Eine Stadtführung durch Homburg der besonderen Art: Monika Link verwandelt sich regelmäßig in Regina Wirth, Ehefrau eines Streiters für die Demokratie und führt durch die Geschichte der Demokratie des 19. Jahrhunderts.
Regina Wirth war einst die Gattin des Publizisten Johann Georg August Wirth. Eigentlich in München zu Hause kam er in die bayerische Pfalz, um „ehrlich“ schreiben zu können. In München sei man dem König zu sehr mit Schmeicheleien ergeben gewesen, meinte er.
Im Zuge der politischen Neu-Ordnung nach den Napoleonischen Kriegen war die Pfalz über den Wiener Kongress Bayern zugeschlagen worden. Noch aus der französischen Zeit gab es jedoch in Rhein-Bayern liberalere Gesetze, was der Presse- und Meinungsfreiheit zugute kam.
Ende Mai 1832 organisierte Wirth gemeinsam mit seinem Mitstreiter Philipp Jakob Siebenpfeiffer das Hambacher Fest. Philipp Jakob Siebenpfeiffer, nach der Juli-Revolution von 1830 in Frankreich vom Wind der Freiheit berührt und Mitbegründer des Deutschen Vaterlandsvereins zur Unterstützung der freien Presse, war einer der Initiatoren der Bewegung, die 1832 mit einer Demonstration am Hambacher Schloss die Demokratie nach Deutschland brachte.
Mit acht Stationen, beginnend am Siebenpfeiffer-Haus, führt Monika Link als Regina Wirth durch Homburgs Demokratie-Geschichte aus der Zeit des Hambacher Festes. Ihr historisch lebendig gestalteter Rundgang vorbei am Markt-Brunnen endet am Homburger Freiheitsbrunnen.
„Im 18. Jahrhundert gab es keine Schnittmuster“
Friedrich Schüler, ein Advokat aus Zweibrücken, hatte den aufmüpfigen Journalisten Wirth aus München mit Presse- und Meinungsfreiheit in die Westpfalz gelockt. Doch Münchens Zensoren waren dem freiheitlich denkenden Wirth alsbald auf der Spur: Seine Texte wurden zensiert, seine Drucker-Presse versiegelt und seine kritisch-ehrliche Schreibweise brachte ihn immer wieder ins Gefängnis. Bayerische Kontrolleure hatten Angst vor einer Revolution.
Diese Geschichte der Demokratie, aus Homburg bis zur Demonstration des Hambacher Festes führend, ist das Thema für Monika Link. Dabei ist sie keine Pfälzerin, keine Saarländerin: sie kommt aus Hagen in Nordrhein-Westfalen. Als Bankkauffrau erfüllte sie den Wunsch ihrer Eltern, „etwas Solides“ zu lernen. Allerdings fand sie diese Arbeit angesichts einer frühen Vorliebe für Schauspielerei bald als „langweilig“.
Ihr Traum, als Schauspielerin zu agieren, wurde Wirklichkeit, als die Kinder aus dem Haus waren. Als Quereinsteigerin ging es zum Theater nach Saarbrücken: Sie begann als Komparsin in „Dantons Tod“. Dabei lernte sie die „darstellende Kunst“ kennen: wie man sich etwas erarbeitet. Als vor Jahren Gästeführer für die Region gesucht wurden, absolvierte sie eine Ausbildung zur zertifizierten Gästeführerin für Homburg und Zweibrücken.
Darüber die Geschichte kennenzulernen war ihr Ziel, Geschichte lebendig zu machen, nicht nur Geschichte zu erzählen. Dank ihres Hobbys Nähen ließ sich die Schauspielerei mit einer Kostüm-Führung verbinden. Nach dem Bild einer Dienstmagd, eines Schokolade servierenden Mädchens auf einem Gemälde von Jean-Étienne Liotard, nähte sie ein den 1800er-Jahren stilgerecht nachempfundenes Kleid. „Das war nicht einfach“, sagt Link, „denn im 18. Jahrhundert gab es keine Schnittmuster.“ Sie musste sich viele Bilder ansehen, um ein Kleid aus dem Jahr 1830 für Regina Wirth nähen zu können. „Ganz wichtig ist es“, sagt sie, „Stoffe wie damals zu benutzen.“ Leinen und Wildseide zu verwenden, aber auf Polyester, Reißverschlüsse und Gummibänder zu verzichten, waren Herausforderungen für die Näherin. Als Regina Wirth erzählt sie im Auftrag der Siebenpfeiffer-Stiftung die Geschichte der Demokratie aus Sicht der Frauen.
