Was uns bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland erwartet
Die Europawahl und ihr Ergebnis haben viele erschüttert. Das starke Ergebnis der AfD und die sichtbare Dominanz der Partei in den ostdeutschen Bundesländern geben Anlass für große Befürchtungen. Überrascht war aber nur, wer den Umfragen entweder nicht geglaubt hat oder ihnen nicht gefolgt ist – sie waren diesmal außergewöhnlich akkurat und zeigen, dass man dieses Instrument der Wahlforschung nicht voreilig beiseiteschieben darf. Vor allem dann nicht, wenn einem die dortigen Erkenntnisse nicht in den Kram passen.
Wir wissen also ziemlich genau, was nach aktueller Stimmungslage bei den ostdeutschen Landtagswahlen – Sachsen und Thüringen am 1. September, gefolgt von Brandenburg am 22. September – wohl herauskommen wird. Natürlich ist das nicht in Stein gemeißelt: Es passieren immer mal Dinge, die solche Vorhersagen beeinflussen können. Auch kann es sein, dass eine höhere Wahlbeteiligung oder andere Prioritäten im Vergleich zur Europawahl Einfluss haben können – oder eben auch nicht, wie die vorgezogene Parlamentswahl bei unseren französischen Nachbarn schön unter Beweis gestellt hat.
Eine stärkste Partei AfD in den ostdeutschen Landtagen, verbunden mit einem stark in die Landtage eingetretenen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und mit nur der CDU als verbleibender dritter Kraft mit einem nennenswerten Stimmenanteil, ist ein Rezept für eine politische Krise. Vor allem dann, wenn die Ramelow-Linke tatsächlich so katastrophal untergehen wird wie erwartet. Das wichtigste Szenario ist nicht einmal, dass im drit-ten Wahlgang einer Wahl zum Ministerpräsidenten ein AfD-Spitzenkandidat den Auftrag zur Regierungsbildung erhält, da dann die einfache Mehrheit dafür ausreichend ist. Das wichtigste Szenario ist die Frage, welche Modelle aus Tolerierung und Hinterhalt den politischen Prozess beeinflussen werden.
Würde die AfD – wie damals mit FDP-Mann Kemmerich – einen CDU-Ministerpräsidenten mitwählen und dann schadenfroh darauf warten, wie dieser auf die offensichtliche Unterstützung reagiert? Würde das BSW einen Nicht-AfD-Kandidaten zumindest bei dieser einen Wahl unterstützen, um sich möglichst klar von der AfD zu distanzieren? Etwas, was manche ihrer Funktionäre offenbar nicht so richtig hinbekommen. Und wenn eine solche Minderheitsregierung zustande käme, wie gut oder schlecht würde sie mit einer schmalen Machtbasis überhaupt Politik für ihr Bundesland machen können? An eine „richtige“ Koalition mag man angesichts der Prognosen schon gar nicht mehr glauben.
Fast sekundär erscheint dabei mittlerweile die Frage, ob die Landtagswahlen der Sargnagel für das politische Schicksal der Linkspartei sein werden und wie die SPD mit der Aussicht umgehen kann, möglicherweise in deutschen Landtagen nicht mehr durchgehend repräsentiert zu sein. Nicht sekundär bleibt die Frage, ob die demokratischen Parteien weiterhin bereit sind, hinter den Parolen der Extremisten herzulaufen und ihnen damit weitere Stimmen zuzuführen, anstatt sich selbst damit zu retten.
Eines aber steht fest: Wer nach den zu erwartenden Ergebnissen von einer „politischen Katerstimmung“ reden wird, hat noch nicht begriffen, dass das Besäufnis bereits vor geraumer Zeit begonnen hat – und viele bis heute noch nicht begreifen wollen, dass wir die AfD nicht besiegen, indem wir uns ihr so weit wie möglich anpassen.