„Green Finance“ soll für eine ausgeglichene Klimabilanz sorgen und unterstützt den Übergang zu einer umweltfreundlicheren und kohlenstoffarmen Wirtschaft. Wie das gelingen könnte, erläutert Soziologe Andreas Folkers im Interview.
Herr Dr. Folkers, Sie forschen zu „Green Finance“. Nachhaltige Investments, die ökonomische Erträge plus ökologische Erfolge bewirken sollen: Das klingt wunderbar optimistisch im Klimawandel. Wie definieren Sie selbst Green Finance?
Als Soziologe schaue ich mir an, wie Begriffe in der Gesellschaft verwendet werden. Green Finance ist ein unscharfer Begriff, aber bedeutet in der Regel, die Kapitalflüsse an Finanzmärkten auf eine nachhaltigere Weise zu gestalten. Das heißt zum Beispiel, weniger in fossile Brennstoffunternehmen zu investieren und mehr in erneuerbare Energien. Auch Kapitalanlagen in Biodiversitätsprojekte oder in Kohlenstoffsenken, also in Reservoirs, die CO2 aufnehmen und so die Kohlenstoffkonzentration in der Atmosphäre reduzieren, werden bisweilen als Green Finance verstanden.
Wie kommt es, dass spezielle „grüne Finanzanlagen“ notwendig sind?
Die Internationale Erneuerbare Energieagentur rechnet mit riesigen Summen, die in den nächsten Jahren etwa in die erneuerbaren Energien investiert werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Hier fällt immer wieder auf, dass es eine Lücke gibt, einen Investment-Gap. Die Idee hinter Green Finance ist, dass man diese Investitionslücke schließen könnte, indem man das Finanzwesen bewegt, zum Beispiel in Strom aus Wind, Sonne und Wasser zu investieren.
Der Zweck von Green Finance ist es also, an Gelder zu kommen, ohne die wir die Klimaziele nicht erreichen. Wo bleibt da der Staat?
Klimaschutz durch das Finanzwesen ist eine Idee, die immer wieder politisch, das heißt vom Staat, protegiert wird. Der Staat soll sich – gemäß neoliberaler Vorstellungen – zurückhalten und den Markt nur anleiten, das Richtige zu tun. Dafür gibt es dann staatliche Initiativen, zum Beispiel die EU-Taxonomie, wo eingeteilt wird, welche Investitionen nachhaltig sind und welche nicht. Damit will man größere Transparenz schaffen.
Ein Problem ist, dass die Taxonomie eine Reihe von Sachen als nachhaltig einstuft, die es nicht sind, zum Beispiel Investitionen in Atomstrom und fossiles Gas. Atomenergie ist das französische und Gas das deutsche Problem. Infolge der Ukraine-Krise hat sich gezeigt, dass die Abhängigkeit vom Gas als Brückentechnologie, auch aus geopolitischen Gründen, ein Problem ist.
Das war jetzt ein kleiner Abstecher, um zu zeigen, dass manche Labels nicht halten, was sie versprechen. Das gilt auch für Green Finance generell, was ja im Grunde auch eine Art „Biolabel“ ist.
Wie lässt sich Missbrauch vermeiden?
Indem man die Qualitätsstandards hochsetzt. Wie bei Bio-Labels. Nur zu sagen: „Unser Produkt ist Bio“, ohne dass es eine Überprüfung gibt, reicht nicht. Besser ist eine unabhängige Prüfstelle, die kontrolliert, ob das Produkt bestimmte Kriterien einhält.
Können internationale Organisationen verlässlich kontrollieren, ob Finanzinvestitionen nachhaltig sind?
Prinzipiell schon. Aber das würde heißen, dass die Regeln für die Berichterstattung von Unternehmen und im Finanzwesen deutlich verschärft werden.
Lassen sich via Green Finance Wirtschaftswellness und sozial-ökologischer Wandel zugleich erreichen?
Bisher sieht es nicht so aus, als ob es gelingen würde, genug Kapital aus privaten Quellen zu bekommen, um die Klimawende zu erreichen.
Aber natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten einer grünen Finanzierung. So gibt es auch Debatten zu einem „Green New Deal“ mit Rückbezug auf den „New Deal“. Mit dem kurbelte der Staat in den USA einst die Binnenwirtschaft an, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Natürlich könnte ein ähnlich großangelegtes Programm auch eingesetzt werden, um ökologische Probleme anzugehen. Die gegenwärtige Haushaltspolitik in Deutschland – Stichwort Schuldenbremse – verhindert allerdings staatliche Investitionen. Etwas plakativ könnte man sagen: Mit schwarzer Null gibt es keine grüne Null, das heißt, eine ausgeglichene Klimabilanz.