„Diese Frau war ihrer Zeit voraus, tapfer und mutig“, stellt Link fest. „Für die Ideale ihres Mannes tat sie alles. Sie war emanzipiert, obwohl es das damals noch gar nicht gab.“ Und so erzählt Monika Link als Regina Wirth aus deren Leben: berichtet von den Schwierigkeiten im 19. Jahrhundert als Frau und Mutter von drei Kindern, deren Mann wegen seiner freiheitlichen Gedanken immer wieder im Gefängnis war. Sie druckte die Schriften ihres Mannes und verteilte sie, nachdem der minderjährige Sohn diese aus dem Gefängnis geschmuggelt hatte. Als auch gegen sie ein eigener Haftbefehl erlassen wurde, floh sie mit den Kindern ins nahe Frankreich nach Weissenburg. Dort verkaufte sie bei liberalen Buchhändlern ihre Schriften, um den Lebensunterhalt für sich und die Kinder zu verdienen.
Zuhörer werden in eine andere Zeit versetzt
Nach einem umfassenden Bücher-Studium, „Bibliotheken und Archive wurden ,auf Links’ gedreht“, dazu das passende Kleid genäht, gab es Monika Link nicht mehr. „Ich war Regina Wirth.“ Seit zwölf Jahren informiert sie Besucher über die Demokratie-Geschichte von Homburg. Dabei parkt die in Zweibrücken lebende Gästeführerin ihre „Kutsche“ nicht am Siebenpfeiffer-Haus, „sondern immer etwas weiter weg. Wenn ich im Kostüm die Straße hoch komme, versetze ich meine Begleiter in eine andere Zeit.“ Sie redet etwas altmodisch, wie zur Mitte des 19. Jahrhunderts. „Eine gewisse Aufregung gehört nach wie vor zu jeder Führung. Das ist wie das Lampenfieber am Theater. Aber es muss Spaß machen, und ein Spannungsbogen muss die Zuhörer packen.“
Dass dies gelingt, zeigen vor allem die Führungen für Schulklassen. Als „großartig“ bezeichnen 14- bis 15-jährige Schüler das „Freiluft-Klassenzimmer“ vor allem dann, wenn Demokratie-Geschichte ab der achten Klasse auf dem Lehrplan steht. Das größte Lob für Link ist, wenn die Zuhörer sich in eine andere Zeit versetzt fühlen.
Wenn Monika Link über ihren Gatten spricht, meint sie nicht den Kranbau-Ingenieur Bernhard Link, sondern den Kämpfer für die Demokratie, Johann Georg August Wirth. Monika Link ist Regina Wirth, die im selbst genähten Kleid aus dem 19. Jahrhundert durch Homburg schlendert. Im Schlepptau immer eine Gruppe interessierter Zuhörer, die wissen wollen, wie es war, als man sich in der bayerischen Pfalz gegen die Obrigkeit wehren musste.
Wenn die Zweibrückerin „privat“ durch Homburg geht, wird sie angesprochen: „Na, heute als Monika Link ‚verkleidet’?“
Als schauspielernde Gästeführerin ist Monika Link nicht nur in Homburg, sondern als Kammerzofe Henrietta auch in Blieskastel, Saarbrücken und Zweibrücken unterwegs: „Als 300-jährige Zeitzeugin breche ich mein jahreslanges Schweigen, lasse glanzvolle Zeiten wieder aufleben und berichte von so manchen Geheimnissen.“