Die Beatsteaks gehören zu den wenigen Indierock-Bands, die regelmäßig Charts-Erfolge verbuchen. Sänger Arnim Teutoburg-Weiß und Drummer Thomas Götz über ihren neuen Produzenten, warum sie in Jugendzentren auftreten und weshalb bei den Beatsteaks das Feuer immer noch lodert.
Herr Teutoburg-Weiß, Herr Götz, das neue Album setzt auf jugendlichen Elan. Lebt Ihre Musik davon, sich die Leichtigkeit der Jugend zu bewahren?
Arnim Teutoburg-Weiß: Also, ich führe ein ganz normales Leben, aber in dem Moment, wo ich in unser Headquarter komme, fühle ich mich jünger. Beatstuff ist ein inselartiger Ort, an dem wir rumspinnen können und wo der Ernst des Lebens nicht ganz so hart zuschlägt wie im Alltag.
Thomas Götz: Ich hoffe nicht, dass wir klingen wie eine Band, die versucht, jünger zu tun, als sie ist. Ich sehe uns auch nicht als eine Gruppe mit gelifteten Gesichtern in zu engen Lederjacken und gefärbten Haaren für das nächste Bandfoto.
Sie sind kürzlich 50 geworden, Herr Teutoburg-Weiß. Ist das eine Zahl, die Ihnen ein bisschen Angst gemacht hat?
Teutoburg-Weiß: Nein, gar nicht. Wir müssen große Konzerte sehr lange im Vorfeld planen. Ich hatte mir von unserem Booker gewünscht, dass wir an dem Tag ein Konzert spielen und einfach das tun, was wir mein Leben lang gemacht haben. Das war für mich das größte Geschenk.
Bands wie die Rolling Stones galten in den Sixties als rebellisch, der Rock’n’Roll in den Fifties vielleicht sogar als aufrührerisch. Klingt Rockmusik heute nicht oft sehr brav?
Teutoburg-Weiß: Es kommt drauf an, wo man Rockmusik hört. In der Spotify-Playlist „All Rock“ wird sie sehr brav klingen, schleppt Thomas mich aber mit ins SO36 und ich sehe dort Bands wie die Verlierer oder Tropical Fuck Storm, dann ist nichts brav. Die Rockmusik ist heute wieder jenseits des Mainstreams, und da braucht es wieder Querschießer. Sie ist momentan einfach keine Jugendmusik. Die Attitüde des Gefährlichen überträgt sich auch auf andere Genres wie Afrobeat.
Götz: Vielleicht ist es ganz gut, dass die Rockmusik gerade nicht im Scheinwerferlicht steht, weil es auf diese Weise viele neue Impulse gibt. Zum Beispiel von einer Punk-Performance von Pink Siifu, wo ich dachte, ich sehe nicht richtig. Krass!
Sie interessieren sich für die Bands, die nach Ihnen entstanden sind?
Teutoburg-Weiß: Immer. Ich gehe gerne auf große Konzerte, aber auch sehr gerne zu den Dingern, wo vielleicht 30 Leute hinkommen. Zwar seltener als früher, aber ich liebe es bis heute, mir von einer Band etwas vorspielen zu lassen. Das Feuer, das uns damals angesteckt hat, poppt immer noch überall auf. Es gibt die Unterhaltungsmusik, und dann die Musik, die man unbedingt machen muss.
Ihr neuer Produzent Olaf Opal hat Punkbands wie die Spermbirds und Boxhamsters produziert, aber auch Mainstream-Acts wie Ich + Ich und Michael Schulte. Wollten Sie mit Opal mit oder gegen den Mainstream segeln?
Götz: Wir haben Olaf nicht gebrieft, sondern ihm einfach Demos vorgespielt und geguckt, was er dazu sagt. Wir waren sehr neugierig auf ihn.
Teutoburg-Weiß: Sein geilster Satz war: „Ich will mit euch Krach aufnehmen, den ich mir merken kann!“ Und genau das ist passiert. Er kam hier rein und wollte Feuer. „Ist das noch Rock?“, hat er oft gefragt. Olaf Opal war unglaublich wichtig, damit wir ins Spielen kommen und nicht über das große Ganze nachdenken.
