Drei Fragen
„Wir fordern Tempo 100 auf Autobahnen“
Nach dem Feinstauburteil des Oberverwaltungsgerichts bleibt der Bundesregierung nur ein Weg: Tempo 100 auf den Autobahnen. Dies sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch.
Herr Resch, Sie haben vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin erfolgreich gegen die bisherigen Feinstaub-Maßnahmen der Regierung geklagt, was muss aus Ihrer Sicht nun passieren?
Alle Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich der Feinstaubimmissionen haben viel zu kurz gegriffen, das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt. Eine Maßnahme, um die Emissionen zu senken, wäre ein Tempolimit. Seit Jahren wird auf der politischen Seite über Tempo 130 diskutiert. Klar ist, das reicht nicht, um zum Beispiel die Stickoxyd-Belastungen im Verkehr zu senken. Darum fordern wir als Deutsche Umwelthilfe generell Tempo 100 auf den Autobahnen. Die Niederländer haben es uns 2019 vorgemacht. Dort gilt Tempo 100 auf den Autobahnen. Ergebnis: Die Stickoxyd-Belastung ist um ein Drittel zurückgegangen.
Dagegen gibt es ja auch den Vorschlag, ein Wochenendfahrverbot für den Privatverkehr zu verhängen?
Völlig unrealistisch, das hat ja Bundesverkehrsminister Volker Wissing, pikanterweise ein FDP-Politiker, ins Gespräch gebracht, ist aber nicht umsetzbar. Wie sollen die Wochenendausflüger zu ihrem Ziel kommen? Und es macht auch keinen Sinn, von Montag bis Freitag über die deutschen Autobahnen zu rasen, um dann am Samstag und Sonntag das Auto stehen zu lassen. Das bringt nicht nur dem Klima wenig, sondern auch der Feinstaubbelastung, und die Menschen werden dafür wenig Verständnis haben.
Aber politisch wird es doch schwierig, in Deutschland ein rigides Tempolimit von 100 durchzusetzen?
Nein überhaupt nicht. Nehmen Sie zum Beispiel das große Land der unbegrenzten Freiheit, die USA. Dort gilt auf den Autobahnen ein Tempolimit generell von 55 Meilen pro Stunde, das sind 88 Kilometern pro Stunde. Da gibt es dann die Ausnahme von 65 Meilen, was umgerechnet 104 Stundenkilometer sind. Nur wir hier in Deutschland sind der Meinung, man kann auch gern mal mit 250 über die Autobahn rasen, das ist absurd. Die Bundesregierung ist nach dem Urteil nun in der Pflicht und muss nach dem Feinstaub-Urteil des Verwaltungsgerichts handeln, und da ist der Verkehrssektor ganz vorne. Und das kann nichts anderes heißen, als Tempo 100 auf den Autobahnen. Interview: Sven Bargel
Steine sammeln auf dem Mond
Luxemburg hat schon seit geraumer Zeit spezielle Ambitionen im Weltraum. 2017 war das Großherzogtum Vorreiter mit einem Gesetz zu „Space Mining“, das Erforschung und Nutzung von Weltraumressourcen regelt. genau das soll jetzt in der Praxis Anwendung finden. Der Rover „Tenacious“ soll Gesteine auf dem Mond sammeln und anschließend an die Nasa verkaufen. Es wäre damit die erste kommerzielle Mission. Bisherige Missionen dienten unmittelbar wissenschaftlichen Zwecken. „Tenacious“ ist der erste in Europa hergestellte Mikro-Mondrover, entwickelt von ispace Europe, der luxemburgischen Tochter des japanischen Start-ups ispace. „Tenacious“ (zu deutsch: „ausdauernd“ soll nach Angaben des Unternehmens vom Mondlandefahrzeug RESILIENCE bei der HAKUTO-R Mission 2 auf die Oberfläche des Mondes gebracht werden. Der Start mit eine Falcon 9 von SpaceX ist für den kommenden Winter vorgesehen. Luxemburgs Wirtschaftsminister Lex Delles betonte bei der Vorstellung des Mikro-Rovers: „Wir wollen einen Raumfahrtsektor aufbauen, der eng mit unseren Industrien auf der Erde verzahnt ist und neue Marktchancen sowohl im Weltraum als auch auf der Erde eröffnet“.