Gerade gibt es eine Bashing-Debatte, die zum Inhalt hat, „die Menschen“ würden nicht genug arbeiten. Fehlt dem Staat deshalb Geld für ökologische Investitionen?
Im Zuge der Neoliberalisierung ist Vermögensbesitz, meist aus Finanzgewinnen, deutlich wichtiger geworden als Einkommen aus Arbeit. Wenn nun Einkommen, das nicht aus Arbeit stammt, kaum besteuert wird, macht das auch den Staat arm – und die Reichen immer reicher.
Um zurück auf Bares und Kapital für die Erreichung der Klimaziele zu kommen: Sehen Sie über Besteuerung eine realistische Möglichkeit, mehr Staatseinkommen zu schaffen und zugleich die Verteilung von Geld gerechter auszubalancieren?
Das ist möglich. Gerade die Besteuerung von Vermögen und Kapitalgewinnen wäre wichtig. Man bräuchte nur den politischen Willen dazu. In der Demokratie läuft das über die Mehrheitsverhältnisse.
Wie könnte sich die Willensbildung in eine Richtung bewegen, die dem Staat mehr Geld für den Klimaschutz beschert?
Das würde eine soziale Bewegung erfordern, die das stärker in die Diskussion bringt. Und mehr Mut bei der Politik. Ich glaube, dass die Einschätzung falsch ist, dass man keine Wahl gewinnen würde, wenn man die Superreichen besteuert.
Einige Unternehmer mit viel Einkommen sagen, sie würden gerne stärker besteuert werden, für die Staatsaufgaben und für die Transformation. Warum greift die Politik das nicht auf?
Eine Minderheit sagt das bisher, und es gibt Lobbys, die ganz anderes sagen.
Woran forschen Sie aktuell zum Thema Green Finance?
Ich analysiere Investitionen in fossile Brennstoffunternehmen. Die Motivlage: Solange die Finanzinvestorinnen und Finanzinvestoren den Eindruck haben, dass die Klimapolitik inkonsequent bleibt, behalten sie diese Titel. Gäbe es eine deutliche Klimatransition, würden viele von den Vermögenswerten, die am Finanzmarkt gehandelt werden, ihren Wert verlieren.
So wie die Menschen ihre Verbrenner-Autos behalten?
Es fehlen eindeutige politische Signale, die anzeigen, dass Investitionen in fossile Brennstoffunternehmen riskant werden. Es gibt ziemlich viele Möglichkeiten, die finanziellen Risiken zu kontrollieren, ohne die dahinterstehenden Klimarisiken zu beachten.
Warum?
Finanz- und Klimarisiken sind zwei Paar Schuhe. Um Bedeutung ins Finanzwesen zu bringen, muss alles in Geldwerten umgerechnet werden. Und das ist nicht die Währung, in der die Natur operiert.
Wie lässt sich das Dilemma lösen?
Man könnte die Nutzung fossiler Brennstoffe ab einem bestimmten Zeitpunkt verbieten und klare Ausstiegsszenarien vorgeben. Dann würde den Investoren und Investorinnen die Verantwortung abgenommen, selbst zu entscheiden, wann sie Investitionen in fossile Brennstoffe unterlassen und dadurch den Ausstieg beschleunigen.
Sind günstige Gemeingüter der Hemmschuh dafür, den Finanzmarkt grün umzugestalten? Lässt sich mit Sonne, Wind und Wasser zu wenig verdienen? Sind riesige Wärmepumpen, die an Flüssen stehen, und ganze Wohnviertel mit Fernwärme versorgen, nicht so lukrativ wie fossile Brennstoffe?
Das ist interessant. Ja, wir hören immer wieder, dass der Preis für erneuerbare Energien runtergeht. Für Finanzinstitutionen zählt aber nicht der Preis einer Technologie, sondern wie viel Profit sie damit generieren können. Und hier scheinen erneuerbare Energien gegenüber fossilen ein Problem zu haben. Wenn Finanzinstitutionen das Gefühl haben, die Investitionen in Erneuerbare brächten zu wenig Rendite, dann haben es die Unternehmen schwerer, sich Kapital zu beschaffen. Und das bremst.
Führt die Route zum Klimaziel nur über den Verbotsweg?
Man könnte auch die CO2-Steuer massiv erhöhen. Das wäre effektiv, aber nicht unbedingt sozial gerecht.
Zudem wenig populär. Bleiben Sie trotz alledem zuversichtlich, dass es rechtzeitig gelingt, die Klimaschädigungen durch fossile Brennstoffe zu stoppen?
Nein, da bin ich nicht besonders optimistisch. Die Sozialwissenschaft lehrt aber auch, dass viele Sachen ganz anders möglich wären, und das gibt mir natürlich immer wieder Hoffnung.