Marco Huck war mal Champion im Profi-Boxen. Nach einer vierjährigen Ringpause greift er im Schwergewicht wieder an. Sein Ziel: der WM-Titel. Aber ist das realistisch?
An Motivation mangelt es Marco Huck ganz sicher nicht. Und auch an Schlagkraft scheint der einstige Box-Weltmeister nichts eingebüßt zu haben. Zumindest berichtete das Portal boxen1.com anderthalb Wochen vor Hucks Comeback als Profiboxer, dass der Berliner bei einer Übung einen Trainings-Sandsack aus der Verankerung geschlagen habe. Auch sein früherer Trainer Uli Wegner, der an jenem Tag als Zuschauer im Gym Hucks Form begutachtete, soll vollauf begeistert gewesen sein und dies seinem Ex-Schützling auch nicht verheimlicht haben: „Mensch, du hast es ja immer noch voll drauf. Du explodierst ja wie früher und hast nichts verlernt. Ich bin überrascht, wie gut du immer noch bist!“ Doch Training ist das eine, und ein Kampf das andere. Im Schwergewichts-Duell mit dem Griechen Evgenios Lazaridis tat sich der 39-Jährige Huck deutlich schwerer als erwartet, das Niveau im Berliner Estrel Convention Center ließ sehr zu wünschen übrig.
Schlagkräftig wie eh und je
Das hat aber ganz offensichtlich nicht nur an der fast vierjährigen Pause gelegen, die Huck seit seinem bis dato letzten Kampf im August 2020 gegen den Deutschen Dennis Lewandowski eingelegt hatte. Huck erklärte noch im Ring, dass er gehandicapt angetreten war. „Die meisten wissen es nicht: Ich habe mir im Training die rechte Mittelhand gebrochen. Und trotz der gebrochenen Hand wollte ich meine Fans nicht enttäuschen“, sagte er. Aber warum hat er den Kampf nicht abgesagt oder zumindest vorher von der Verletzung berichtet? „Ich stehe meinen Mann, komme was wolle. Deswegen habe ich es niemandem erzählt und mein Team hat ebenfalls geschwiegen“, äußerte „Käpt’n Huck“, wie der gebürtige Jugoslawe genannt wird. Sein Bruder habe ihn „für verrückt erklärt“, verriet der Boxer: „Er meinte: Dir ist klar, dass das keiner machen würde?“ Doch eine Absage kam für Huck nicht infrage. „Es haben sich aber so viele Leute darauf verlassen, dass ich mein Comeback starte und durchziehe.“ Er habe es deswegen „einfach durchgezogen“, denn eine Kampfabsage wäre „eine Katastrophe“ gewesen.
Es tue ihm leid für die Fans, „die sich gewundert haben, warum ich die Rechte überhaupt nicht geschlagen habe“. Diese hätten ihn trotz der enttäuschenden Vorstellung zum einstimmigen Punktsieg getragen. „Als Allererstes möchte ich mich bei meinen Fans für die Unterstützung bedanken“, sagte Huck direkt nach der Urteilsverkündung: „Sie haben an mich geglaubt.“ Und auch Huck selbst hatte nie Zweifel am Sieg gehabt. „Der Gegner war wirklich eine harte Nuss, aber ich habe ihn sogar mit links dominiert“, sagte er: „Ich hoffe, dass ich schnell wieder gesund werde.“ Denn sein Plan war, noch in diesem Jahr erneut in den Ring zu steigen – diesmal gesund und mit einer besseren Leistung. „Es gibt schon ein paar Jungs, die ich mir angucke“, sagte Huck im RBB. Einen potenziellen Gegner hat er ganz oben auf der Wunschliste: Ex-Weltmeister Anthony Joshua aus Großbritannien. Für ein solches Kaliber brauche man aber „beide Hände“.
Das alleine wird jedoch nicht ausreichen, um ein lukratives und prestigeträchtiges Duell mit Joshua zu bekommen. Huck muss erst mühsam und über viele Aufbaukämpfe in der Weltrangliste nach oben klettern und in der Szene auf sich aufmerksam machen. Aber warum tut er sich die Qualen in seinem fortgeschrittenen Alter noch an? Sein Ziel ist tatsächlich ein WM-Kampf im Schwergewicht in einem der vier wichtigsten Verbände. „Ich will zurück in die Weltspitze der Königsklasse und gegen die Besten boxen“, erklärte Huck: „Ich möchte den Weltmeistertitel gewinnen und zurück nach Deutschland holen.“ Starke Worte – aber wie realistisch ist das? Schließlich ist der Ukrainer Oleksandr Ussyk nach seinem Sieg im Vereinigungskampf gegen den Briten Tyson Fury im Besitz des WBO-, WBC- und IBF-Gürtels, in der WBA ist er zudem als Superchampion gelistet. Am 21. Dezember soll es zum Rückkampf der beiden Schwergewichts-Superstars in Saudi-Arabien kommen. Doch schon der erste Fight hat sich über viele Monate hingezogen, vor allem dem launischen Fury ist zuzutrauen, dass er nach seiner ersten Niederlage als Profi-Boxer gar nicht mehr in den Ring steigt. Das wäre dann die Chance für andere Boxer, zumal auch Ussyk in der jüngeren Vergangenheit seinen baldigen Rückzug vom Leistungssport zumindest angedeutet hat.
