke (nobodytoldme.com) oder Anke Sinnigen (wexxeljahre.de) geben zum Beispiel Seminare in Firmen für Mitarbeitende und Vorgesetzte. Tolle Idee.
Sie stehen mit den unterschiedlichsten Frauen im Austausch. Finden Sie, dass es Frauen immer noch peinlich ist, sich darüber auszutauschen?
Ja! Und sogar in meinem Bekanntenkreis, wo die meisten wissen, was ich mache, ist es manchmal noch schwierig. Ich merke, wie schnell das Thema gewechselt wird, wenn ich ein Problem der Wechseljahre anspreche und erkläre, weil es sich gerade so ergibt. Aber das ist okay … manches braucht auch Zeit. Zeit, sich mit den Sachen auseinanderzusetzen. Und ich mache das ja tagtäglich, andere nicht.
Aber im Großen und Ganzen trauen sich die Frauen schon viel mehr und reden/schreiben auf Instagram offen über ihre Symptome. Dadurch kann Austausch und auch gegenseitige Hilfe entstehen und das finde ich ganz wunderbar.
Mein Ziel ist es, Frauen dabei zu unterstützen, auch mal anders, erfrischender an das Thema Wechseljahre heranzugehen. Ohne Scham, mit Freude, den wichtigsten Infos und ganz viel Verständnis. Wir brauchen ein Makeover der Wechseljahre – jetzt!