Franz Wagner steigt bald zum bestbezahlten deutschen Sportler auf. Der Basketball-Profi wird dafür auch liefern müssen. In der NBA wird vor allem auf die Top-Verdiener geschaut.
Gleich 1.030 Ferraris des Modells Roma Spider. Oder 8.080 Exemplare der Luxusarmbanduhr Rolex Cosmograph Daytona. Oder 375.000 Playstations der neuesten Generation. All das könnte sich Franz Wagner rein theoretisch kaufen. Das wird er natürlich nicht tun, wahrscheinlich wird er seinen Lebensstandard kaum verändern, jetzt, wo er zum teuersten deutschen Sportprofi in der Geschichte aufgestiegen ist. Die Summe von 206 Millionen US-Dollar, die dem Basketball-Weltmeister durch seine Unterschrift unter dem neuen, ab 2025 gültigen Fünfjahresvertrag bei NBA-Club Orlando Magic garantiert wird, ist für ihn selbst irgendwie irrsinnig. „Es ist ein surreales Gefühl. Ich habe es selbst noch nicht so richtig gecheckt“, sagte Wagner während der Olympiavorbereitung mit der deutschen Nationalmannschaft in Köln. Wahrscheinlich wird er auch noch eine Zeit brauchen, bis er die ganze Dimension seines Mega-Deals realisiert und vor allem verarbeitet.
Zum Vergleich: Selbst die bestbezahlten deutschen Fußballprofis wie Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Thomas Müller vom FC Bayern München kommen schätzungsweise nur auf die Hälfte des Jahresgehalts von 40 Millionen Euro, das Wagner nun in Orlando einstreicht. Das sind umgerechnet 3,3 Millionen Euro pro Monat oder 110.000 Euro pro Tag. Auch an Tagen, an denen er freihat und keine Körbe wirft. Selbst Orlandos größter Basketballstar, der höchst populäre Center-Riese Shaquille O’Neal, konnte von so einem Gehaltsscheck nur träumen. Noch verrückter wird die Rechnung, wenn man als Vergleich die deutsche Basketball-Ikone Dirk Nowitzki heranzieht. Der heute 46-Jährige, der die Dallas Mavericks 2011 zum NBA-Titel geführt hatte, kassierte in seinen ganzen 21 Jahren in der besten Basketballliga der Welt nicht die Summe, die Wagner nun für einen einzigen Vertragsabschluss zusteht. Laut Medienberichten von ESPN und „The Athletic“ könnte das alles durch Bonuszahlen im Erfolgsfall sogar auf bis zu 270 Millionen US-Dollar ansteigen.
„Es ist ein surreales Gefühl“
Wahnsinnszahlen, die aber längst noch nicht das Ende der Fahnenstange sein dürften. Das zumindest glaubt Dennis Schröder. Der Teamkollege in der Nationalmannschaft und aktueller Profi bei den Brooklyn Nets meinte mit Blick auf Wagners Alter von gerade mal 22 Jahren: „Er kann eine Milliarde Dollar verdienen in seiner Karriere, so viel Geld ist in der Liga.“ Schröder spricht damit auch auf den neuen TV-Vertrag an, der der NBA in den kommenden elf Jahren einen Erlös von 76 Milliarden Dollar bringen soll. 76.000.000.000 – eine unvorstellbare Summe. Die Gehaltsobergrenze, die in der NBA und in anderen US-Profiligen den Teams vorschreibt, wie viel Geld sie maximal jedes Jahr für Spieler ausgeben dürfen, ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Und so geben sie eben Rekordsummen aus. Flügelspieler Jayson Tatum von Meister Boston Celtics unterschrieb jüngst einen Fünfjahres-Kontrakt, der ihm insgesamt 291,5 Millionen Euro (58,3 Millionen pro Saison) einbringt. Und selbst ein nicht sonderlich hochbegabter Profi wie der deutsche Center Isaiah Hartenstein erhält nach seiner Vertragsunterschrift bei Oklahoma City im Schnitt 27 Millionen Euro pro Jahr und kann damit seinen Verdienst bei den New York Knicks fast vervierfachen.
