Was uns die Fußball-EM in Deutschland gebracht hat
Die Fußball-EM bot viele spannende Spiele, spektakuläre Tore, dramatische Kämpfe um Platzierungen, ab und an auch sehr aufregende Fehlleistungen der Schiedsrichter und der unsichtbaren Videoassistenten. Auch viele weit angereiste Besucher jeglicher Couleur mit und ohne Schottenrock, von denen manchem der ausgiebige Genuss deutschen Bieres deutlich erkennbar ins Gesicht geschrieben stand.
Aber alles blieb friedlich, sehr zum Wohlgefallen all derer, die mit König Fußball nicht ganz so vertraut sind. Aber auch diejenigen kamen auf ihre Kosten, denn in der Zeit, in der die großen öffentlichen und privaten TV-Sender die Fußballspiele übertrugen, war der Sendeplatz für Krimis belegt. Für Fußballbegeisterte wie für Fußball-Ignoranten ein Fest! Bestes Beispiel für die verdiente Mordpause: Die bayerische Spielart von Ex-„Quick“-Detektiv Nick Knatterton, Franz Eberhofer, konnte sich in Ruhe seinen geliebten Knödeln und Dampfnudeln widmen. Ebenso seine Kollegen in Rosenheim, die ausnahmsweise plötzlich mal ohne Leich’ dastanden.
Von der EM 2024 bleibt viel Schönes und Positives. Sie hat für viele – ob Fan oder Nicht-Fan – wertvolle neue Erkenntnisse und bildungs-kulturelles Wissen gebracht, quasi den geistigen Horizont erweitert. So haben auch nicht Fußball-Affine die schönsten zehn deutschen Fußballstadien von außen wie von innen kennengelernt: technische Meisterwerke, geschichtsträchtige Arenen („Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“) und stimmungsvolle „Fußball-Tempel“. Und alle 23 Gastmannschaften wurden in ihren deutschen Gastquartieren von der Bevölkerung auf das Herzlichste begrüßt, von den jeweiligen Gastgebern auf Trefflichste untergebracht und verwöhnt. Fakt ist: An den Quartieren hat es nicht gelegen, dass in Summe 22 Teams das Finale nicht erreicht haben.
Auch eine Erweiterung des Sprachschatzes an Anglizismen brachte die EM 2024 unter emsiger Mitwirkung ihrer verantwortlichen Fußballehrer mit sich. Während früher das Spielen von Rollen ausschließlich Schauspielern vorbehalten war, müssen jetzt auch Fußballspieler über die Fähigkeit verfügen. Jedenfalls hat das Bundestrainer Julian Nagelsmann so zu Beginn des Turniers bei der Nominierung seines Kaders seinen „Jungs“ vermittelt: Jeder müsse wissen, welche Rolle er auf und neben dem Spielfeld habe – und vor allem müsse er diese auch akzeptieren. Verbiestert auf der Bank hocken, weil zu Beginn des Spiels nur elf Kollegen auf den Platz dürfen oder rumnörgeln, weil man eine Rolle als rechter Verteidiger bekommen hat, lieber aber eine Rolle im Mittelfeld spielen würde, ist verpönt. „Das Team ist wichtiger als Einzelinteressen.“
Aber die EM und vor allem Trainer Nagelsmann haben noch mehr Wissenswertes vermittelt. Hat man zuvor etwas vom „Connector“, vom „Worker“ oder der „Box“ und der „Boxbesetzung“ gehört? Früher versteckten sich dahinter der alte „Kabinen-Stimmungsmacher/Unterhalter“, die Ball-Zuträger, die dem Torschützen den Weg freimachten oder den Ball auflegten sowie der Strafraum und die Verteidiger in Selbigem. Die einschlägige Erweiterung des fußballerischen Sprachschatzes dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Der Bundestrainer ist ja noch jung.
Aus dem Reitsport beispielsweise ließe sich noch so einiges einbürgern. Statt Ball halten sowie gegen oder mit dem Ball zu spielen, könnte es eines Tages von der Trainerbank auch heißen: Passage oder Traversale. Nur eine Piaffe als „trabartige Bewegung auf der Stelle“ dürfte beim Bundestrainer wenig Gefallen finden. Bei den Verteidigern sollte „Schenkelweichen oder Pirouette“ tunlichst vermieden werden. Und „Fußfeger“ sollten auch nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie nach den Fußballregeln zulässig sind. Sonst besteht die Gefahr, dass per Elfmeter „das Runde im Eckigen“ landet – zum Leid des Keepers in der eigenen Box.
Fest steht aber nach dem Turnier auch: Eindeutig nicht wünschenswert ist es – sowohl für die Mannschaft wie für die ganze Nation –, wenn das Team bereits vor Erreichen des Finales den Homerun antreten muss.