Massiver Stellenabbau
Der Automobilzulieferer ZF will in den nächsten Jahren in großem Umfang die Zahl der Mitarbeitenden reduzieren. Bis 2028 sollen in Deutschlandzwischen 11.000 und 14.000 Stellen wegfallen, etwa ein Viertel der aktuellen Belegschaft. Der Abbau soll möglichst sozialverträglich, also über Fluktuation oder Altersteilzeit erfolgen, hieß es. Betroffen wären demnach sowohl Produktion als auch Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung. Geplant sei die „Gründung größerer Standortverbünde in Deutschland“, teilte der Konzern mit. Grundgedanke der Anpassungen sei, „die Standorte wettbewerbsfähiger und flexibler zu machen, die Personalplanung konsequent am zu erwartenden Bedarf zu orientieren und auf Produkte zu fokussieren, die die Standorte möglichst langfristig absichern“. Für einzelne Standorte könne das bedeuten, dass „eine Restrukturierung oder Schließung möglich“ sei. Bereits fest stehen nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ Schließungen in Gelsenkirchen, Damme und Eitdorf. Der Gesamtbetriebsrat kündigte „erbitterten Widerstand“ an.
Weniger Geld fürs Bürgergeld
Die Finanzplanungen der Bundesregierung rufen derzeit die Sozialverbände auf die Barrikaden. 5,5 Milliarden Euro soll das Bürgergeld im kommenden Jahr weniger kosten als in diesem Jahr. Das geht aus den Zahlen zum Bundeshaushalt 2025 hervor. Statt 50,5 Milliarden in diesem Jahr sollen im kommenden Jahr nur noch knapp 45 Milliarden Euro ausgegeben werden. Das wären mehr als zehn Prozent weniger. Ob dieses Ziel zu erreichen ist, erscheint mehr als fraglich. Laut Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) müssten die Jobcenter im kommenden Jahr geschätzt 700.000 Menschen in Arbeit vermitteln, um das Einsparziel von 5,5 Milliarden Euro zu erreichen, so Unionsfraktionschef Spahn. Doch gespart werden soll tatsächlich in der Verwaltung, bei Jobcentern und den Eingliederungsleistungen für Langzeitarbeitslose.
Grenzkontrollen gefordert
Geht es nach dem Willen mehrerer CDU-Innenminister, sollen die Grenzkontrollen zu Deutschlands Nachbarländern auch über die Zeit der Olympischen Sommerspiele hinaus beibehalten werden. Dafür plädieren die Innenminister von Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, Thomas Strobl, Michael Stübgen und Herbert Reul. Es sei „ein wichtiger Schritt, dass die derzeitigen Grenzkontrollen so lange bleiben, bis die EU-Außengrenzen nachhaltig gesichert sind“, so der baden-württembergische Ministerpräsident Strobl. Das würde Grenzkontrollen bedeuten, bis die Reformen des europäischen Asylsystems greifen, was frühestens 2026 der Fall wäre.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat Signale in diese Richtung gegeben: „Generell ist es unsere Absicht, die deutschen Grenzen weiterhin strikt zu kontrollieren“, sagte er gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“, und ergänzte: „Deshalb haben wir ja mit verstärkten Grenzkontrollen begonnen“. Befürworter verweisen auf Zurückweisungen während der Fußball-EM. Kritiker lehnen dies ab: „Wer Schengen und die offenen Grenzen in Frage stellt, legt die Axt an ein gemeinsames Europa“, sagt Timo Stockhorst, Vorsitzender der Europa-Union Saar.
Afghanistan
Debatte um Abschiebung
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) distanziert sich klar von der Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), zukünftig Straftäter und Gefährder nach Syrien und Afghanistan abzuschieben. Damit gibt es erneut Spannungen in der Ampel-Regierung. „Ich glaube, dass es gerade in solchen unsicheren Zeiten kein Beitrag zur Sicherheit ist, wenn man Dinge verspricht, von denen man dann am nächsten Tag schon nicht mehr ganz weiß, wie man die eigentlich halten kann“, so Baerbock. Damit spielt sie darauf an, dass es zum Beispiel keine direkten Kontakte zum Taliban-Regime in Kabul gibt, sodass Abschiebungen technisch gar nicht durchführbar sind. Damit blieben dann nur Abschiebungen in Drittstaaten, was rechtlich problematisch werden könnte, gibt die Außenministerin zu bedenken. Auch im Bundesinnenministerium wird derzeit die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern juristisch geprüft.