Wagners Gehaltsexplosion ist also nicht nur mit den starken Leistungen des gebürtigen Berliners in seinen ersten drei NBA-Jahren und natürlich bei der WM vor einem Jahr zu erklären. Die Magics wollten mit aller Macht verhindern, dass Wagner im nächsten Sommer nach Ablauf seines Vertrages den Club verlässt und seine Qualitäten woanders einbringt. Dafür ging die Franchise bis an ihre finanzielle Schmerzgrenze – manche in der Szene behaupten gar, sie seien darüber hinausgegangen. Denn Wagners Gehalt wird künftig rund ein Drittel des gesamten Personal-Etats verbrauchen – viel Geld für andere Stars bleibt da nicht. Orlando ist eine Wette auf die Zukunft eingegangen in der Hoffnung, dass aus dem sehr guten NBA-Spieler Franz Wagner demnächst ein herausragender wird.
Bislang wurde der Flügelspieler noch kein einziges Mal ins All-Star-Team gewählt. Mit einem Schnitt von 19,7 Punkten pro Spiel lag der Deutsche auf Platz 41 der Scorer-Wertung der vergangenen Hauptsaison. In den Playoffs enttäuschte Wagner beim Aus in der ersten Runde gegen die Cleveland Cavaliers. Vor allem im siebten und entscheidenden Spiel erwischte Wagner einen rabenschwarzen Tag und traf aus dem Feld nur einen seiner 15 Würfe. So etwas darf ihm zukünftig als unumstrittenen und auch entsprechend hochbezahlten Team-Star nicht mehr passieren, ansonsten dürfte es für ihn auch medial deutlich unangenehmer werden. Der Mega-Vertrag kann sich schnell auch zu einer Mega-Belastung entwickeln, Beispiele aus der Vergangenheit gibt es dafür genügend. Körperlich kann es der 2,08 Meter große Wagner mit den ganz schweren Brocken unter dem Korb noch nicht aufnehmen, und gegen die ganz quirligen Point Guards hat er auch noch oft das Nachsehen. Doch aufgrund seiner Vielseitigkeit und seiner Spielintelligenz wird er sehr geschätzt. Zum aggressiven Verteidigen muss er nicht gezwungen werden, sein Wurf ist solide, seine Passqualität hoch. Die Magic glauben fest daran, mit Wagner und dessen Bruder Moritz in der Zukunft erfolgreich sein zu können. Franz Wagner, der von Orlando beim NBA-Draft an achter Stelle gezogen wurde, hat sein Offensivrepertoire ausgebaut und ist dadurch noch unberechenbarer für die Gegner geworden. Beim 111:99-Sieg bei den Detroit Pistons Anfang Februar gelang dem Deutschen mit 38 Punkten eine persönliche Bestleistung – ohne dass dieser einen einzigen Freiwurf dafür benötigte. „Franz war unglaublich, er spielte so selbstsicher“, sagte Trainer Jamahl Mosley hinterher. Der Hochgelobte gab das Kompliment weiter. Eine Leistung wie seine eigene sei „um einiges einfacher, wenn die anderen ihre Würfe so treffen, wie sie das diesmal getan haben“.