Herr Götz, haben Sie diesmal besondere Felle auf der Trommel aufgezogen?
Götz: Nein, aber mit Socken habe ich mich beschäftigt. Die wirken sich nicht auf den Sound, aber aufs Grundgefühl aus. Olaf hatte einen bestimmten Vibe im Auge, und der ist schnell auf uns übergesprungen. Es war sehr interessant zu beobachten, wie sein Engineer Willi und er es technisch gemacht haben.
In der Zeit, in der „Please“ entstanden ist, sind in der Welt viele schreckliche Dinge passiert. Hat sich das auf die Songs niedergeschlagen?
Teutoburg-Weiß: Natürlich. Wir haben da nicht „Please“ draufgeschrieben, weil das Cover so schön ist. Für uns heißt das: „Beatsteaks, please!“ Die Platte sollte für mein Gefühl so bandmäßig klingen, wie es geht. Das Debütalbum der Pet Shop Boys von 1982 heißt auch so, und das ist eine Top-Referenz.
Ein Song heißt „Detractors“ (Verleumder). Wer soll sich davon angesprochen fühlen?
Teutoburg-Weiß: Die Kritiker, die Spalter. Als ich sehr jung war, sagte mein Vater den schönen Satz: „Arnim, du musst spielen, um zu gewinnen und nicht auf die hören, die immer nur reden!“ Ich bin in einer Zirkusfamilie groß geworden. Die Künstler im Osten wurden vom Staat eingestuft, das war immer eine ganz schlimme Zeit. Man hat sich vorher genau überlegt, ob man etwas machen soll, weil man sich fragte, wie wohl die Meinungen dazu aussehen. Nick Cave schrieb in einem Buch: „Old songs follow us like a dozy old dog“ („Alte Lieder folgen uns wie ein schläfriger alter Hund“) Und dann „Fuck the detractors!“ (Scheiß auf die Kritiker). Dieser Satz blieb in meinem Notizbuch hängen, und daraus ist dann ein Songtext entstanden.
Hätten Sie theoretisch auch beim Zirkus landen können?
Teutoburg-Weiß: Klar. Meine Eltern waren in der Manege, sie haben immer trainiert. Ich fand die Bühne faszinierend, weil ich alles kannte, was da dazugehört. Selbst am Abendbrot-Tisch sprachen meine Eltern noch über das Zirkusfestival, während ich vorsichtig sagte: „Ich habe da noch eine Frage wegen Mathe ...“
Wieso ist aus Ihnen am Ende kein Akrobat geworden?
Teutoburg-Weiß: Das war so strange, als mein Vater nach der Grenzöffnung meinte: „Du lernst jetzt erst mal was Vernünftiges!“ Dann habe ich drei Jahre lang Einzelhandelskaufmann gelernt. War aber auch gut, weil ich am Ende wusste, das kann ich nicht. Da waren wirklich viele nette Leute, aber es war für mich die schlimmste Zeit. Danach bin ich ins Berliner Nachtleben eingetaucht und in einem Proberaum wieder aufgewacht. Für einen Artisten in der Manege fehlte mir wohl der Fleiß, Akrobat bedeutet ja harte körperliche Arbeit. Ich fand die Clowns gut, die mussten nicht so hart trainieren.
Sie haben den Fun Boy Three-Klassiker „The Lunatics Are Taking Over the Asylum“ neu interpretiert. Wer sind die „Verrückten“ der Gegenwart?
Götz: Die stehen praktisch an jeder Ecke und sabbeln dich zu.
Teutoburg-Weiß: Dieses Lied kommt mit einem geilen englischen Humor daher. Terry Hall von Fun Boy Three ist ja leider vorletztes Jahr verstorben.
Sind Künstler im positiven Sinne Verrückte beziehungsweise Außenseiter?
Götz: Das Sozialistische Patientenkollektiv sagte, die wahren Irren sind eigentlich die, die draußen rumlaufen. Natürlich sind auch die Künstler Freaks.
Haben Künstler in der heutigen Zeit eine besondere Aufgabe?