Wolf auf Durchreise
Im Saarland ist erneut ein Wolf aufgetaucht. Das LUPUS-Institut hat bestätigt, dass es sich bei dem Tier einer Handy-Videoaufnahme aus Eiweiler um einen Wolf gehandelt hat. Es ist damit die dritte bestätigte Wolfssichtung im Saarland, nach Bliesransbach (2023) und Ormesheim (Juni). Dass der Wolf nun auch im Saarland heimisch werden könnte, ist äußerst unwahrscheinlich. Dafür sind Siedlungs- und Straßendichte zu groß. Eine Wolfsfamilie braucht nach Angaben des Naturschutzbundes Nabu ein möglichst zusammenhängendes Revier von 200 bis 250 Quadratkilometern. Deshalb wird vermutet, dass die gesichteten Tiere eher „auf der Durchreise“ oder Erkundungstour waren. Wölfe können am Tag schon mal 60 Kilometer zurücklegen. Sichtungen in Wohngebieten können vorkommen, in aller Regel besteht für Menschen keine Gefahr, wenn die Tiere nicht gereizt werden. Sichtungen sollten aber gemeldet werden.
Aktiv gegen Armut
Die saarländische Landesregierung will mit quartiersbezogenen Modellprojekten Armut gezielt bekämpfen. „Wir können diese Quartiere nicht einfach so abgehängt lassen“, hatte Sozialminister Magnus Jung bei der Vorstellung des Konzeptes vor einem Jahr betont. Konkret ausgewählt als Modellregionen wurden Saarbrücken-Burbach, der nördliche Teil der Völklinger Innenstadt und große Teile der Innenstadt in Neunkirchen. Auf seiner Sommertour konnte sich Minister Jung auf ausführlichen Rundgängen und bei Gesprächen einen Eindruck von diesen Quartieren machen, die er als Modellregionen „voranbringen“ will. Sein Fazit nach einem Rundgang durch Burbach: „Wir haben auf der einen Seite gesehen, dass Burbach viel Potential hat, das man entwickeln kann, aber wir haben auch die Herausforderungen gesehen“. Das betreffe das öffentliche Bild von Straßen und Anlagen oder Leerstände im Einzelhandel. Bei den Veränderungen setzt Jung auf die Zusammenarbeit mit örtlichen Trägern, wie der Gemeinwesensarbeit Burbach (Caritas), weil das nicht nur die Experten vor Ort seien, sondern auch Vertrauen der Menschen vor Ort genießen. Fazit des Ministers nach der Sommertour: „Ich nehme die Überzeugung mit, dass es richtig ist, wenn wir hier einen Schwerpunkt setzen“.
Kein Geld für Urlaub
Die Hälfte aller einkommensschwachen Haushalte kann sich keinen einwöchigen Urlaub leisten. Bei Alleinerziehenden liegt der Anteil sogar bei 60 Prozent. Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband sind diese Zahlen der Europäischen Statistikbehörde schlicht „bedrückend“. Joachim Rock, designierter Hauptgeschäftsführer des Paritätischen: „Bitter ist, dass bei vielen das Geld selbst für Ferien zu Hause nicht reicht. Denn Aktivitäten wie Eis essen, der Besuch im Schwimmbad oder Zoo kosten zusätzlich Geld.“ Weder bei Bürgergeld noch beim Bildungs- und Teilhabepaket würden ausreichenden Mittel für mehrtägige Ferienfreizeiten von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen.
Liberale
Keine Koalition mit Grünen
FDP-Chef Christian Lindner schließt eine Beteiligung seiner Partei an einer möglichen Bundesregierung unter Führung der Grünen aus. „Klar ist für mich eins: Noch mehr grün, also mit einem grünen Kanzler und einem grüneren Regierungsprogramm, das würde nicht zu uns passen“, so der amtierende Finanzminister und Mitglied in der regierenden Ampelkoalition. Augenzwinkernd kommentierte der FDP-Chef damit die anstehende Kanzlerkandidatenfrage bei den Grünen. „Damit habe ich jetzt schon sogar was für den Fall eines möglichen Kanzlerkandidaten Habeck gesagt.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gilt als wahrscheinlichster Kanzlerkandidat der Grünen, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock öffentlich ihren Verzicht darauf erklärt hatte. Doch bevor sich die Frage stellt, stehen die Landtagwahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September an. Laut Umfragen sieht es dort weder für die Grünen und schon gar nicht für die FDP gut aus. Parteichef Lindner wollte diese Umfragewerte für seine Partei nicht näher kommentieren.