„Der Beste seit Nowitzki“
Wagner, der Teamplayer. Spieler wie er und Bruder Moritz werden gerne als „Glue Guys“ bezeichnet, also Spieler, die als Klebstoff (Glue) innerhalb eines Teams wirken. Sie spielen nicht immer spektakulär, sorgen aber mit ihrer Mentalität und Bereitschaft, auch undankbare Aufgaben zu übernehmen, für Zusammenhalt. Mosley schätzt daher auch die „Basketball-Intelligenz und natürliche Wettkampfhärte“ von Franz und Moritz Wagner: „Sie versuchen Wege zu finden, um immer zu gewinnen. Ich glaube, das ist es, was sie in die Gruppe einbringen. Diese zwei Jungs sind einfach unglaubliche Wettkämpfer.“ Neid ist Deutschlands erstem Bruderpaar in der NBA fremd. „Ich und mein Bruder haben eine sehr, sehr enge Beziehung“, sagte Moritz Wagner, der die aktuelle Konstellation „speziell und einzigartig“ nennt. Dass er in der besten Basketballliga der Welt im Schatten seines jüngeren Bruders steht, macht dem 27-Jährigen offenbar überhaupt nichts aus: „Ich freue mich für Franz, bewerte aber ehrlich gesagt nicht, wie er spielt. Da ist die persönliche Beziehung viel größer als die professionelle.“
Die Bewertung übernehmen andere. „Der Beste seit Nowitzki“ – so hatte die Zeitschrift „Zeit“ schon vor zwei Jahren während der Heim-EM einen Artikel über das Ausnahmetalent Franz Wagner getitelt. Nach der dort gewonnenen Bronzemedaille führte Wagner das DBB-Team gemeinsam mit Leader Schröder bei der WM sensationell zu Gold. Auch dort bewies er, dass er auch auf höchstem Niveau nahezu keine Schwäche hat. Wagner kann von der Dreipunktelinie genauso gut punkten wie von der Freiwurflinie, er kann mit einem spektakulären Dunk glänzen und ebenso hart verteidigen. Und ihn zeichnet eine mentale Stärke aus, die schon im Jugendalter zu erkennen war. „Er war schon immer einer, der sehr fokussiert war, sehr konzentriert und sehr klar“, sagte sein ehemaliger Jugendtrainer bei Alba, Marius Huth. Franz Wagner sei „immer schon im Kopf einen Schritt schneller als alle um ihn herum“ gewesen.
Das ist es auch, was Orlandos Coach Mosley genau wie Bundestrainer Gordon Herbert an ihrem Musterschüler schätzen. Wagner ist auch für Olympia in Paris ein Schlüsselspieler für das deutsche Team. Zum ersten Testspiel in der Vorbereitung gegen Frankreich (66:90) konnte Franz Wagner aus Versicherungsgründen nicht auflaufen, beim zweiten Duell gegen die Equipe Tricolore wenige Tage später schon. Das Ergebnis: 70:65 – und Wagner steuerte 17 Punkte bei. „Früher oder später“, sagte Herbert schon vor einem Jahr, „wird Franz einer der Spitzenspieler in der NBA und in der Welt sein.“ Deswegen sei der Multi-Millionen-Dollar-Vertragsabschluss nun auch kein Fehler, so der Kanadier. Und zwar für keine Seite. „Orlando ist absolut ein geeigneter Ort. Er hat eine große Rolle, ihm gefällt es dort. Das ist eine großartige Situation für ihn in diesem aufstrebenden Team“, meinte der Kanadier: „Ich bin sehr glücklich für ihn. Das ist ein netter Vertrag, er hat sich das absolut verdient.“ Das findet auch Schröder, auch wenn der exzentrische NBA-Profi in der öffentlichen Wahrnehmung nun noch stärker hinter Wagner zurückfallen dürfte. „Ich bin extrem stolz, dass er es geschafft hat“, sagte der 30-Jährige von den Brooklyn Nets: „Er ist charakterlich sehr, sehr stark. Menschlich hat er sich das verdient, auf dem Feld natürlich auch.“
Wer der Mensch Franz Wagner hinter den bald vielen Millionen ist, wird die Öffentlichkeit demnächst wohl etwas besser beurteilen können. Das ZDF plant eine vierteilige Dokumentation über die Wagner-Brüder, die Arbeiten daran wurden 2022 aufgenommen. Und ihre Mutter Beate hat in diesem Sommer ein Buch über die beiden Basketball-Söhne veröffentlicht. Der Untertitel lautet: „Glanz in ihren Augen“. Beim Blick auf den ersten Kontoauszug nach Beginn des Mega-Vertrags von Franz Wagner dürfte dieser Satz auch sehr passen.