Teutoburg-Weiß: Was hat denn am meisten gefehlt in der Zeit, als man nicht rauskonnte? Das sagt auch der ganz normale FDP-Wähler. Menschen in Pflegeberufen konnten sich auf einmal nach Feierabend nicht mehr amüsieren, weil die Bars, Theater und Kinos zu waren. Wir Künstler sind dafür zuständig, die Leute aus dem Alltag herauszuführen. Let’s dance!
In „Traumschiff“ fordern Sie, nicht aufzugeben, wenn es Ärger gibt. Verstehen Sie sich als Motivatoren, die Menschen für etwas begeistern möchten?
Teutoburg-Weiß: Na klar. Dieses „Don’t give up“ entstand tatsächlich schon vor zwei Jahren. Wir mussten aber erst einen Weg finden, wie man diesen Refrain singt. Das ist dann hier passiert, zusammen mit Olaf Opal. Er meinte, dazu sollten wir einen schönen Kurt-Cobain-Text schreiben. „Traumschiff“ ist unsere Version von Soulmusik, die wir so lieben.
Die Beatsteaks scheinen für Sie zu einer Lebensform geworden zu sein. Was macht diese Mini-Gesellschaft aus?
Teutoburg-Weiß: Diese Mini-Gesellschaft ist eine gelebte Demokratie. Extremismus, Sexismus und Egoismus sind bei uns nicht erlaubt. Vielleicht sollten die Menschen sich einmal fragen, was am meisten Spaß macht anstatt was ihnen am meisten Geld einbringt.
Normalerweise treten Sie ja in großen Hallen auf, aber jetzt auch wieder in AJZ, in selbstverwalteten Jugendzentren, die vorwiegend im Osten des Landes liegen. Zurück zu den Wurzeln?
Götz: In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wird im September ein neuer Landtag gewählt und ich glaube, wenn die Rechtsextremen an die Macht kommen, sind die AJZ die ersten, die verschwinden werden. Linken und alternativen Kulturprojekten wird die AfD dann den Hahn zudrehen. Deswegen gilt es jetzt, diese zu unterstützen und zu zeigen, wo wir selbst groß geworden sind. In diesen kleinen Clubs steht man noch nicht im Scheinwerferlicht von ProSieben und kann noch Fehler machen. Es ist wichtig für die Kultur, dass es auch eine Bühne gibt, wo man sich ausprobieren kann. Autonome Jugendzentren leben vor, wie man miteinander umgehen kann. Die Entscheidung, die das Kollektiv trägt, muss für alle okay sein. Die Prinzipien, wie menschliches Zusammenleben funktioniert, sind da perfekt repräsentiert. Und wir wollen unbedingt zeigen, dass wir das richtig geil finden.
In Hildburghausen in Thüringen hat der Neonazi und Rechtsrock-Konzertveranstalter Tommy Frenck bei der Landratswahl 24,9 Prozent der Stimmen erhalten.
Götz: Ganz viele bekannte Leute, nicht nur aus der Kultur, fangen nun an, sich zu engagieren. Vielleicht sorgt das ja dafür, dass so was verhindert werden kann.
Wieso fühlen viele junge Leute sich von den menschenfeindlichen Positionen der AfD nicht abgeschreckt?
Teutoburg-Weiß: Weil diese Partei ins Netz schreit und ganz simple Parolen raushaut. Das gab es ja alles schon einmal. Wer sich für die Demokratie interessiert und jetzt nicht aus dem Quark kommt, darf sich nicht wundern. Die Menschen sind nicht verloren, aber man muss ran an die Buletten und sie aufklären und den Dialog suchen. Was wir als Band jetzt machen, ist mehr als auf Instagram zu schreiben, dass wir Nazis scheiße finden. So passiert nichts. Man muss jetzt etwas machen! Die Menschen verlieren so viel Power, weil sie sich im Internet aufregen. Die AfD hat das Netz längst gekapert mit ihren billigen Parolen. Gucken Sie sich mal den X-Account von Olaf Scholz an – Jesus Christ! Aber die AfD knallt ein Ding nach dem anderen raus, und wenn man nicht belesen oder ein bisschen faul ist ...
Götz: ...und das Kleingedruckte nicht liest, weil alles gerade so anstrengend ist, wird dann noch ein Gefühl getriggert, hat Hass schnell Konjunktur.