Aber ist das auch eine Chance für Huck? Der Mann, der 2009 im Cruisergewicht den WM-Titel der Version WBO gewann und ihn danach bis 2015 erfolgreich verteidigte und sich später auch noch zum IBO-Champion kürte, scheint seine besten Tage als Boxer hinter sich zu haben. „Den Jungen kriegen wir wieder hin“, versicherte jedoch Hucks Bruder und Manager Kenan Hukic: „Marco ist hoch motiviert und hat von seiner Schlagstärke, seiner Ringintelligenz und seinen Huck-Spurts im Ring nichts, aber auch gar nichts verlernt.“ Sein Bruder werde „das große Boxen nach Deutschland holen“. Die nach Helden lechzende deutsche Boxszene hätte nichts dagegen, aber Zweifel sind durchaus angebracht. Für seinen großen Comeback-Traum hat sich Huck Verstärkung im Management-Bereich geholt. An seiner Seite ist nun Samuel Zizuaschwili als Box-Promoter. Der in Berlin geborene Unternehmer schwärmte: „Marco ist wie ein Rohdiamant, der geschliffen werden muss. Er hat unglaublich viel Energie im Körper.“
Als Rohdiamanten werden in der Regel junge Talente bezeichnet. Doch Huck feiert im November seinen 40. Geburtstag. In dem Alter entwickeln sich Leistungssportler nur ganz selten weiter, in der Regel nimmt die Leistungsfähigkeit rapide ab. „Alter ist nur eine Zahl“, wiegelt Huck ab: „Man ist immer so alt wie man sich fühlt.“ Dass er – mit einer Unterbrechung – seit fast zwei Jahrzehnten Profi ist, sei „Wahnsinn“. Momentan fühle er sich aber nicht reif für die Box-Rente, sondern „wirklich sehr, sehr gut“.
„Alter ist nur eine Zahl“
Auch Ex-Trainer Wegner sieht Huck noch nicht zu alt für Erfolge im Ring. „Die Reflexe und die Schlagtechnik sind noch da. Mehr möchte ich allerdings nicht sagen“, äußerte die Trainer-Ikone. Natürlich ist allen Beteiligten bewusst, dass die Nachteile der langen Ringpause nicht innerhalb von ein, zwei Kämpfen beseitigt werden können. Um wieder ein richtiges Gefühl für die Distanz und Taktik und auch das notwendige Stehvermögen zu bekommen, braucht es Zeit. Und eisernen Willen. „Marco ist wie ein Märchen“, meinte Wegner – alles sei möglich. Aber: „Im Ring muss er beweisen, ob er seine anspruchsvollen Ziele in die Tat umsetzen kann.“
Huck ist bereit, dem alles unterzuordnen. Sein erster Kampf hat ihn darin nur noch bestärkt – trotz der unglücklichen Begleitumstände. Das Gefühl sei „sensationell“ gewesen, verriet der Ex-Champion: „Ich liebe diese Sportart sehr. Das ist eine große Leidenschaft.“ Er habe rund um den Kampf alles aufgesogen, wie ein Schwamm. „Die Leute haben mich so angefeuert, mir so viel Energie und Kraft gegeben – das ist einfach geil. Ich freue mich auf ein weiteres Spektakel.“ An ein frühes Scheitern seiner großen Comeback-Pläne denkt er gar nicht, zu euphorisiert ist er aktuell. „Die Liebe zum Boxen ist wieder da“, sagte Huck. Und: „Ich möchte der Beste sein.“
Auch wenn das unrealistisch ist – mangelnden Willen will sich Huck nicht vorwerfen lassen. Als er sich die Hand brach und trotzdem in den Ring stieg, erinnerte er sich an eine Ansage seines Ex-Trainers Wegner. Der hatte ihm mal in einer Ringpause eindringlich gesagt: „Junge, wenn du jetzt aufgibst, wirst du immer versagen. Zieh einfach durch!“