Klimaklebern droht Millionenstrafe
Direkt zum Ferienbeginn in allen Bundesländern meldeten sich die Klimaaktivisten der Letzten Generation zurück. Erst wurde das Rollfeld des Flughafens Köln-Bonn, einen Tag später das Rollfeld des größten deutschen Flughafens Frankfurt am Main blockiert. Über Stunden waren die beiden wichtigen Drehkreuze des Flugverkehrs gesperrt. Nun bereitet die Lufthansa eine Millionenklage gegen die Klimaaktivisten vor. Ein Sprecher der Fluglinie kündigte an, es sei absehbar, dass die Schadenssumme durch die Blockade allein in Frankfurt „erheblich höher“ sei als bei vorherigen solcher Aktionen. Laut Lufthansa wird nach früheren Besetzungen der Rollfelder von drei Flughäfen insgesamt 740.000 Euro Schadensersatz gefordert. Nun könnte die Schadenersatzforderung über einer Million Euro liegen, so die Lufthansa. Zu diesen Forderungen der Airline könnten dann noch weitere Schadenersatzforderungen der Flughafengesellschaften Köln/Bonn und Frankfurt kommen, hieß es.
Raketenstationierung
„Keine öffentliche Debatte“
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisiert die Verfahrensweise, wie es dazu kam, dass nun US-Marschflugkörper in Deutschland stationiert werden. Diese geplante Verlegung weitreichender US-Waffen ist nach Ansicht von Gabriel nicht ausreichend diskutiert worden. „Mich stört nicht die Stationierungsabsicht selbst, sondern die Tatsache, dass es darüber in Deutschland keine öffentliche Debatte gegeben hat. Es wurde einfach entschieden“, so der ehemalige deutsche Außenminister. Die Erhöhung der Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit mit solchen Waffensystemen brauche immer das Verständnis für die Gründe einer solchen Stationierung in der Bevölkerung, so Gabriel. Am Rande des Nato-Gipfels in der US-Hauptstadt Washington zum 75. Geburtstag der Nato wurde überraschend verkündet, dass die USA ab 2026 in Deutschland wieder Waffensysteme stationieren wollen, die weit bis nach Russland reichen. Darunter sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern sein, die auch nuklear bestückt werden können.
Wiegand Will's Wissen
Blickpunkt Europa
Während in Europas Hauptstadt Brüssel viele Büros wegen Ferien verwaist sind, brodelt es in einigen umso heftiger. Bei den EU-Institutionen kursieren Namen möglicher Kommissare. Sie bedeuten neue Teams, neuen Stil, neue Konzepte.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kniffelt, um für jedes EU-Land eine Person in ein Ressort zu bugsieren. Eine Sisyphusarbeit. Die Zuteilung muss Fachwissen mit politischen und nationalen Befindlichkeiten austarieren.
Bei ersten Namen fällt auf, dass viele Bewerbende wirtschaftsbezogene Ämter wünschen. Energie, Agrar oder Finanzen gelten als attraktiver als Justiz, Entwicklung oder Katastrophenhilfe. Neue Portfolios gibt’s für Mittelmeerfragen, Verteidigung und Wohnungswesen.
Ein Problem für von der Leyen: Genderbalance. Viele Staaten folgen nicht der Bitte der Behördenchefin, je einen Mann und eine Frau anzubieten – sie setzen auf einen Herrn, Punkt. Aber alle sind gestandene Leute: Minister oder Leiter von Staatsinstitutionen. Mitte August führt von der Leyen Bewerbungsinterviews.
Etliche streben eine zweite Amtszeit an, einer sogar die dritte: Vladis Dombrovskis. Der Handelskommissar, Christdemokrat aus Lettland, wäre gern Chef des EU-Binnenmarktes oder für Wiederaufbau der Ukraine. Endgültig gesetzt ist nur Estlands Ex-Regierungschefin Kaja Kallas als Außenbeauftragte.
Spannend wird, welche Scheibe neue Regierungen abschneiden werden. So will Postfaschistin Giorgia Meloni italienischen Zugriff auf Ökonomie. Das wünscht auch der rechtskonservative Tscheche Petr Fiala. Klar ist: Nach dem Sommer gibt’s in Brüssel Stühlerücken.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.